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von unsern åltesten Poeten nicht durchgehends beobachter worden. Öpics, Flemming, Dach, Gryph u. a. m. schließen den Verstand in den Strophen ihrer Oden zwar oftmals recht; aber auch vielmals unrecht. Neukirch hat dieses fast zuerst wahrgenommen, und in diesem Sticke einen bessern Wohlklang eingeführt; welchem denn Güns ther.glücklich gefolget ist. Man sehe in den Hoffmannsw. Gedichten die Erempel des ersten nach, und nehme auch von Neuern die Oden der hiesigen D. Gef. dazu.

9. §. Die Zeilen in den Oden dörfen nicht alle von einer Långe seyn. Man kann allerley Vermischungen von drey, vier, fünf, ja sechsfüßigen Versen in der ersten Strophe ma chen; und darf nur das Gehör zu Rathe ziehen, ob sie wohl Flingen. Daraus entstehen nun unzählige Gattungen der Oden, die doch dem Sylbenmaaße nach, nur entweder jam. bisch oder trochaisch sind. 3. E. Opitz hat folgende Art:

Ihr schwarzen Augen ihr, und du, o schwarzes Haar
Der frischen Flavien, die vor mein Herze war,

Auf die ich pflag zu richten,

Mehr als ein Weiser soll,

Mein Schreiben, Thun und Dichten,
Gehabt euch ewig wohl!

Doch ich müßte etliche Schocke herseßen, wenn ich nur die besten wählen wollte. In Weidners Uebersehung von Horazens Oden, kann man unzählige Gattungen finden, und sich die besten davon wählen. Ja auch im hübnerischen Handbuche, kann man sich zur Noth eine Menge möglicher Veränderungen von trochäischen und jambischen Versen bekannt machen. In meinen Gedichten wird man gleichfalls an den größern Heldenoden, und auf die beyden Jubelfeste, eben dergleichen Arten antreffen. Doch könnten auch nach dem Muster der Griechen und Lateiner, sapphische, phalåcische, alkaische und chorijambische Oben, gemacht und gefungen werden; wie ich in dem leßten Hauptstücke des I. Theils dieser Dichtkunst gewiesen habe. Und so viel vom außerlichen.

10. §.

10. §. Die Materien, die in Oden vorkommen können, find fast unzählig: obgleich im Anfange die Lieber nur zum Ausdrucke der Affecten gebraucht worden sind. Dieser ersten Erfindung zufolge, würde man also nur traurige, lustige und verliebte Lieber machen müssen; oder höchstens Lobgesånge auf Götter und Helden machen dörfen. Aber nach der Zeit hat man sich daran nicht gebunden; sondern kein Bedenken getragen, alle mögliche Arten von Gedanken in Oden zu sehen. Es ist also lächerlich, wenn einige halbigte Kunstrichter Wunder was für Dinge von einer jeden Ode fodern; das weder ein Alcâus, noch eine Sappho; ja bisweilen Pindar nicht einmal beobachtet hat. Zwar Horazens Regel nach, würden nur wenige Classen darinnen vorkom. men, so verschieden sie an sich selbst schon sind:

Mufa dedit fidibus Divos, puerosque deorum,

Et pugilem victorem, et equum certamine primum,
Et juvenum curas, et libera vina referre.

Aber seine eigenen Erempel zeigen, daß er es bey Göttern und Helden, ja Kämpfern, Wein und Liebe nicht hat bewenden lassen; indem er wohl so gar Briefe in Form der Oden geschrieben, ja Satiren, Gespräche und Lehrgedichte darinn abgefasset, Fabeln erzählet, sich selbst in einen Schwan verwandelt, und unzählige andere Erfindungen darinnen angebracht hat. Bey unfern alten Poeten wird man alle diese Arten auch antreffen, wie die Erempel in ihren Schrif. ten sattsam zeigen werden. Indessen wenn man die Natur der Sachen ansieht, so ist es wohl am besten, wenn man sich von der ersten Erfindung so wenig entfernet, als möglich ist; und das Lob der Helden und Sieger, den Wein und die Liebe mehrentheils darinn herrschen läßt. Doch begreift ein jeder, daß man das Lob, sowohl bey freudigen als traurigen Begebenheiten; und die Liebe, sowohl bey eigener als fremder Leidenschaft, d. i. bey Hochzeiten besingen könne.

11. §. Daraus ist nun leicht abzunehmen, in was für einer Schreibart die Ode abgefaßt werden müsse. Nach

ihren verschiedenen Gattungen muß sich dieselbe auch ändern. Die Loboden müssen in. der pathetischen und feurigén, die lehrreichen in der scharfsinnigen, die satirischen in der stach. lichten oder beißenden, die lustigen und traurigen, theils in der natürlichen, theils beweglichen Schreibart gemacht wers den. Die Ursache sieht man leicht. In der ersten Art beherrscht die Bewunderung und Erstaunung den Poeten, die ihm alle Vorwürfe vergrößert, lauter neue Bilder, Gedanfen und Ausdrückungen zeuget; lauter edle Gleichnisse, reiche Beschreibungen, lebhafte Entzückungen wirket; kurz, alle Schönheiten zusammen håufet, die eine crhißte Einbildungskraft hervorbringen kann. Und dieses ist denn die so genann te Begeisterung, das berühmte Göttliche, so in den Oden stecken soll, weswegen Pindar so bewundert worden. Um nun von diesem so beraffenen pindarischen Wesen, unfern Deutschen einen Begriff zu machen, will ich noch eine, obgleich prosaische Uebersehung, aus dem Pindar herseßen; und also vielen falschen Begriffen vorbeugen, die sich einige davon machen. Es ist die IV. olympische, die er auf den Pfaumis, den Kamariner, gemacht, als er den Sieg im Wettlaufe mit den Wagen davon getragen hatte. Sie lautet so:

Sakz.

Höchster Gott! der du vom obersten Himmel her, deme Donner gleich unermüdeten Rossen in den Lüften fliegen lässest; die Stunden, diese dir unterthänigen Göttinnen, deren Pflicht es ist, die Jahreszeiten nach und nach herbeyzuführen, und die heute die prächtigen pisanischen Schauspiele erneuert haben, die dir geweihet sind, schicken mich, mit der Leyer in der Hand, zu dir, großer Jupiter, daß ich mit Liedern, die sich in ihre Töne mischen, die Pracht diefer Spiele, und den Ruhm eines Freundes besingen soll, der im Wettlaufe mit den Rossen den Preis davon getragen hat. Es ist billig, und die Tugend selbst heischt es von uns, bey dem Glücke unsrer Freunde, unser Vergnügen zu bezeugen. Nimm also, du Sohn Saturns, der dù auf dem Aetna, dem Schauplaķe deiner Siege über den Stolz des hundertköpfigten Typhons triumphirest, den du mit deinem Bliße zerschmettert hast, und der unter der Last dieses berühmten Berges seufzet: nimm diesen Gesang, der dir zum

Dank

Dankopfer gebracht wird, gnådig an, indem er den Verdiensten einen ewigen Glanz ertheilen soll.

Gegensatz.

Er kömmt schon, auf dem sieghaften Wagen! Psaumis kömmt, den du selbst begnadiget hast. Dieser mit pisanischen Delzweigen befrönte Ueberwinder, eilet schon durch seine Gegenwart, seinem Vaterlande einen neuen Glanz zu verschaffen. Großer Gott! scy allen seinen übrigen Wünschen eben so geneigt: denn ich lobe ihn mit Rechte; da er zwar mit allen Tugenden gezieret, doch sonderlich durch die edle Neigung berühmt ist, muthige Hengste zu erziehen, zu erhalten und abzurichten; da er freygebig und gastfrey im höchsten Grade ist, und eine aufrichtige Liebe zur Stille und Ruhe seines Vaterlandes besißt; die ihm von den reinen und weisen Gebothen einer glücklichen Auferziehung eingeflößet worden. Ich sage nichts, als was wahr und bekannt ist. Weg, aus den Lobsprüchen des Pfaumis, mit allem, was der Lügen gleicht! Nur durch gewisse und wiederhohlte Thaten, nur durch die Proben selbst, muß man von den Sterblichen urtheilen.

Schlußsak.

Die Proben verwandelten vormals die Verachtung und die Spottreden der Weiber zu Lemnos, über die weißen Haare des Klymenus, in lauter Verwunderung. Als Sieger auf der Rennbahn, wo man in voller Rüstung läuft, sprach er zur Hypsipyle, indem er sich nåherte, die Krone von ihrer Hand zu nehmen: du siehst wohl, wie stark ich im Laufen bin; die Kraft meines Arms und meine Herzhaftigkeit gleichen der Behendigkeit meiner Schenkel. Urtheile nicht mehr nach der Farbe weißer Haare, die oft den jüngsten und stärksten vor der Zeit wachsen.

12. S. Hier sieht man nun die pindarische Art zu denken, die von den Alten für so unnachahmlich gehalten worden. Sie beschäfftiget sich freylich mit lauter erhabenen Sachen, mit dem Jupiter und seinem Feste; mit dem Siege, den er über die Riesen erfochten; mit der Strafe Typhons, unter dem Berge Aetna; mit der Geschicklichkeit des Siegers, in Erziehung und Abrichtung der Pferde; mit den übrigen Tugenden desselben, die der Poet billiger Weise höher schåtzet, als den Sieg selbst; den er mehr für eine Gabe Gottes, als für ein Werk des Siegers ausgiebt. Man sieht hier ferner

die Ehrlichkeit des Dichters, da er nichts loben will, als was die Wahrheit bezeuget, und was durch Proben erweislich ist. Dieses erläutert er zum Beschlusse mit einem Beyspiele aus den Geschichten. Nun bleibt er zwar die Anwendung schul. dig: allein, vieleicht ist dieselbe damals leichter zu machen gewesen, als wir denken; und es kann wohl seyn, daß auch dieser Ueberwinder vor seinem Siege, nicht für voll angesehen worden. Hat der Poet nun dieses auf eine klügliche Art zu verstehen gegeben, ohne es ausdrücklich zu sagen: so sieht man auch seine Geschicklichkeit im Loben, die allen Lobdichtern anzupreisen ist. Ueberhaupt könnte man aus diesem Muster viele Regeln der Lobgedichte herleiten. Ich will nur der folgenden erwähnen. I. Lobe an deinem Helden keine Dinge, dafür er selbst nichts kann: zum Exempel, sein Geschlecht, fein Vaterland, seine Leibesgestalt, seine Jugend 2c. von allen diesen Stücken sagt Pindarus nichts. II. Schäme dich nicht, das Gute, das deinem Helden wiederfährt, Gott selber zuzuschreiben: dieses thut Pindarus; ohngeachtet sein Sieger auch viel Theil an dem erkämpften Preise hatte. III. Lobe an deinen Helden das, was ganz auf sie ankömmt, nåmlich die Tugenden, die ein Werk des menschlichen Willens find. IV. Halte dich bey keiner Beschreibung von Kleinigkeiten auf; z. E. von Pferden, von Wagen, und andern solchen Lapalien, darauf kleine Geister so leicht verfallen, die aber Pindar gar übergeht. V. Male deinen Helden nicht als eine Geburt deiner Einbildungskraft; sondern lobe nur, das an ihm, dessen Wahrheit, durch augenscheinliche Proben be wiesen werden kann ic. Wer so lobt, den will ich einen pindarischen Dichter nennen. S. die oberwähnte Abhandlung des Abts Fraguier nach.

13.§. Nun weis ich zwar, daß man zu den pindarischen Oden, eine sehr kühne und erhabene Schreibart zu rechnen pflegt; die einige nicht besser zu erreichen wissen, als wenn sie recht dunkel, abgebrochen, und verstümmelt deutsch schreiben. Allein, was die kühnen Bilder und Redensarten anbetrifft, so werden wir dieselben in vielen Oden unsrer deutschen Poe

ten

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