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wenn és gleich erst um Samuels Zeiten geschrieben wäre, ålter als Homer: und in demselben finden wir schon Jos thams Fabel von den Bäumen, die sich einen König ge wählet. Jotham also, war unstreitig lange vorm Samuel ein Fabeldichter: und da sein Gedicht dergestalt das ålteste dieser Art ist, das wir kennen: so ist es wohl werth, daß wir es hier einrücken. Es steht im 9ten Capitel des bemeldten Buches, und lautet so :

Die Bäume giengen hin, daß sie einen König über sich falbe: ten, und sprachen zum Delbaume: Sey du unser König. Aber der Delbaum antwortete: Soll ich meine Fettigkeit lassen, die beyde Götter und Menschen an mir preisen, und hingehen, daß ich über den Bäumen schwebe? Da sprachen die Bäume zum Feigenbaume: Komm du, und sey nnser König! Aber der Feigenbaum sprach zu ihnen: Soll ich meine Süßigkeit und nkeine gute Frucht lassen, und hingehen, daß ich über den Bäumen schwebe? Da sprachen die Bäume zum Weinstocke: Komm du, und sey unser König! Aber der Weinstock sprach zu ihnen: Soll ich meinen Most lassen, der Götter und Menschen frölich machet, und hingehen, daß ich über den Bäumen schwebe? Da sprachen alle Bäume zum Dornbusche: Komm du, und sey unser König! Und der Dornbusch sprach zu den Båumen: Ists wahr, daß ihr mich zum Könige salbet über euch? so kommet, und versammlet euch unter meinen Schatten. Wo nicht, so gehe Feuer aus dem Dornbusche, und verzehre die Cedern auf dem Libanon.

So lautet die Fabel selbst; ihre Deutung aber mag man, nach den damaligen Umstånden, in der angezogenen Stelle nachsehen. Sie ist ganz sittlich, und giebt den Sichemis rern einen deutlichen Unterricht: daß sie sich unter Gideons Söhnen gerade den årgsten ausgesuchet, der theils seine åltern und besseren Brüder erwürget håtte; theils sie selbst Grunde richten würde.

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3. S. Die Fabel, so nächst dieser die älteste ist, steht im II. Buche Samuels im 12ten Cap. und Nathan erzählete fie dem Könige David. War die obige aus dem Reiche der Bäume genommen: so ist diese von der zweyten Gattung, und hat lauter menschliche Personen; weil nåmlich die Schafe, so darinn vorkommen, nichts reden, oder handeln.

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Von eben der Art ist die dritte, des klugen Weibes zu The koa, die im 14ten Cap. desselben Buches steht: und diese wollen einige Neuere lieber Erzählungen (Contes) nennen; weil es nämlich mehr Anschein hat, daß sie wohl geschehen feyn könnten. So liefert uns denn die Schrift selbst åltere Muster von åsopischen Fabeln und Erzählungen, als die åsopischen sind: geseßt, daß Aesopus, wie einige Gelehrte meynen, mit dem Assaph in Davids Hofcapelle einerley gewesen wäre. Allein der ganze Drient ist in den åltesten Zeiten wegen seiner Neigung zu den Fabeln und Allegorien berühmt gewesen. Kam nicht die Königinn von Saba, den König Salomon mit ihren Räthseln zu versuchen? Erzählet uns nicht Josephus, auf desjenigen Dius Be richt, der die phònizische Geschichte geschrieben, und auf des ephesinischen Menanders Zeugniß, der die Jahrbücher der Tyrier übersehet hatte: daß Salomon und Hiram einander Räthsel aufgegeben, und große Summen darauf gefeßet, wer sie nicht würde auflösen können? Selbst die Brachmanen, die Gymnosophisten, ja die Chineser haben in den ältesten Zeiten die Art an sich gehabt, alles in Allegorien und Erzählungen vorzutragen, was sie als gute Lehren fortpflanzen wollen. Die ältesten Römer müssen diese Art zu moralisiren auch geliebet haben, wie wir aus der Fabel des Menenius Agrippa, von dem Streite der Glieder am menschlichen Leibe sehen, womit er den aufgebrachten Pöbel besänftigte, und wieder in die Stadt brachte.

4. §. Doch wir müssen nåher auf die rechten Fabelschreiber kommen. Unter den Persern ist Lockmann berühmt ge worden, ja sein Ruhm ist bis nach Indien, Aegypten und Nubien gedrungen. Die heutigen Türken kennen ihn, und sehen ihn in Davids Zeiten: worinn sie sich aber, wenn er wirklich Aesopus gewesen seyn sollte, etwan um drey bis 400 Jahre irren. Man hat diese Fabeln auch in heutigen abendländischen Sprachen. Strabo erzählet, die Lehrer unter den Persern pflegten ihren Schülern die Sittenlehre in Erdichtungen vorzutragen. Cyrus, der Stifter ihrer Mo

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narchie, erzählet beym Herodot den Gesandten der Jonier und Aeolier eine Fabel. Indessen ist sehr zu vermuthen, daß dieser Lockmann eben der phrygische Aesopus sen, den fast jedes Volk sich hat zueignen wollen. Die Araber geben vor, er sey von hebräischem Geschlechte gewesen; die Perser halten ihn für einen Aethiopier, welches denn die Etymologie des Namens Aefopus (Aethiops) zu bestätigen scheint. Sein Leben, welches Mircond beschrieben hat, kömmt fehr mit des Planudes Leben Aesops überein. Jenem, dem Lockmann, geben Engel die Weisheit; im Philoftratus muß Mercur dem Aesop die Fabel eingeben. Kurz, die orientalischen Völker sagen, die Griechen håtten ihnen den Lockmann gestohlen, um ihren Aesop daraus zu bilden. Adam Olearius hat jenes Fabeln verdeutschet, und am Ende des persischen Rosenthals angehån get: Erpenius aber hat sie aus dem Arabischen ins Lateinische gebracht.

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5. S. Von der Indianer Weisheit hat uns Sendebar, oder Sandhaber, denn man findet ihn verschiedentlich gefchrieben, ein Buch hinterlassen, davon ich einen alten Druck in lateinischer Sprache befize. Der Titel heißt: Directorium humanæ vitæ, alias parabolæ antiquorum Sapientum: dieser ist sonder Ort und Namen des Druckers, ohne Zahlen der Blåtter und Seiten, mit alten Holzschnitten in Fol. gedruckt. In der Vorrede steht, daß es eigentlich Belile ve Dimne heiße, aus dem Indianischen ins Persische, sodann ins Arabische, hernach ins Hebräische, und endlich) ins Lateinische übersezet worden. Dieser lettere Ueberseher Johannes de Capua, richtet seine Zueignungsschrift an den Cardinal Matthäus, in einem sehr barbarischen Lateine: so, wie es um die Erfindung der Buchdruckerkunst üblich war. Der Inhalt aber besteht in XVIII. Capiteln, aus lauter Fabeln, die der König Anastres Casri, durch seinen Leibarzt Berozias, aus Indien bekommen, als er ihn hingeschicket hatte, auf den Bergen Kräuter zu fammlen, womit Ee 4

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* In Stollens Hist. der Gel, steht Kolilah wa diinnah. Welches ist recht?

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man Todte auferwecken könnte. Als dieser sie nun gesammlet und zubereitet hatte, die Todten aber doch nicht auferwecken konnte; erfuhr er von den indianischen Weisen: daß man durch die Berge die weisen Männer, durch die Kräuter aber die Weisheit, wie durch die Todten die Thoren, verstehen müßte; und bekam von ihnen das Buch der Weisheit, welches er ins Persische überseßte, und seinem Könige brachte. Diesem nun gefiel es überaus, daher er es gemein zu machen befahl. Starke hat es von neuem lateinisch überseßet; der weise Herzog zu Würtemberg Eberhard aber, soll es ins Deutsche gebracht haben. Eine sehr alte deutsche Dollmetschung in Fol. habe ich zu Wien in einer Privatbibliothek gesehen; die aber ungemein selten gefunden wird.

6. §. Die Fabeln des Pilpay sind mit den vorigen fast einerley, nur die Ordnung und Einrichtung ist etwas anders. Hier ist 1. des Königs Dabschelin und Pilpays Historie nebst fünf Fabeln. Hernach kömmt das Werk selbst in 4 Capiteln. Das erste zeigt durch sechs und zwanzig Fabeln, wie man sich vor Schmäuchlern und Verläumdern zu húten habe. Im II. sieht man in zehn Fabeln, was es mit boshaften Staatsbedienten endlich für ein Ende nehme. Das III. lehret in 8 Fabeln, wie man sich gute Freunde erwerben könne, und was ihr Umgang nühe. Endlich zeiget das IV. durch zwölf Fabeln, daß man seinen Feinden nie trauen dörfe. Do wir eine deutsche Ueberseßung davon haben, weis ich nicht. Un französischen fehlt es nicht. La Motte hat in der Vorrede zu seinen Fabeln nicht gar zu vortheilhaft davon geurtheilet; aber ihm vieleicht unrecht gethan. Bey den Alten muß man nicht alles so genau nehmen; gefeßt, daß die Allegorie nicht jederzeit ganz richtig måre. Pilpay foll ein Bramin, oder Brachman gewesen feyn, der unter dem Könige Dabfchelin, das Ruder der Staatsgeschäffte in Hånden gehabt. Dieser hätte nun alle feine Weisheit in dieß Buch geschlossen, und die Könige von Indien hätten es als einen Schaß aller Einsicht und Gelehrsamkeit aufbehalten; bis der persische König Anuservan

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davon gehöret (so nennet ihn Huetius, in seinem Tr. vom Ursprunge der Romane), der es durch seinen Leibarzt übersehen lassen. Der Kalise Abujafar Almansor hätte es ins Arabische bringen lassen, daraus es abermal ins Persische übersehet worden. Wenn indessen dieser Anuservan der König Chosroes ist, der um Kaiser Justinians Zeiten geleber hat: so ist diese Sammlung von Fabeln bey weitem so alt nicht, daß sie dem Aesopus vorgezogen zu werden verdiente.

7. §. Was nun diesen leßtern Fabeldichter betrifft, so hat zwar Planudes ein sehr umständliches und wunderbares Leben von ihm geliefert, das beynahe so heraus kommt, als das homerische, welches dem Herodor zugeschrieben wird: allein es scheint, daß er es für billig gehalten, dem Urheber der Fabeln einen mit Fabeln reichlich ausgepußten Lebenslauf zu geben. Viele haben daher gezweifelt, ob jemals ein Aesopus in der Welt gewesen, und dafür gehal ten: Planudes selbst, oder sonst jemand habe allerley im Schwange gehende Mährlein gesammlet, und sie alle dem Aesopus zugeeignet; etwa wie wir die Psalmen verschiedener Urheber alle dem David zuschreiben. Allein dieses heißt wohl zu weit gegangen. Das ganze Alterthum giebt ihn für einen Phrygier aus; seßt die Zeit, da er gelebet, um Solons und des lydischen Königes Krösus Zeiten fest; läßt ihn den Chilo, einen der sieben Weisen, sprechen; ja zum Periander nach Korinth kommen, und zu Delphis Sterben, wohin ihn Rrösus geschicker haben soll. Meziriac hat sein Leben weit besser beschrieben, und Bayle, nebst dem Diogenes Laertius können auch von ihm nachgesehen werden. Sokrates überseßte schon im Gefängnisse, eine Fabel von ihm in Verse. Phädrus um Augusts Zei ten, brachte sie ins Latein, und Plutarch gedenket seiner rühmlich. Unfre Alten haben ihn auch schon gekannt und geliebet, ja häufig nachgeahmet: und selbst Luther hat ihn zum Theile verdeutschet, ja mit einer Vorrede herausgegeben. Kurz nach seinem Tode 1548. gab Burcard Waldis, fie

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mit

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