: : Es ist um uns geschehen! Er treibt, er feurt mich an, dem Feinde vorzubeugen; 28. §. Der Sit dieser pathetischen Schreibart ist anfänglich in Oden, wo der Poet selbst im Affecte steht, und sich voller Feuer ausdrückt. Ein Erempel giebt Günthers Doe auf den Eugen, die faft durchgehends diesen Character beobachtet hat. Sein Affect ist daselbst die Freude, Verwanderung, und heftige Begierde, seines Helden große Thaten zu loben. Er sieht ihn gleichsam vor seinen Augen verschwinden, und feuret seine Muse an, ihm nachzueilen: Eugen ist fort! Ihr Musen, nach! Er eilt und schlägt und siegt schon wieder. Diese abgebrochene kurze Art des Ausdruckes, ist in der That eine glückliche Nachahmung des stärkesten Affects. Die ganze Ode ist voll solcher Stellen; und weil sie in aller Hånden ist, so will ich nur von einem widrigen Affecte etwas herseßen. Es ist solcher die Traurigkeit, und davon will ich die Erempel aus Ranigens Ode auf seine Doris nehmen. Diese ist gleichfalls ganz beweglich gesezt, und drücket den zärtlichsten Schmerz sehr natürlich und rührend aus. Er fängt unter andern einmal ganz unvermuthet an: Hälfte Hälfte meines matten Lebens! Andere schöne Stellen habe ich schon in den vorhergehenden Capiteln daraus angemerket: ich will hier nur noch eine hersehen, die mir einen Tadel zu verdienen scheint. Es ist fol gende: Alles das hab ich verlohren! Sterbend Die lehte Zeile ist es, was mir nicht gefällt. 29. §. Zum andern schicket sich die pathetische Schreibart in die Elegien, wo man entweder Verstorbene beklagen, oder was verliebtes schreiben will: denn dazu gehört eigentlich die Elegie. Ovidius und Tibullus sind hierinn rechte Meister gewesen. Nichts ist beweglicher zu lesen, als ihre Klagschrei= ben und verliebte Briefe. Alles ist herzrührend, und die Kunst scheint weit davon entfernt zu seyn; herrscher aber um desto mehr darinn. Ich wüßte fast im Deutschen nicht, wer sich in Elegien recht hervorgethan hätte. Hofmannswaldaus Heldenbriefe follten hier zwar zu Mustern dienen; imgleichen haben Ziegler und Lehms, uns von biblischen Historien dergleichen gemacht: allein ich fühle mein Lebenlang keinen Affect, wenn ich sie lese. Und wie wäre es möglich, da sie mit lauter Spielen der Phantasie, mit laus ter Umbra und Zibeth, Rosen und Nelken, Mosch und Jasmin, und Muscateller ausstaffiret sind, und tausend andere bunte Einfälle haben, die keinem Affecte natürlich sind. Ich will also die Zuflucht zu Neukirchen nehmen, der in seinem Gedichte auf die Nachtigall eine recht bewegliche Elogie mit eingerücket hat. Ich will nur folgende Stelle hers.gen, Wa 3 Die die mich allezeit gerühret hat, worinn der Poet die Nachtigall um ihren Vorspruch bittet. Es heißt: O Tochter Pandions, o süße Philomele! Erbarme, wo du kannst, dich meiner Traurigkeit; Wenn dein Verhängniß dich mit Rosen überstreut. Ich gönne dir sehr gern des Hofes Sonnenschein; Dein Trinken Nectarsaft, die Speise Zucker seyn; Und trag zu rechter Zeit mich deinem Churfürst an: Was weder Wiß noch Kunst, durch Müh erhalten kann. Doch frage, wo du willst, nur Bäume, Gras und Stein: Daß meine Seufzer nichts als Ehr und Tugend seyn; Weil meine Poesie mit Schimpfe betteln geht; Der täglich so, wie du, bey Hofe Blumen bricht. 30. §. Drittens hat die pathetische Schreibart in Heldengedichten statt: nicht zwar wenn der Poet selbst erzählet, denn da muß die natürliche herrschen; wohl aber, wenn er andere Personen, die im Affecte stehen, redend einführet. Erempel kann man im Virgil nachsehen, wo sie sehr häufig vorkommen: wie denn auch im vorigen Hauptstücke, nach Amthors Uebersehung, eines von den allerbesten, und im 26 §. dieses Hauptstücks eins aus Pierschen befindlich ist, welches man aufschlagen mag. Doch will ich noch eins nach Ams thors Uebersehung aus dem I. Buche der Aeneis anführen. Aeneas im Ungewitter auf der See, Hebt Hebt die gefalene Hand zu seinen Göttern auf, Nein! Kaiser, nein, es steht dein unbewegter Thron! 31. §. Viertens schicket sich diese Schreibart in die Schaufpiele. Da kommen unzählige Gelegenheiten vor, die Perfonen in vollen Affecten aufzuführen; und da können sie nicht nachdrücklicher, beweglicher und durchdringender reden, als in dieser pathetischen Art des Ausdruckes. Hier kann man des Terenz Komödien, imgleichen in meiner deutschen Schaubühne, den Menschenfeind, die Spielerinn, den Verfchwender, u. a. m. nachschlagen, und die Tragödien zu Hülfe nehmen. Sonderlich lese man im Cato den Auftritt, wo Cafar mit dem Cato spricht; in der Iphigenia, den Auftritt Agamemnons, mit dem Achilles und mit der Clytemnestra im II. Aufzuge. In der Alzire und Cornelia, wird man gleichfalls die allervortrefflichsten Proben finden, wenn man in jener die Scene des Zamores mit dem Gusmann, 2a 4 in in dieser aber, der Cornelia ihre mit dem Gracchus, und mit dem Bürgermeister Opimius, nachlesen will. Schwache Geister, können diese Schreibart auch hier nicht erreichen, und lassen alle ihre Helden gar zu sinnreich reden. Sie können nicht weinen, ohne die spisfindigsten Klagen dabey auszuschütten, und wenn sie verzweifeln, so geschieht es allezeit mit großer Scharfsinnigkeit. Lobenstein hat es in seiner Sophonisbe fast durchgehends so gemacht, weswegen er mit Rechte getadelt worden. Seneca hat ebenfalls tausend Fehler wider diese Regeln begangen: indem er seinen Personen durchgehends mehr Belesenheit und Scharfsinnigkeit beyge= leget hat, als es die Wahrscheinlichkeit erlaubte. 32. §. Das wäre nun kürzlich, was man von der poetischen Schreibart überhaupt, und ihren besondern Gattungen fagen kann. Die angeführten Scribenten werden das übrige hinzusehen, wenn man sie nachschlagen will. Ich follte noch kürzlich von den Gattungen der Schreibart handeln, die in Schäfergedichten, Satiren, Scherzgedichten, u. s. w. herrschet. Allein, das alles spare ich in die Hauptstücke des andern Theils dieser Dichtkunst, wo ins besondere davon gehandelt werden wird. Ueberhaupt schließe ich dieses Hauptstück mit Horazens Worten: Scribendi recte, fapere eft et principium et fons: Das |