Gemüthsbewegung, die er in andern erwecken will, selbst annehmen, und so feurig und heftig, oder affectuós und pathetisch, als welches einerley ist, reden, daß sein Leser oder Zuhörer auch entzündet wird; wie solches Horaz in seiner Dichtkunst gelehret hat: Si vis me flere &c. Da hat man nun den Grund meiner Eintheilung; die ich doch nicht einmal für meine Erfindung ausgebe, indem sie schon von so vielen geschickten Kunstrichtern, gebrauchet worden, mit denen ich licher irren, als mit andern recht haben will. * 13. §. Die natürliche oder niedrige Schreibart eines Poeten unterscheidet sich zwar von der ungebundenen Rede durch einige oben benannte Zierrathe der Gedanken. Doch erhebt sie sich nicht sehr, verschwendet ihre Blumen nicht, sondern ist. mit einem mäßigen Puße zufrieden. Ihr eigentlicher Sih ist in poetischen Erzählungen, in Briefen, in Satiren, in Lehrgedichten, imgleichen in Gesprächen: wenn die Beschafsenheit der Personen, die sich mit einander besprechen, es zu Läßt, daß sie besser reden mögen, als man insgemein spricht. Ein Exempel von Erzählungen giebt uns Ranic in seiner Fabel auf die Tadelsucht: Merk auf, ich bitte dich, wies jenem Alten gieng, Der, um die Welt zu sehn, noch an zu wandern fieng. Wos hat euch immermehr das arme Kind gethan, Sah er, daß man hernach mit Fingern auf ihn wies. * Siche B. Neukirchs Anleitung zu deutschen Briefen im V. Kap. des IV. B. p. 603. S. auch des Herrn Rollins Manier die frepen Künste zu Lehren auf der 29. G. Comme il-y-a trois devoirs principaux de l'Orateur, qui font d'inftruire, de plaire, & de toucher; il y a auffi trois genres d'eloquence. &c. &c. Und selby Gisbert, den man wider meine 3 3 Shr Eintheilung anführen will, ist mei ner Meynung, wenn er lagt, die Rede habe drey Eigenschaften: La Simplicité, l'agrement, & l'elevation. Daber fame le fimple, l'agreable, le fublime. Auch Cicero und Quintilian_haben das docere, delecture und movere für die drey Pflichten eines Redners ausgegeben. Ihr könntet ja mit Recht, hört er von andern Leuten, Es schrie ein ganzer Markt: Ihr thut dem Thiere Schaden! 14.S. Dieses ist nun die poetische Art, Fabeln zu erzäh len, der sich, im Lateinischen, Phädrus als ein Meister bedienet hat. Virgil, in feiner Aeneis, hat sich eben ders felben bedienet, so oft er selber etwas erzählet, und keinen andern redend einführet. Amthor hat in seiner Ueberseßung die edle Einfalt dieses Lateiners völlig erreichet, darum will ich eine Probe gleich aus dem ersten B. wo es heißt: Vrbs antiqua fuit &c. herseßen: Ein alter Wunderbau, den man Karthago hieß, Durch Krieg und Frieden groß, lag der berühmten Tyber, Da nun dieses die rechte Schreibart ist, die sich zu einem Heldengedichte schickt, welches eine Erzählung seyn muß: so kann man leicht urtheilen, daß weder Lucan, noch Statius, noch Claudian in diesem Stücke den rechten Weg ge= gangen 1 gangen find. Alle diese schreiben viel zu hochtrabend, als daß ihre Schreibart einer vernünftigen Erzählung ähnlich fehen sollte. Sie gehen immer auf Stelzen; ja mit dem Horas kann man von ihnen sagen: Nubes & inania captant. 15. §. Wir wollen doch eine Probe aus dem Lucan anses hen, um uns durch den Augenschein selbst überführen zu laffen, und die Ueberfeßung, die Hofrath Pietsch gemacht hat, hinzusehen: Bella per Emathios, plus quam civilia, campos, In commune nefas; infeftisque obvia fignis Die Ueberseßung aber lautet so: Das unfruchtbare Blut, so durch die Bürgerkriege, BE Den Adlern drohete; dieß, dieß beschreiben wir. Rom! was umnebelt dich? Ach! wie gerathet ihr, Ihr Bürger in die Wuth, den alten Ruhm zu schånden ? Der Römer edles Blut so schimpflich zu verschwenden, Und gebt, was übrig bleibt, verhaßten Völkern Preis x. In eben der aufgeblasenen und unnatürlichen Schreibart fährt der Poet unaufhörlich fort. Das macht, er hat lauter übersteigende Gedanken, seltsame Vorstellungen von gewöhnlichen und gemeinen Dingen, weit gesuchte Gegensäße, starke Figuren, u. s. w. welches sich alles für Erzählungen nicht schicket. Vom Starius und Claudian habe ich schon auf der 22. S. in den Unmerkungen zur Horazischen Dicht. Funst die Proben angeführet, welche Stelle man nachschlagen kann. 16. §. Es ist nicht zu leugnen, daß nicht in dieser Schreib. art, sonderlich Lucans, viel Feuer, Einbildungskraft und Zierrathe zusammen gehäufet anzutreffen seyn sollten. Die fes kann man den Bewunderern desselben einräumen, ohne deswegen auf ihre Seite zu treten. Es fraget sich nur, ob dieses alles mit Verstande und an dem rechten Orte ange bracht worden? Heldengedichte müssen entweder keine Er zählungen seyn, oder, die Schreibart derselben muß anders eingerichtet werden, als Lucan sie eingerichtet hat. Horaz schreibt gleich im Anfange seiner Dichtkunst: t Incaptis gravibus plerumque & magna profeffis. Et properantis aquæ per amonos ambitus agros, Eben hierinn ist auch Wilton tadelhaft, dessen Erzählungen fast durchgehends gar zu verblumt, stolz und prächtig sind. Er verschwender tausend Bilder, Gleichnisse und Beschreibungen. Er bringt, gleich dem lohensteinischen Arminius, alle seine Gelehrsamkeit und Belesenheit an, und verfällt auf auf langwierige. Ausschweifungen, die den Sinn des Lesers zerstreuen. Tasso und Voltaire, können die Kunst zu erzählen unzähligemal besser, als dieser Engländer. 17. §. Was die Briefe anlangt, die poetisch abgefaßt werden, so haben sie eben diese natürliche Schreibart nöthig, So hat Horaz die Seinigen geschrieben; ja ich kann auch den Ovid hier anführen, obgleich deffen Sendschreiben alle zu den Elegien gehören. Im Französischen ist Boileau ein Meister darinnen; im Deutschen aber hat Opitz diese Schreibart sehr wohl inne gehabt. Flemining und Kanig habens ihm gleich gethan; Neukirch und Günther aber haben ihn weit übertroffen. Ich will zur Probe aus Neu kirchs Schreiben der Aurora, an den König von Preußen, etwas herseßen: Ich schreibe, König, hier, was man bey Hofe klagt, Es ist nichts grausames, womit du uns beschwerst: Daß ich der Wolken Flor nicht früher abgethan. Was Phóbus an mir straft, geb ich mit gleichem Blicke Der Ordnung der Natur und dieser Welt zurücke. Was niht mir, fprech ich oft, der hellen Flügel Schein, Hier herrschet durchgehends das natürliche ungekünftelte Wes sen der poetischen Schreibart; obwohl alles edel und artig gedacht und gefaget worden. 35 18. §. |