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bort. Abschnitts III. Hauptstück.

geübet habe, dereinst ein größeres Werk dieser Art zu ver-
fertigen. So ist denn die Dichtkunst nicht mit einem Sprun-
ge von der åsopischen Fabel zum Heldengedichte, gestiegen;
sondern sie hat sich allmählich und stufenweis bis auf diesen
Gipfel erhoben.

2. §. Um nun dieses desto besser begreiflich zu machen,
wollen wir dieses älteste spaßhafte epische Gedicht etwas nå-
her ansehen. Er nennet es Barçaxɔvopμaxia, oder der
Froschmåusekrieg, weil darinn erzählet wird, daß die
Frösche mit den Mäusen einen schweren Krieg gehabt.
Die Fabel verhält sich kürzlich so: Psicharpar, des Mau-
sekönigs einziger Prinz, wird von der Kaße verfolget, und
flieht durstig ans Wasser, wo der Frösche König, Physigna-
tus siht. Dieser fraget jenen, wer er sey, und woher er
komme? Der Mäuseprinz pralet mit seiner königlichen Ab-
kunft, und seiner zärtlichen Erziehung, erzählet auch alle
Leckerbissen, die er zu essen pflege; imgleichen, wie er sich
vor keinem Menschen fürchte, und nur den Habicht und die
Kage und die Mäusefalle zu scheuen habe. Physignatus
spottet über sein leckerhaftes Maul, und sagt: auch die
Frösche hätten viel wunderbares zu Wasser und Lande: weil
Jupiter ihnen zweyerley Lebensart verliehen hätte. Wenn
er dieses sehen wollte, sollte er sich nur seinem Rücken an-
vertrauen; so wolle er ihn in sein Haus führen. Psichars
par springt auf, und Physignatus schwimmt mit ihm in
den See. Kaum aber läßt sich eine Wasserschlange blicken,
so erschrickt dieser, taucht sich unter, und der Måuseprinz
kömmt elendiglich um. Lichopinar, sein Gefährte, der am
Ufer steht, wird es gewahr, läuft nach Hause, und erzählet
es den andern Mäufen. König Tropartes berufet des an-
dern Morgens seine Stånde zusammen, klaget ihnen sein Un-
glück, daß er seinen ersten Sohn durch die Kaße, den zweyten
durch die Mäusefalle, und nun auch den dritten und lehten
durch die Bosheit des Froschkönigs verlohren habe, und
bittet um ihren Beystand. Alle stimmen ein, diesen Schimpf
an den Fröschen zu råchen, und waffnen sich zum Kriege.

3. S. Als nun der Mäuse Herold kömmt, den Krieg anzukündigen, leugnet Physignatus, daß er den Mäuseprinz ermordet habe; und sagt, er habe aus Muthwillen, gleich den Fröschen, schwimmen wollen, darüber er erfoffen sey. Indessen redet er sein Volk gleichfalls an, und ermuntert sie zur Gegenwehr: worauf sich alles waffnet. Als Jupiter, nun beyde Heere am Ufer ihre Lanzen schwingen sieht, wie Centauren und Riesenheere irgend thun möchten: fraget er die Götter mit Lächeln: wer von ihnen den Mäusen, oder den Fröschen benstehen wolle? Minerva sagt: sie möchte den Mäusen nicht beystehen, weil sie ihr viel Schaden gethan hätten. Es wäre auch besser, daß sich die Götter nicht darein mengeten, und sich um ihrenthalben verwunden ließen. Sie wollten der Sache lieber vom Himmel zu sehen, und sich daran ergehen: welches auch von allen Göttern belieber wird. Darauf blafen zwo Mücken mit ihren Trompeten zur Schlacht, und Jupiter giebt vom Himmel das Zeichen eines bösen Krieges. Die Schlacht geht an, und viele Helden fallen beyderseits; bis Meridarpar, ein tapfrer Held unter den Mäusen, sich vorseßet, Das ganze Froschgeschlecht auszurotten. Jupiter erbarmet sich der Frösche, und will den Mars und die Pallas wider ihn in den Streit schicken. Mars aber verfeßet, fie beyde würden den Untergang von den Fröschen nicht abwenden können: alle Götter müßten ihnen zu Hülfe ziehen. Jupi ter wirft also selbst einen Bliß und Donnerkeit herab, davor beyde Heere erschrecken. Allein die Mäuse hören nicht auf, die Frösche zu meheln. Darauf schickt ihnen Jupiter die Krebse zu Hülfe, die geharnischt, stark von Brust und Schultern, mit Scheren und acht Füßen versehen sind, über quer gehen, und mit Händen nicht gegriffen werden konnten. Diese klemmten den Mäusen Schwänze, Urme und Beine ab: daher sie sich fürchteten, und auf die Flucht machten, so daß der ganze Krieg in einem einzigen Tage aus war.

4. S. Dieß ist der kurze Inhalt eines Gedichtes, welches vielen neuern und viel weitläuftigern Werken zum Muster

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gedie

gedienet hat. Ehe wir nun dieselben erzählen, müssen wie die Absichten und Kunstgriffe entdecken, die Homer darinn vor Augen gehabt, und angewandt hat. Ohne Zweifel hat er irgend eine kurze und lächerliche Zwistigkeit einiger kleinen Städte, oder Dörfer, die zu seiner Zeit irgendwo vorgefallen, lächerlich machen wollen. Weil die Völker klein und ohnmächtig gewesen, so hat er sie unter dem Bilde verächtlicher Thiere abbilden wollen; und die einen, die vom festen Lande waren, mit den Mäusen, die andern aber, die vieleicht Fischer und Seeleute gewesen, mit Fröschen verglichen, die mit beyden Elementen zurecht kommen können. Ihre Rüstungen beschreibt er, nach Art solcher Thiere sehr kurzweilig; ohne Zweifel, weil der wahre Streit, bey der damaligen Seltenheit eiserner Waffen, auch auf eine lächerliche Art geführet worden. Aber die Sache desto lustiger zu machen, vergleicht er sie mit Centauren und Riesen, menget auch ein Rathschlagen der Götter drein: denn nichts ist lächerlicher, als wenn große Dinge ins Kleine gemenget werden. Der Held Meridarpar, mag auch etwa einen verwegenen Großsprecher bedeuten, der sich unter den Landleuten gefunden hat; und da diesen auch ein Donnerwetter nicht furchtsam gemachet, mögen vieleicht einige geharnischte, und besser bewaffnete Leute den Fischern zu Hülfe gekommen seyn, die er spashaft als Krebse beschreibt: dadurch denn die Landleute zurückgetrieben, und der ganze Krieg geendiget worden. Die abgezielte Lehre kann seyn: daß es thöricht sey, wenn kleine Gemeinen einander über bloße Unglücksfälle, in die Haare gerathen, und einander gar zu Grunde rich ten wollen.

5. §. Ich muthmaße dieses alles, aus der innern Beschaffenheit dieses Gedichtes, und der Vorausseßung: daß ein so großer Geist, als Homer, auch bey diesem anscheinenden Spielwerke, nicht bloß Possen treiben; sondern unter einem, obwohl lächerlichen Bilde, doch etwas ernsthaftes habe vorstellen wollen. Seine Art ist es sonst allemal, lehrreiche Fabeln zu dichten: und warum sollte er hier da

von abgewichen seyn? Es ist wahr; man findet bey den Alten keine Nachricht von einer solchen Begebenheit. Allein wie kann mans fodern, daß lange vor Herodors Zeiten, als noch keine Geschichtschreiber waren, Begebenheiten von fo geringer Wichtigkeit, als die Schlägeren von ein paar Dörfern, sollte aufgezeichnet worden seyn: da wohl viel wichtigere Thaten keinen Schriftsteller gefunden haben?, Will indessen jemand durchaus ein bloßes Spielwerk daraus machen: so werde ich darüber nicht zanken, und einem jeden feine Meynung lassen? Genug, daß auch ein folches Spielwerk der homerischen Muse lehrreich ist, und in Nachahmungen zu ernsthaften Absichten dienen kann; ja wirklich oft gedienet hat. Beyläufig will ich nicht unerinnert lassen, daß, nach dem Suidas, von einigen die BatrachomYomachie dem Pigres, oder Tigres, einem Bruder der Artemisia, zugeschrieben werden; wie denn auch Henrich Stephan bezeuget, daß er auf einer Abschrift dieses Gedichtes den Namen Pigreti, oder Tigreti Cari, geschrieben gefunden. Allein eine Schwalbe, macht keinen Sommer, und die allgemeine Meynung ist vorzuziehen. Ein gewisser lifius Calentius, hat, so wohl als Smerius, dieß Gedicht in lateinische Verse gebracht.

6. §. Indessen ist es zu bewundern, daß unter einer fo unglaublichen Menge griechischer Poeten, als le Fevre und Voffius uns beschrieben haben, kein einziger den Homer in diesem Stücke nachahmen wollen. Denn die Galeomyqmachiam, die in Dornavii Amphitheatro Sapientiæ Socratica jocoferiæ steht, kann ich deswegen hieher nicht rechnen, weil sie ein dramatisches Stück ist. Selbst von den Lateinern hat sich so eigentlich niemand in dieses Feld gewaget. Denn wenn gleich Virgil in seiner Jugend, um sich zum Heldengedichte vorzubereiten, ein Gedicht auf die Mücke, und ein anders, auf den Vogel Ciris, den einige für eine Lerche, Scaliger aber, für eine Art von Reyger halten, gemachet: so kann man sie doch nicht eigentlich in dieses Fach ziehen. Das erste beschreibt nämlich einen schlafenden Schä,

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Schäfer, zu dem sich eine Schlange nähert, ihn zu stechen. Die Mücke sieht das, und will ihn davor warnen, sticht ihn also in den Backen; daß er davon erwachet. Der Schäfer ist böse über diesen Stich, und erdrücket die Mücke; wird aber sogleich die grausame Schlange in der Nähe gewahr, die er sich eifrig vom Halse schaffet; und darauf von neuem wieder einschläft. Die Seele der erschlagenen Mücke erscheint ihm hier im Traume, und rücket ihm seine Unge rechtigkeit vor, da er sie um ihrer wohlgemeynten Warnung wegen erschlagen; und erzählet ihm alles, was sie im Reiche der Todten, und den elysischen Feldern angetroffen: da denn die alten römischen Helden nach der Länge erzählet werden. Der Schäfer erwachet, erkennet sein Unrecht, und richtet der Mücke ein schönes Grabmahl von Rasen auf, dabey er allerley Blumen und schöne Stauden pflanzet. Die Ciris aber ist nichts anders, als eine Erzählung, wie des Königes Nisus Tochter, die Scylla, in einen Vogel verwandelt worden. Dieses ist also freylich wohl ein kleines episches, aber kein scherzhaftes Gedicht zu nennen, es wäre denn, daß man die ovidischen Verwandlungen alle auch so taufen wollte.

7. §. Die Ehre also, Homers Nachahmer in diesem Stücke zu werden, ist im XVten Jahrhunderte unserm Landsmanne, Hinrick von Alkmar aufgehoben gewesen, der uns Reinicken den Voß, in plattdeutschen, oder sächfischen Knittelversen geliefert hat. Ich weis wohl, daß man eine lange Zeit geglaubet, wie aus Rollenhagens Vorrede zum Froschmäufeler, und Morhofs Tractate, von der Deutschen Sprache und Poesie erhellet, Baumann, ein Professor in Rostock, habe dieses Gedicht geschrieben, und 1522. zuerst ans Licht gestellet. Allein der Irrthum ist entdecket worden, als die erste Ausgabe dieses Werkes einem gelehrten Manne zu Helmstädt in die Hände gefallen, der 1709. in einer akademischen Einladungsschrift die beste Nachricht davon gegeben. Da hat sichs nun gewiesen, daß diefelbe bereits 1498. zu Lübeck in 4. herausgekommen, und

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