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3. §. Indessen sind alle diejenigen, so zwischen dem Cyrus und Alexandern dem Großen geschrieben worden, gänzlich verlohren gegangen. Findet man gleich bey den Alten einen Dionysius von Milet, der unter dem ersten Darius gelebet, und fabelhafte Geschichte geschrieben haben sol!: so ist es doch nicht gewiß, ob es milesische, das ist, verliebte Fabeln gewefen. Eben so wenig kann man den Hegesipp und andre hieher rechnen, deren milesische Geschichte Parthenius anführet; welcher um Augusts Zeiten eine Sammlung verliebter Geschichte geschrieben: da die daraus angeführten Stücke sattsam zeigen, daß sie bloß die Historie von Miletus enthalten. Zu Alexanders Zeiten lebte Klearchus von Soli, in Cilicien, ein Schüler Aristorels; und dieser. hat verliebte Bücher geschrieben: aber auch diese könnten leicht Sammlungen wahrer Begebenheiten gewesen seyn. Theophrast, der gleichfalls Aristotels Lehrling gewesen, foll eben so wohl als sein Lehrer erotische Sachen geschrieben haben. Wer aber ihre Art zu denken kennet, wird viel eher glauben, daß sie, als Weltweise, von der Liebe gehandelt. Diogenes Laertius redet von einem Ariston, der auch erotische Abhandlungen verfertiget hat: und Athenâus nennet den Titel des Buches eines andern Aristons Liebesgleichnisse. Philipp von Amphipolis, Herodian, und Amelius der Syrer, haben nach dem Berichte eines alten Arzneylehrers, auch verliebte Fabely gemachet. Aber wer kann uns von ihrem Inhalte versichern, ob sie philosophisch, mythologisch, historisch, oder romanhaft gewesen? So bleibt uns denn nur Antonius Diogenes übrig, der nach des Phorius Muthmaßung, bald nach Alexandern, einen wahrhaften Roman von den Reisen und der Liebe des Dinias und der Dercyllis gemachet hat. Dieser hat augenscheinlich die Odyssee nachgeahmet; und ob er wohl auch viel abgeschmackte Mährchen und unwahrscheinliche Erzählungen eingemenget, so ist er dennoch ziemlich bey der Regel geblieben.

4. §. Diesen Schriftsteller haben sich nachmals Lucius, Lucian, Achilles, Tatius, Jamblichus und Dama,

scius, zum Muster dienen lassen: wie Photius in seiner Bibliothek berichtet. Er hat aber selbst einen Antiphanes genennet, der sein Vorgänger in dergleichen Fabeln gewesen. Dieser war ein komischer Dichter gewesen, von welchem Stephanus, der Erdbeschreiber meldet, daß er unglaub. liche und possirliche Erzählungen geschrieben. Er war von Berge in Thracien; daher die Griechen Gelegenheit nah men, zu sagen, wenn jemand Lügen vorbrachte, daß er bergenzete. Aristides von Miletus, hat kurz vor dem Triumvirate des Marius, Cinna und Sylla gelebet: denn Sisenna, ein römischer Geschichtschreiber, hatte seine milefische Fabeln ins Latein übersehet. Daß selbige voller Un flåtereyen gewesen, können wir daraus schließen, weil Su renas, der parthische Feldherr, der den Römer Crassus schlug, dieses Buch in dem Geråthe des Roscius, als eine Beute fand; und deswegen vor dem Rathe zu Seleucia über die römische Ueppigkeit spottete, als die auch im Felde solche wollüstige Bücher mit sich schleppete. Nun folgeten Lucius von Patras, und Lucian von Samosata, fast zu einer Zeit. Jener machte eine Sammlung von magischen Verwandlun gen der Menschen in Thiere, oder Herenmährchen; die er aber ganz ernstlich glaubte. Lucian hingegen war gescheider, und erzählte eben dergleichen in seinem Esel; den er nach jenem Lucius nennet, um darüber sein Gespött zu haben. Es hat noch einen solchen fabelhaften Esel gegeben, welchen Ammonius, ein Sprachlehrer geschrieben: und die ser ist so wißig gewesen, daß er das Freffen und Saufen vergeffen, wenn er einen schönen Vers lesen gehöret. Lucian hat überdem feine zwey Bücher wahrhaftiger Lügen gemachet, die gleichfalls hicher gehören; und die sowohl Rollenhagen, als eine neuere Feder verdeutschet hat: wie man in der kleinen Sammlung der lucianischen Schriften sehen kann, die ich ans Licht gestellet habe.

5. §. Um eben die Zeit, nämlich unterm Kaiser Antonin, hat Jamblichus seine babylonischen Fabeln von der Licbe des Rhodanes und der Sinonis geschrieben, darinn er

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alle seine Vorgänger übertroffen hat. Photius giebt uns einen Auszug davon, und hieraus sieht man, daß er nur eine einzige Haupthandlung mit den gehörigen. Zierrathen und Epifodien ausgeschmücket; und die Wahrscheinlichkeit genau beobachtet. Indessen ist er der Zeitordnung gar zu historisch gefolget, und hat den Leser nicht gleich in die Mitte feiner Begebenheiten geworfen; wie Homer in der Odyssee gethan. Es sollen noch Manuscripte davon vorhanden seyn. Man muß aber diesen Jamblichus nicht mit dem Schüler Porphyrs, einem platonischen Weltweisen vermengen, der erst um Julians Zeiten gelebet hat. Das vollkommenste Stück in dieser Art aber, hat uns Heliodor, in seiner åthiopischen Historie vom Theagenes und der Chariklea hinterlassen. Nichts ist züchtiger und tugendhafter, als die Liebe dieses Paares; und dieses sollte billig allen Romans schreibern nach der Zeit zum Muster gedienet haben. Man könnte sagen, diese Ehrbarkeit hätte man der christlichen Religion zu danken, der Heliodor zugethan gewesen; und darinn er sich durch besondere Verdienste bis zur bischöflichen Würde geschwungen? wenn es nicht unzählige andere schmutzige Nachfolger gegeben hätte, die sich nicht weniger, als er, Christen genennet. Sein eigenes tugendhaftes Herz muß ihm also einen Abscheu vor allen Unflätereyen gemachet haben. Er war Bischof zu Tricca in Thessalien, und führte daselbst, wie Sokrates berichtet, die Gewohnheit ein, die Geistlichen abzusehen, die sich nicht derjenigen Weiber enthielten, die fie vor erlangtem Priesterorden geheirathet hatten. Daher wird denn des leichtgläubigen Nicephorus Erzählung verdächtig, als ob in einer provinzial Kirchenversammlung, dem Heliodor, die Wahl vorgeschlagen und auferleget worden: entweder sein Buch verbrennen, oder sein Bisthum fahren zu lassen; davon er aber das lehte erwählet hätte. Seine Fabel indessen zeiget eine reiche Erfindungskraft; alles ist darinn abwechselnd, neu, unvermuthet, wahrschein= lich, wohl eingefädelt, und glücklich aufgelöset. Die Auswickelung ist so schön, als natürlich, und beweglich; ja aus.

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der Sache selbst hergeflossen. Man kann die neue Uebersehung davon lesen, die uns vor kurzem Herr M. Agricola im Deutschen geliefert hat. Huetius tadelt seine gar zu gefünftelte Schreibart, und seine gar zu vielen Beschrei bungen. Allein wir glauben dem Photius lieber, der die erité gelobet hat. Er hat zu des Kaisers Theodosius Zeiten gelebet.

6. §. Achilles Tatius, hat eine solche Erzählung von der Liebe Rlicophons und der Leucippe, geschrieben, und dem Heliodor stark nachgeahmet; doch auch viel eigenes hinzugefeßet. Gleichwohl ist er ihm weder in der Reinigkeit der Sitten, noch in der Mannigfaltigkeit, noch in der Wahrscheinlichkeit der Begebenheiten zu vergleichen. Er hat auch viel aus dem Lucian und Philostratus gestohlen, und es nicht einmal zu verbergen gewußt. Huer zieht seine Schreibart Heliodors seiner vor: ob er gleich zuweilen nach der Schule schmeckt, und gar zu sehr mit seiner Beredsamkeit pralet; die doch damals sehr im Verfalle war. Er schweifet auch in Beschreibungen öfters aus, wie mäßige Köpfe zu thun pflegen, ob sie gleich öfters abgeschmackt dadurch werden. Gleichwohl haben Tasso und Herr von Urfe ihre Pastorale mit seinen Erfindungen ausgepußet. Tarius soll auch ein Christ, und endlich Bischof geworden seyn: man muß also sein üppiges Buch bald vergessen haben. Nichts ist artiger zu lesen, als was Huetius von einem untergeschobenen Buche des Arbenagoras, von der vollkom menen Liebe, schreibet; welches ein gewiffer Franzos geschries ben, und für eine Uebersehung aus dem Griechischen ausgegeben. Hier sieht man die feinsten Regeln der Kritik angewandt, diesen Betrug ans Licht zu bringen. Ich übergehe es aber, weil es in Deutschland nicht bekannt geworden. Mit besserm Rechte sehe ich des Longus seinen Schäferroman hieher, ob er wohl dem Heliodor gar nicht gleich zu schäßen ist. Die Tugend ist bey weitem nicht so geschonet, obwohl die Wahrscheinlichkeit und Abwechselung ziemlich darinn herrschet. Seine Schreibart schmecket ebenfalls nach

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dem Verfalle der schönen Wissenschaften zu seiner Zeit. Man kann in dem Biedermann einen Auszug daraus sehen, weil wir ihn im Deutschen ganz noch nicht haben. Des Damascius Werk von fabelhaften Geschichten verdient nicht hieher gerechnet zu werden. Ein anders ist es mit des Joh. Damascenus Geschichte von Barlaam und Josaphat; davon wir auch alte deutsche Ueberseßungen in gebundener und ungebundener Rede haben. S. der krit. Beytr. VII. B. 657 S. Dieß ist schon eine Legende zu nennen, weil es nur von der Liebe Gottes handelt, und endlich alles aufs Klosterleben hinausläuft. Es soll einer wahren Geschichte gleich sehen, ist aber gar zu fabelhaft gerathen.

7. §. Was Xenophon, der Epheser, von seinem Habrocomas, und der Anthia für Liebesgeschichte geschrieben, das hat uns Herr Cocchi vor wenigen Jahren ans Licht gesteller; so wie unlängst Herr Dorville Charitons, des Aphrodifiers, verliebte Begebenheiten des Chårea und der Kallirhoe, mit unsers Herrn D. Reiskens Uebersehung zu Amsterdam herausgegeben. S. des Büchers. der schön. Wissens. X. B. a. d. 124. S. Dieser soll in der Mitte des fünften Jahrhunderts gelebet haben; und hat auch seine Erzählungen mehr historisch, als poetisch, oder romanhaft eingerichtet. Huer hat nichts mehr von ihm gewußt, als was Photius saget, und von diesem, daß eine Handschrift davon auf der Vaticanischen Bibliothek wäre. Theodorus Prodromus, hat von der Liebe des Dofitles, und der Rhodante; Eustathius, Bischof von Thessalonich, aber foll vom Hysminias und der Sysmine, eben dergleichen geschrieben haben. Dieser lebte unter dem griechischen Kaiser Emanuel Romnenus, im 12ten Jahrhunderte. Allein dieses Werk ist viel zu schlecht, als daß man es dem gelehrten Ausleger Homers zueignen könnte. Daher mögen diejenigen Abschriften wohl recht haben, die den Namen Fumathius und nicht Eustathius nennen. Er führet seinen Helden redend ein, und läßt ihn seine Begebenheiten erzählen. Das Frauenzimmer verliebt sich zuerst, erkläret

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