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dieser Art von Gedichten hätte erheben können. Man darf nur sein Heldenlob, und hernach den August im Lager lesen: so wird man bald sehen, daß es unmöglich ist, ein Wohlgefallen an seinen Versen zu haben. Ihre Härte und Rauhigkeit benimmt allen seinen, zuweilen noch leidlichen Gedanken, den ganzen Werth: und eben daher ist es kein Wunder, daß sein I. Gefang vom August im Lager, zu Maclatur geworden; den Verfasser aber von der Fortsetzung abgeschrecket hat.

12. §. Aus Homers Exempel sehen wir, daß es ben Verfassung eines heroischen Lobgedichtes fürs erste rathsam sey, sich der langen Versart zu bedienen, die in jeder Sprache am prächtigsten klinget: ohne sie in gewisse Strophen ab. zutheilen; als welches sie den Oden ähnlich, und zu Gesängen machen würde. Die popce selbst hat in diesem Stücke nichts vor den Lobgedichten der Götter und Helden voraus: denn beyde sind an Wichtigkeit des Inhaltes einander gleich. Daher sagt Horaz:

Res gefta Regumque Ducumque et triftia bella,

Quo poffent numero fcribi, monftravit Homerus. Könnten wir nun im Deutschen die Herameter schon mit derjenigen Anmuth sehen, die dem Leser gefiele: so wäre es gar wohl erlaubt, auch Lobgedichte darinn abzufassen; wie Heraus solches auf Kaiser Karl den VI. versuchet hat. In Ermangelung dessen aver, haben unsere Vorgänger sich der fechsfüßigen Jamben mit ungetrennten Reimen, oder theils auch wohl der achtfüßigen Trochåen bedienet. Außer Neumarken, dessen ich oben erwähnet, hat auch Zesen, und noch in diesem Jahrhunderte Wenzel und Herr D. Lindner, folches mit gutem Erfolge gethan. Je prächtiger man nun den Wohlklang, und je reiner man das Sylbenmaaß in diesen Gedichten machen kann, desto besser wird es sie zieren: da hingegen ein gezwungenes, hartes Wesen dieselben sehr verstellet. Ferner lehrt Homers Beyspiel, daß man in solchen wichtigen Gedichten auch den Beystand einer Gott

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heit anrufen könne: zumal, wenn sie lang und weitläuftig gerathen. Dieses haben auch die meisten alten und neuern Dichter nachgeahmet; sonderlich, wenn sie ihre Arbeiten gar in etliche Bücher abgetheilet haben, so daß sie einiger maßen den Epopeen ähnlich gesehen. Allein auch hier haben die Anmerkungen statt, die im ersten Theile bereits davon gegeben worden. Ein christlicher Dichter thut besser, wenn er entweder den wahren Gott, oder den Geist Gottes, in geistlichen und sehr ernsthaften Materien; oder in weltlichen, die Wahrheit, die Tugend, die Großmuth, die Dankbarkeit, die Freundschaft, die Liebe, oder die Ehre anrufet; als wenn er immer bey der Muse Rlio, oder Ralliope bleibt. Unsere Vorfahren haben dieses zwar gethan; und ich tadle sie deswegen nicht gänzlich: ob ich gleich sage, was besser ist.

10. §. Was nun den Inhalt solcher Gedichte betrifft; so muß zuförderst der, so jemanden loben will, wissen, was für Eigenschaften eigentlich ein wahres Lob verdienen: denn sonst läuft er Gefahr, auch scheinbare Laster als große Tugenden heraus zu streichen, und dadurch bey den Verständigen zum Gelächter zu werden; bey Unverständigen aber viel Schaden zu stiften. Zweytens muß man den Character derjenigen Person wohl kennen, die man loben will; damit man ihr nicht unrechte Eigenschaften beylege. Denn aus den allgemeinen Quellen der Lobsprüche solche Schmäucheleyen zu schöpfen, die sich auf hundert andere eben so wohl schicken, als auf den, welchen man nennet; das heißt kein rechtes Lob, fondern eine niederträchtige Lobesucht,

Da keiner Weisheit Spur,

Kein Salz noch Eßig ist, als bloß der Fuchsschwanz nur. wie Rachel sie beschreibt. Eine rechte Lobschrift muß sich ganz sonderbar auf denjenigen Helden schicken, den man lobt, und auf keinen andern gebraucht werden können. Es ist gratulantenmäßig, wenn man auf alle seine Gönner gleich. sam einerley Verse macht; und ihre Gottesfurcht, Wohl

thätig.

thätigkeit 2c. mit großem Geschreye erhebt. Eben so ver ächtlich ist der Kunstgriff, in dem Lobe eines neuern allemal einen alten Helden herunter zu machen. Venus muß nicht mehr schön, Alexander kein Held, Plato kein Philosoph, und Cicero fein Redner mehr seyn, wenn der Poet es so haben will. Oder man schmelzt gar alle große Leute des Alterthums zusammen, um einen einzigen Neuern daraus zu gießen: der doch gemeiniglich kaum werth ist, dem gering. sten von jenen die Schuhe aufzulösen. Ein rechtschaffener Poet schamet sich dieser verächtlichen Schmäucheleyen, und lobet feinen, als von dem man was besonders zu sagen und zu rühmen weis.

14. §. Doch da die Gewohnheit es eingeführet hat, auf viele Leute Verse zu machen, wenn uns gleich keine solche ruhmwürdige Eigenschaften von ihnen bekannt sind: so bediene man sich des Kunstgriffes, den Pindar ersonnen hat; wenn er auf die Ueberwinder in den olympischen Spielen nicht viel zu sagen wußte. Er lobte etwa einen andern griechischen Helden oder Gott, oder handelte eine ganz andere Materie ab, die nüßlich und angenehm war: zuleßt aber dachte er nur mit wenigen Worten an denjenigen, dem zu Ehren es verfertiget wurde. Diese Erfindung hilft uns zuweilen ganze Bogen füllen, ehe mans gewahr wird. Man erzäh. let bey Königen und Fürsten das Alterthum ihres Hauses, die Thaten ihrer Vorfahren, in Kriegs- und Friedenszeiten; oder man schildert überhaupt das Bild guter Regenten, Feldherren, oder anderer großer Männer ab. Man beschreibt Tugenden und entgegengesetzte Laster, so viel sich ohne Beleidigung dessen, den man ehren will, thun läßt. Die Gedichte werden auch eben dadurch für andere Leser erbau licher, und kommen also eher bis auf die Nachwelt, als wenn sie lauter kalte Lobsprüche in sich halten. Zum wenig. sten muß man hier und dar lehrreiche Ausschweifungen zu machen bedacht seyn; um dem Ekel der Leser zuvor zu kommen. Man sehe nur zu, daß man nicht gar zu weit gefuchte Materien ausführe; die sich auf keine andere Weise

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auf

auf unsern Helden deuten lassen, als wenn man sagt: Doch, wo gerath ich hin? ·

15. §. Die Schreibart aller dieser Gedichte muß, nach Beschaffenheit der Sachen und Personen, davon sie handeln, bald prächtig und erhaben, bald sinnreich und nachdenklich, bald pathetisch, bald auch natürlich werden. Hofrath Pietsch hat in seinen meisten Gedichten eine so edle Art des Ausdruckes, und so erhabene Gedanken gebrauchet, daß er zu solchen Lobgedichten fast allein gebohren zu seyn geschienen : wie man unter andern aus seinem Gedichte auf den Grafen zu Waldburg, und dem langen Gefange auf den Prinzen Eugen sehen kann, der sich anhebt: feuriger Eugen! der aber einer Ode ähnlicher sieht, als einem heroischen Gedichte. Opitz giebt in seinem Lobgedichte auf den König Vladislas, ein treffliches Muster einer edlen Einfalt des Ausdruckes. Er geht nicht auf Stelzen, sondern ist von Natur durch die Art seiner Gedanken erhaben. Er kennet die Pflichten eines Königes, und alles dessen, was ihn wirklich groß machet. Dieses schildert er nun so natürlich), daß er seinen Leser dahin reißt, und ihn in Bewunderung seines Helden sehet. Sein Herz, und nicht sein Wiß scheint die Feder zu führen, wenn er lobet. Nächst ihm hat Neukirch in seinen Lobgedichten auf den König in Preußen die rechte Schreibart in seiner Gewalt gehabt. Auch er flößt lauter edle Bilder von seinem Helden ein: da hergegen Rdnig, wenn er den Augustus loben will, nur auf seine Stärke, große Nase, und starke Augenbraunen verfällt: gerade als ob folche Kleinigkeiten zu der Würde eines Königes etwas beytrügen. Auch das ist tadelhaft, wenn Dichter in ihren Lobgedichten auf Fürsten, nur ihre Kronen, Gold, Edelsteine, Purpur, Sammt, Trabanten, Pracht und Gefolge loben. Dieß find Dinge, die zwar des Pöbels Augen blenden, aber feine wahre Größe zeigen. Ein Nero kann sie eben sowohl, als ein Titus und Trajan haben: aber diese wissen andere Mittel, sich ansehnlich und beliebt zu machen. Ein Dichter muß die Gedanken seiner Leser über die Vorurtheile des Crit. Dichtk. Mm

ge.

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gemeinen Wahnes zu erheben, nicht aber darinn zu bestärfen suchen. Man hüte sich endlich auch vor allen schwülstigen Ausdrückungen, in welche die lohensteinische Schule eine. Zeitlang gerathen war; und wovon auch Neukirch in seiner Jugend angestecket gewesen. Eben deswegen habe ich aus der Sammlung seiner Gedichte, die ich ans Licht gestellet, alle die Stücke ausgeschlossen, darinn dieser böse Geschmack noch herrschete.

16. §. Doch ehe ich dieses Hauptstück schließe, muß ich noch etwas erinnern, was zu diesem und allen vorhergehenden Hauptstücken dieses andern Theiles gehöret. Es betrifft die Titel, die man zu seinen Gedichten machen soll. Hier fragt sichs nun, wie man dieselben einzurichten habe? Viele Leute lieben die gekünstelten oder hochtrabenden, das ist, die metaphorischen oder allegorischen Titel: und diese pflegen ihre vornehmste Erfindungskraft schon auf der Ueberschrift zu verschwenden. Neidhard hat eine Cantate gemacht, deren Titel dieser war: die mit blauen Adlersflügeln gen Simmel geflogenen güldenen Sonnen. Die Erfindung war aus dem Wappen desjenigen Grafen genommen, ben dessen Leiche dieses Stück zur Trauermusik dienete. Wer sieht aber nicht, wie ungereimt die Phantasie des Poeten gewesen, der das Herz gehabt, die blauen Flü gel an die Sonnen zu sehen, um sie damit gen Himmel fliegen zu lassen? In andern Gedichten findet man eben solche Ausschweifungen: ja in ganzen Büchern der Poeten ist es nichts seltsames, daß man poetische Trichter, Helikone, Parnasse, Tempel, Altäre, Rosenblätter, Rosengebüsche, CedernLorbern Myrten- und Cypressen - Hayne, Posaunen, Harfen, Glocken, Cymbeln, und warum nicht auch Schällen? von ihnen zu sehen bekömmt.

17. §. Allein, wenn ich die Wahrheit davon gestehen soll; so machen alle diese metaphorische Titel einem Buche kein sonderliches Ansehen. Die Alten haben ihren größten und besten Gedichten sehr einfache und schlechte Namen gegeben.

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