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23. §. Unter ben alten lateinischen Poeten ist dieser falschen Hoheit halber Lucan schon oben erwähnet worden; und man kann ihm noch den tragischen Seneca an die Seite seßen. Das machet, beyde waren Spanier von Geburt, und liebten von Natur die schwülstige Art des Ausdruckes. Unerhörte Vergrößerungen kosten ihnen nichts. 3. E. Lus can schreibt im V. Buche:

Tunc quoque tanta maris moles creviffet in aftra,
Ni fuperum rector preffiffet nubibus undas.

d.i. Auch damals würde die ungestüme See bis an die Sterne aufgeschwollen seyn: wenn nicht Jupiter die Wellen mit den Wolken beschweret und niedergebrücket hätte. Wer sieht hier nicht die Unmöglichkeit sowohl des ersten, als des åndern ein? Das ist ihm noch nichts. Den Caro scheut er sich nicht, allen seinen Göttern entgegen zu setzen, ja vorzuziehen, indem er ihn zum Gönner und Beförderer der guten und gerechten Sache des Pompejus machet; den Göttern aber Schuld giebt, daß sie dem boshaften Cåsar beygestanden hätten. Es heißt gleich im ersten Buche:

Nec quemquam jam ferre poteft Cæfarve priorem,
Pompejusve parein. Quis juftius induit arma?
Scire nefas. Magno te judice quisque tuetur.
Victrix cauffa Diis placuit; fed victa Catoni.
Des stolzen Casars Geist kann keinen höhern leiden,
Pompejus nichts, ihm gleich. Wer hat nun wohl von beyden
Das beste Recht zum Streit? die Antwort fällt hier schwer,
Weil beyde durch den Schuß sehr großer Richter kriegten:
Den Sieger schüßte Gott, und Cato den Besiegten.

Muß denn nun die Begierde hoch zu denken und zu schreiben, einen Poeten zu der Ausschweifung verleiten, daß er einem bloßen Menschen mehr Weisheit, Liebe zur Gerechtigkeit, und mehr Billigkeit, als der Gottheit selbst, zuschreiben dörfe? geseßt, daß es auch nur eine heidnische wäre. Die Stoifer wußten ihren weisen Mann nicht höher zu loben, als wenn sie ihn Gott ähnlich machten, ja ihn einen Freund der Göte ter nennten. Lucan aber erhebt den Cato auf den göttli

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chen Thron, und sehet die Götter nicht etwa an die Stelle Catons; denn das wäre zu viel Ehre für sie: nein, an die Stelle der ungerechten Richter, die allen Bösewichtern beystehen. Denn er faget gleich im Anfange, daß er Jus fceleri datum befingen wollte: wie das årgste Bubenstück, verstehe Casars Herrschsucht, Recht bekommen, oder gesieger habe. Wer hier nicht der gefunden Vernunft Plaß geben will, der muß in der Bewunderung Lucans ganz und gar ersoffen seyn.

24. S. Nicht besser klingen viele Stellen, ja ganze Tragddien des Seneca. Man darf nur das Buch aufthun, um eine dergleichen schwülstige Schreibart anzutreffen. Ich will nur eine Stelle aus dem Herkules Detàus anführen, welche Tragödie ihm auch zugeschrieben wird. Herkules will in die Zahl der Götter aufgenommen werden, und muß folgendergestalt den Jupiter anreden:

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Quid tamen nectis moras?
Numquid timemur? nunquid impofitum fibi
Non poterit Atlas ferre cum cælo Herculem? &c.
Da, da tuendos, Jupiter! faltem Deos.

Illa licebit fulmen a parte auferas,

Ego quam tuebor. Sive glacialem polum
Seu me tueri fervidam partem jubes
Hac effe fuperos parte fecuros puta.

Ich will nur eine prosaische Ueberseßung davon geben: ,,Was säumest du noch lange, Jupiter? Fürchtest du dich „, etwa vor mir? Oder wird Atlas den Herkules mit dem Himmel zugleich nicht ertragen können? Gib, gib mir, „,0 Jupiter! zum wenigsten das Amt, die Götter zu beschüßen. ,, Derjenige Theil des Himmels, den ich vertheidigen werde, ,, wird deiner Donnerkeile nicht bedürfen. Du magst mir „, nun entweder den kalten Nordpol, oder die hißige Mit„ tagsgegend anvertrauen: so kannst du versichert seyn, daß „ die Götter unter meinem Schuße sicher seyn sollen.“ Das ausschweifende Wesen dieser Rede zu entdecken, ist gar nicht nöthig; und ich würde dem Verstande meiner Leser viel zu

wenig zutrauen, wenn ich ihnen in einer so handgreiflichen Sache behülflich seyn wollte.

25. §. Im Deutschen kann uns Lohenstein die Muster einer so schwülstigen Schreibart geben. Seine Tragedien find überall damit angefüllt, und er verdienet deswegen der deutsche Seneca zu heißen. In dem Schauspiele Jbrahim Sukan hebt der thracische Bosphor so asiatisch, oder vielmehr übersteigend und schwülstig an zu sprechen:

Befremdets euch, ihr Völker holder Sitten,
Daß des erzürnten Bosphors Echlund

Den Strand verläßt, wo Thrar und Türke wüten,
Für des unwirthbarn Meeres Mund,

Der Donau süße Lipp und grüne Fluth zu küssen ?
Es ist nichts seltsames mein unterirdisch Lauf:

Es schleußt ja die Natur des Abgrunds Röhren auf,
Auch Strömen, daß ihr Glas kann unter Meeren fließen.
In Plotens Inseln trinkt man ein moreisch Quell,
Und in Sultanien rinnt, was zu Mecha quillet,
Des Alfeus Silber ist in Elis nicht so hell,

Als wo er seine Brunst mit Arethusen stillet.
Wie soll der Erde Kluft denn mir verschlossen seyn,

Mir, der ich selbst das Röhr bin aller Meere?

Weil Calpens Meerschlund nichts dem Ocean flößt ein, Was nicht der Meere Brunn, das schwarze Meer, gebähre. ic. So fährt nun dieser Vorredner unaufhörlich fort, und treibt seine Scharfsinnigkeit aufs höchste, wenn er endlich so ausbricht:

Mit was für neu und ungewohnten Strålen,
Seh aber ich Burg, Stadt und Land gefront?
Ja einen neuen Stuhl mit Purpur aufgethrönt?
Der Donau Haupt mit Myrtenkränzen pralen?
Sich ihren Sand in Gold, ihr Schilf in Zuckerrohr,
Sein Schmelz in Diamant, den Schaum in Perlen kehren?
Was leuchtet aus Tyrol für ein Gestirn hervor?

Kann sein Erztreich Gebirg auch Sonnen nun gebähren?

Hier sind alle lohensteinische Schönheiten beysammen zu finden. Stralen, Purpur, Myrren, Krånze, Gold, Zucker, Schmelz, Diamant, Schaum, Perlen, GeCrit. Dichtk.

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stirne,

stirne, das sind gewöhnliche Zierrathe feiner Schreibart: hier aber, damit gar nichts zu einem Phöbus fehlen möchte, hat er uns auch noch erliche Sonnen, und zwar aus einem Erzgebirge gebähren wollen.

26. §. Ich weis wohl, daß es noch hin und wieder große Liebhaber dieser falschen Hoheit giebt, die wohl gar die Hårtigkeit der wohensteinischen Gedichte, mit einer ihrem Helden anständigen Schreibart, so entschuldigen: Es sey kein Wun der, daß die perlenschwangere Lobe in ihrem Laufe ein solches Geräusche mache; weil sie nåmlich Goldkörner bey sich führe, und über so viele Corals lenstauden und Edelgesteine wegrieseln müsse. Denn wie der Meister es gemacht hat, so sind ihm auch seine Schüler nachgefolget. 3. E. Neidhard, den ich schon etlichemal angeführt habe, war ein großer Meister in solchem · Mischmasche des falschen Sinnreichen. In seinem Gedichte auf eben den Grafen zn Waldburg, den Piersch besungen, schreibt er so:

Verkehrtes Volk, die ihr den Kiel

In Daumenstöcke schraubet,
Und nicht bey dieser Folter glaubet,
Der Dinte Blut sey öfters Kinderspiel.

Du Plato magst der Luft die Städte schenken,
Du Morus, kannst, dein Name zeigt es schon,
Dir zehn Utopien erdenken,

Und sonst wer mag nach Severambern schreyn.
Vernunft spricht ja: Erfahrung nein!

Und bald darauf heißt es:

Die Augen, so, getreuer Graf,

In deinen Pfauenfedern spielen,

Vermögen nicht der Untreu Schlaf zu fühlen;

So wenig, als der Polstern untergeht.

Dein Apfel, den das Reich bekreuzet,

Haßt, gleichwie du die Ecken des Betrugs,
Und kennt kein Ende seines Zugs.

Und noch in einem andern Gedichte auf eine Rectorwahl in

Königsberg schrieb er:

Umschrán

Umschränke dich, du Kreis gestirnter Welt, ̧
In Eins mit drey und sechzig Nullen,
Der Sammelplaß, der meiner Brust gefällt,
Wird nicht in einen Kreis verhüllet,

Den Archimedens Sandmaaß füllet.

Wer sieht aber nicht das ausschweifende Wesen, eines fol chen Wißes? der es von seinen Lesern fordert, daß sie alle seine Räthsel verstehen, und sich mit lauter falschen Gedanken und weithergesuchter Gelehrsamkeit sollen abspeisen lassen. Wiewohl nun diese Pußwerke mit dem herrlichen Namen der Realien beehrt zu werden pflegen: so finder doch ein Liebha ber der Vernunft hier, was Horaz verworfen hat:

Verfus inopes rerum nugasque canoras.

27. §. Noch ist zum dritten die pathetische, oder affectuose, higige und bewegliche Schreibart übrig, deren Namen sattsam ihre Art anzeigen. Sie entsteht aus allen Gemüthsbewegungen, und ist gleichsam die Sprache derselben. Sie åndert sich nach Beschaffenheit derselben, und ist bald kurz und abgebrochen, bald etwas weitläuftig; allezeit aber voller Figuren, und verwegenen Ausdrückungen. Sie hält nicht viel von sinnreichen Einfällen, Gleichnissen oder andern Künsten. Sie folget einer hißigen Unbedachtsamkeit, die in allen Uffecten herrscht, und keinem Zeit läßt auszustudieren, was er sagen will. Sie scheint auch mehr zu donnern und zu blizen, als zu reden; weil alles unvermuthet herausfährt, und man zuweilen nicht begreifen kann, wo alles mit einander hergekommen. Sie meidet alle Verbindungswörter, und ist zufrieden, wenn die Sachen einigermaßen zusammen hangen. Und in dieser Schreibart hat vielmals das sogenannte Hohe seinen Siß, davon Longin uns ein ganzes Buch geschrieben hat. Ein Erempel davon zu geben, will ich hier eine Stelle aus Pietschen, in dem Gedichte auf Carl den VI anführen. Es redet der durch einen Traum erschreckte Uchmet, den Großvezier sehr beweglich an:

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