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art, aus eben dem Grunde nicht allemal gleich seyn. Es kann hier, ohne Bedenken, das Hohe mit dem Niedrigen, das Ernsthafte mit dem Lustigen, und die wichtigste Sache mit der geringsten Kleinigkeit vermenget werden. 3. E. Pope:

Puder, Schönfleck, Liebesbrief, Bibel, alles liegt beysammen. Jmgleichen:

Eher mag doch Luft und See, und der ganze Ball der Erden, Mann und Aff und Papagey, Kaß und Hund zum Chaos werden!

19. §. Ein wichtiger Punct ist noch übrig, was nåm. lich die sogenannten Maschinen, oder das Wunderbare anlanget. Man versteht dadurch den Beystand der Götter, oder anderer übermenschlichen geistlichen Wesen, welchen sie denen im Handeln begriffenen Menschen oder Thieren leisten. Homer hat den Jupiter mit allen Göttern über die Drohung des Mäusehelden Meridarpar, rathschlagen lassen; ja er schlägt wirklich mit Bliß und Donner drein, um die Màuse zu schrecken; so wie er sonst die Riesen vom Himmel zurück geschlagen. Pope hat dagegen die Eylphen und Gnomen, bas ist, die Luft- und Erdgeister des Grafen von Gabalis, auf eine sehr spaßhafte Art in sein Gedicht gemenget, um es desto wunderbarer zu machen. Boileau mischet die Zwietracht, als eine Göttinn, in seine Fabel, vom Pulte; und eben so ist im deutschen Dichterkriege Eris mit im Spiele. Auf gleiche Weise könnte ein Dichter im Deut schen entweder einen Alp, oder Poltergeist, einen Wassernir, oder ein Bergmännchen; oder doch sonst eine allegorische Gottheit, aus der Zahl der Laster und Tugenden, in eigener, oder fremder Gestalt erscheinen lassen. Dieses geschieht nun billig in dem eigenen Charakter jeder solcher Person, und dadurch erlangen auch Kleinigkeiten ein größeres Ansehen. Man darf auch in solchen scherzhaften Sachen eben nicht gar zu bedachtsam damit umgehen: nein, auch unnöthige und überflüssige Maschinen werden hier billig geduldet; wie 3. E. Umbriel im Lockenraube ist. Gg 2

20. §.

20. S. Was die Schreibart solcher komischen Gedichte betrifft, so ist freylich die poetische besser, als die ungebundene: wählet aber jemand diese, so muß er sie doch mit vielen poetischen Ausdrückungen zu zieren wissen. Was die Verse betrifft, so können sie entweder alte Knittelverse seyn, wie im Reinicke Fuchs, oder Froschmäuseler; oder wie im Hudibras, im Scarron, in der Quenellomachie, und der umgekleideten Henriade: oder sie können auch ordentlich seyn, wie in der Secchia rapita, im Pulte und Lockenraube. Es kommt auf die Wahl des Dichters an; nurmuß er das, was er machet, recht in seiner Gewalt haben. Wer sich nicht den rechten Geschmack der alten Knittelverse im Lesen alter Poefen erworben hat, der bleibe lieber bey den néuern Versen. Ich kenne nur einen Dichter in Deutschland, den Herrn Hofr. Müldener in Dresden, der uns dergleichen glückliche Proben, geliefert hat. Hier fällt mir erst ein, daß auch der Herr von Hollberg in dänischer Sprache ein folch komisches Gedicht von Peter Paars geliefert, welches man unlängst auch verdeutschet hat. Ich habe es noch nicht gelesen, kann also nichts, davon sagen. Wer eine genauere Dekonomie des innern Wesens solcher Fabeln wissen will, der muß das folgende Hauptstück mit durch-. lesen. Hier verlohnte sich die Mühe nicht, die ganze Verfassung epischer Gedichte noch vollkomme

ner zu erklären.

Des

Des I. Abschnitts IV. Hauptstück. Von der Epopee, oder dem Heldengedichte.

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unmehr kommen wir an das rechte Hauptwerk und Meisterstück der ganzen Poesie, ich meyne an die Epopee, oder an das Heldengedicht. Homer ist, so viel wir wissen, der allererste, der dergleichen Werk unternommen, und mit solchem Glücke, oder vielmehr mit folcher Geschicklichkeit ausgeführet hat; daß er bis auf den heutigen Tag den Beyfall aller Verständigen verdienet hat, und allen seinen Nachfolgern zum Muster vorgeleget wird. So groß die Menge der Poeten unter Griechen und Lateinern, Italienern, Franzosen, Engellåändern und Deutschen gewesen: so klein ist nichts destoweniger die Anzahl derer geblieben, die sich gewagt haben, ein solches Heldengedicht zu schreiben. Und unter zehn oder zwanzigen, die etwa innerhalb drey tausend Jahren folches versuchet haben, ist es kaum fünfen oder sechsen damit gelungen: woraus denn die Schwierigkeit eines so wichtigen poetischen Werkes fatt= sam erhellen kann.

2. S. Homer ist also der Vater und der erste Erfinder dieses Gedichtes, und folglich ein recht großer Geist, ein Mann, von besonderer Fähigkeit gewesen. Seine Ilias und Odyssee haben sich nicht nur den Beyfall von ganz. Griechenland, sondern auch die Hochachtung und Bewunderung des tiefsinnigsten unter allen Weltweisen, Aristotels, unstreitig erworben. Dieses lehtere ist von weit größerm Gewichte, als das erste: denn das scharfsichtige. kritische Auge eines Kunstverständigen sieht auf das innerste Wesen einer Sache; da hergegen der unverständige Póbel, ja selbst die Helden, Gesetzgeber und Prinzen, nebst der Menge der

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Halbgelehrten, dergleichen Werk nur obenhin ansehen, und weder alle Schönheiten, noch alle Fehler desselben wahrzunehmen, im Stande sind. Man hat sich also nicht an das Lob, oder an den Tadel eines jeden halbigten Richters zu kehren, wenn von den Verdiensten Homers die Frage ist. Viele haben ihn ohne Einsicht gepriesen, damit sie nur dafür angesehen würden, als ob sie ihn verstanden hätten: viele haben ihn auch ohne Grund getadelt, damit sie nur das Ansehen hatten, als verstünden sie besser, was zur Poesie gehört, als andere, die den Somer vertheidigten und lobten. In Frankreich hat man im Anfange dieses Jahrhunderts einen großen Federkrieg darüber gehabt: wo sich Perrault, Fontenelle und de la Morte für die Neuern; Boileau aber, Des Callieres, Racine, Fenelon, Furetiere und die Frau Dacier, nebst ihrem Manne, für die Alten erklåret, und sie in vielen Stücken verfochten haben. Man kann von diesem ganzen Streite mit Vergnügen nachlesen, was Furetiere in seiner Nouvelle allegorique, ou Hiftoire des dernieres Troubles arrivez au Royaume d'Eloquence, und Des Callieres, in seiner Histoire Poetique de la Guerre nouvellement declarée entre les Anciens & les Modernes, imaleichen Perrault selbst in seiner Parallele des Anciens & des Moderues davon geschrieben haben. Man fehe auch des Herrn Fontenelle Gedanken von den Alten und Neuern, und meine Anmerkungen darüber, die bey seinen Gesprächen von mehr als einer Welt, befindlich sind, so, wie sie neulich 1751. in gr. 8. herausgekommen sind. Von Engländern aber sehe man Popens Abhandlung vom Homer, vor seiner überfesten Jlias, die meine Freundinn in ihren auserlesenen Stücken 1749. verdeutschet herausgegeben hat.

3. §. Somers Jlias hat zu ihrer Hauptabsicht, den Zorn zu befingen, der zwischen dem Achilles, und dem Heerführer der ganzen griechischen Urmee, Agamemnon, im Lager vor Troja vorgefallen; und so wohl für die Belagerer, als für die Belagerten sehr traurige Wirkungen nach sich gezogen. Der Poet fagt gleich im Anfange des Gedichtes, daß dieses

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dieses sein Vorhaben sen: und da die Ausführung mit seinem Vortrage vollkommen übereinstimmet; so muß man sich wundern, daß die Kunstrichter noch lange an seiner Absicht haben zweifeln können. Es enthält also diese Ilias in vier und zwanzig Büchern eine Fabel, die etwa sieben und vierzig Tage in ihrem Umfange begreift; und also nur ein sehr kleines Stück des zehnjährigen trojanischen Krieges ausmachet. Der Poet erzählt uns darinn auf eine sehr edle Art, was zu der Uneinigkeit des Achilles mit dem Agamemnon Gelegen heit gegeben; nämlich eine schöne Sclavinn, die Agamemnon dem Achilles mit Gewalt hätte wegnehmen lassen. Ferner, wie oft die Griechen zurück geschlagen worden, und wie viel wackere Helden sie darüber eingebüsset; als sie sich unterstanden, auch ohne den Achilles die Stadt anzugreifen. Endlich, wie Achilles selbst durch den Verlust seines liebsten Freundes Patroklus, welchen Hektor erschlagen hatte, dergestalt entrüstet worden, daß er, diesen Tod zu rächen, sich wieder mit den Seinen verföhnet; den besten trojanischen Helden, den Hektor, in einem einzelnen Gefechte erlegt; seinem todten Freunde aber ein prächtiges Leichenbegångniß angestellet habe.

4. S. Diefe ganze Fabel nun begreift nicht mehr, als eine Zeit von sieben und vierzig Tagen, oder anderthalb Monaten in sich, in welchen alles das vorgegangen, was zum Zorne des Helden, den der Poet besingen wollte, gehörete. Man sieht aber wohl, mit was für einer Geschicklichkeit Homer feine Fabel zum Lobe Achills eingerichtet hat. Seine Abwesenheit und Enthaltung aus dem Heere, macht das ganze griechische Heer ohnmächtig: seine Wiederkunft aber bringt auch den Sieg wieder. Wenn er also gleich die größte Zeit müßig sißt, und der Poet nichts von ihm erzählen kann: so gereichet doch alles, was geschieht, zu seinem lobe; weil alles unglücklich geht, und die Ursache keine andere ist, als, weil er nicht mit fechten will. Die Uneinigkeit der griechischen Helden zieht also in ihrem Lager lauter Unglück nach fich; die Vereinigung aber, die zuleßt erfolget, bringt einen erwünsch.

Gg 4

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