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18. §. Doch man muß die natürliche Schreibart durchaus nicht mit der niederträchtigen vermischen. Sie sind wie Tag und Nacht von einander unterschieden, obgleich viele Hier keinen Unterscheid bemerken können. Sie mennen, wenn sie sich einer niedrigen Schreibart bedienten, so stünde ihnen alles fren; zumal, wenn sie etwas scherzhaftes sagen wollten. Daher kommen nun die niederträchtigen Scherze, oder vielmehr die Fraßen unsrer Dichter. 3. E. aus vielen hunderten eines solchen Meisters, Königs, in seinen Fastnachtspossen und Pritschmeisterreimen, nur ein Paar zur Probe zu geben:

Hier stellt sich ein Ducatenhuster ein;

Das wird für mich auch wohl nicht übel seyn,
Doch bey der hölzernen Zutschkann voll Bier
Wirst du wohl Auchen:

Denn mich bedeucht, du wirst viel lieber dir
Ein hübsch Paar fleischerne Zutschkannen suchen.
Oder dieses:

Es fömmt, weil du allhier den weiten Schuß gethan,
Ein Kober, der gefüllt mit Eyern, für dich an:
Doch, kannst du sie entrathen;

So schick den ganzen Korb an die Castraten.

Auch Günther ist bey seiner unedien Lebensart sehr oft auf diese niederträchtige Schreibart gerathen; und das zwar nicht nur in Satiren, darinn er außer Racheln auch wohl die. Alten zu Vorgängern gehabt; sondern in Briefen und andern Gedichten, darinn man wohl etwas edlers von ihm hätte fordern können. Ich will hier nur aus seiner Heldenode auf den Prinz Eugen etwas anführen, welches das ganze Gedicht verstellet. Er beschreibt einen Soldaten, der aus Ungarn kömmt, und in einer Dorfschenke seine Thaten erzählt:

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Dort spist ein voller Tisch das Ohr,

und hört, wie Nachbars Hans erzähle:
Hans ißt, und schneidet doppelt vor,

Und schmiert sich dann und wann die Kehle.

Seht, spricht er, Schwäger! seht nur her,

Als wenn nun dieß die Donau wår:

Hier macht er einen Strich mit Biere.
Da streiften wir, da stund der Feind;
Hier gieng es schärfer, als man meynt!
Gott straf! ihr glaubt mirs ohne Schwüre.

19. §. Von Erzählungen dieser Art, will ich aus Riede rers Fabeln Aesopi die LXV. herseßen, wiewohl sie alle gleich geschickt dazu wären. Es heißt:

Ein Fuchs, der Bauren schuldger Diener,
Da, wenn es an ein Stehlen geht;
Stahl einem solchen viele Hüner,

und machte sie im Huy labet.
Der Bauer suchte sich zu rächen,

Und durfte doch kein Wörtlein sprechen.

So edel erzählt nun unser nürnbergischer Phädrus. Das heißt ja abgeschmackt, und nicht natürlich, es wäre denn, daß jenes auch gewissen Leuten in der Natur steckte: zum wenigften aber würde es alsdann keine schöne Natur seyn; die sich doch Maler und Dichter billig nachzuahmen bemühen sollten. Von Briefen beruffe ich mich auf Ranigens Gedichte, auf der 122. S. der neuen Auflage. Es ist des Herrn von Brand Antwortschreiben, auf des Herrn von Ranig unvergleichliches Schreiben vom Landleben, und hebt so an:

Mein allerliebster Freund und wertheßter Herr Bruder,
Der du im Blumberg ist versammlest deine Fuder,
Der du, wie Tityrus, dort in dem Schatten liegst,
Und zählest, was für Korn du in die Scheunen, kriegst:
Du dürftest dich fürwahr so künstlich nicht bemühen,
Mich durch ein schön Gedicht hinaus aufs Land zu ziehen.
Es braucht, willst du mich sehn, von dir ein einzig Wort:
Dein Landgut ist für mich ein allzulieber Ort;

Ich weis schon, wie man da die Stunden kann vertreiben.
Die Feldlust hättest du nicht nöthig zu beschreiben 2.

Das ist ja wohl gegen die kanißische natürliche Schreibart lauter kaltes und ungesalzenes Wasser; ich will sagen, eine elende, magre Profa, die so nothdürftig in Sylbenmaaß und Reime gebracht worden. Und doch hat uns Rönig diese Lumpen auf Ranizzens Purpur geflicket!

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zu sehen ist, damit man es desto handgreiflicher spüren und wahrnehmen möchte. Denn freylich giebt es verschiedene Grade derselben. Die eine ist an Einfällen und Gedanken reicher, die andere årmer; nachdem entweder ihr Verfasser mehr oder weniger Geist und Wiß besessen hat; oder in einer gewissen Art von Gedichten anbringen gekonnt und gewollt. Woraus entsteht sie aber in diesem so vollständigen Exempel anders, als aus den häufigen und kühnen Metaphoren, Metonymien und andern verblümten Redensarten; aus lebhaften Beschreibungen, kurz angebrachten Gleichnissen, und feurigen Figuren, die den innern Affect des Poeten abschilbern? Niemand sage mir, daß man dieses alles auch in Profa thun tonne. Freylich kann es geschehen; aber es wird auch alsdann eine ungebundene poetische Schreibart seyn. Kein guter prosaischer Scribent hat jemals so viel Zierrathe zusammengehäuset: und wenn er es gethan, so haben alle Kunstrichter gesagt, er schreibe poetisch. Es läuft auch wider die Absichten, die sich z. E. ein Geschichtschreiber vorfeßen muß. Sein Zweck ist, die nackte Wahrheit zu sagen, das ist, die Begebenheiten, die sich zugetragen haben, ohne allen Firniß, ohne alle Schminke, zu erzählen. Thåte er das nicht, so würden seine. Leser nicht wissen, ob sie ihm glauben sollten, oder nicht. Seine große Begierde, schön zu schreiben, würde ihnen einen Argwohn beybringen, ob er nicht die Liebe zur Wahrheit aus den Augen gefeht? Das ist das Urtheil, so man vom Curtius mit Grunde zu fällen pflegt. Man traut seinen Nachrichten nicht; weil sie gar zu schön klingen. Florus hat es noch årger gemacht. Seneca, Apulejus, Sidonius Apollinaris, Martianus Capella, Tertullianus find unter den Alten in übelm Ruffe. Barclajus aber in seiner Argenis, und unzählige andre, die in lebendigen Sprachen, auch in neuern Zeiten geschrieben haben, find gleichfalls unter diejenigen gezählet worden, die nicht nur poetisch, sondern ganz hochtrabend, schwülstig, ja unsinnig gedacht und geschrieben haben. Wer die Proben von ihrer Schreibart beysammen sehen will, der darf nur Werenfelsens Differt, de

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Meteoris nachschlagen, welche man auch in dem I. Buche der eigenen Schriften und Uebersehungen der deutschen Gesell schaft, überseßt nachlesen kann, als die hier einem jeden unentbehrlich ist.

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10. §. Nachdem wir nun einmal wissen, worinn die poetische Schreibart besteht: so müssen wir sie auch in ihre Classen eintheilen. Ich darf aber auch hier nur bey den dreyen Arten bleiben, die ich in meiner Redekunst schon angegeben habe: nämlich eine ist die natürliche oder niedrige; die andere ist die finnreiche oder sogenannte hohe; die von andern auch die scharfsinnige oder geistreiche genannt wird; und die dritte ist die pathetische, affectuose, oder feurige und bewegliche Schreibart. Alle drey müssen wir erklären, mit Erempeln erläutern, und von ihren Afterschwestern unterscheiden lernen. Ich weis wohl, daß es gewisse Klüglinge giebt, die in dieser Einthei lung, ich weis nicht, was für ein Mischmasch finden wollen. Sie bilden fich ein, was nicht nach ihrem unreifen Sinne ist; oder vielmehr was denenjenigen, deren Sprachrohr sie abgeben, nicht gefällt, das sey nicht richtig. Imgleichen giebt es noch andere, die mit einer unnöthigen, mehr als metaphysi schen Genauigkeit, die Dinge ohne Nußen vervielfältigen, und wohl zwanzigerley Schreibarten aushecken: wie man im fiebenten Bande der kritischen Beyträge sehen kann. Allein es wird leicht fallen, ihre ungegründete Urtheile abzufertigen.

11. §. Erstlich dünkt es ihnen, natürlich müßten alle Gattungen der Schreibart seyn; und also könnte man keine besondere Art daraus machen. Wer sieht aber nicht die muthwillige Zunöthigung in diesem Einwurfe? Freylich sind alle Arten des Ausdruckes demjenigen, der sie brauchet, natürlich. Auch ein Pritschmeister redet in seinen garstigsten Possen, dadurch er die Großen belustigen will, seiner Natur gemäß,, das ist alber und schmußig. Auch ein Phantast redet seinem schwülstigen Gehirne gemäß, so wie es ihm natürlich ist; und so weiter. Allein wer hat denn hier das Natürliche dem Uebernatürlichen entgegen zu sehen gedacht? Wird denn der Natur nicht weit öfter die Kunst entgegen gestellt? Die 3.

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sinnreiche Schreibart aber sowohl, als die pathetische ist weit künstlicher, als die niedrige; wie ein jeder, der sie nur halb Fennet, mir zugestehen wird. Man darf auch nur einen Blick in meine Redekunft thun, wo ich davon gehandelt habe, so wird dieses von sich selbst in die Augen fallen. Das. jenige nämlich, was man im gemeinen Leben, wo man nur auf die Sachen, und nicht auf die Worte denkt, in der Histo rie, in dogmatischen Büchern u. d. gl. braucht, das heißt natürlich: weil man darinn nicht künftelt, sondern zufrieden ist, wenn man sich so deutlich und richtig ausgedrücket hat, daß man leicht verstanden werden kann. Alles übrige, was mit Fleiß ausstudiret wird, das ist künstlicher. Es ist aber auch leicht zu denken, daß man hier nur die schöne Natur versteht, der alle Künstler nachzuahmen pflegen; nicht aber die häßliche, die sich in der Sprache des Pöbels, die dem selben natürlich ist, zeiget. Eben darum habe ich sie nicht die gemeine Schreibart nennen können.

12. §. Zum andern will man den Grund dieser Abthei lung wissen: und weil es diesen tiefsinnigen Kunstrichtern so schwer fällt, denselben zu finden; so will ich ihn hieher sehen. Ein Redner oder Dichter will seine Zuhörer entweder schlech terdings unterrichten und lehren, oder er will sie belustigen, oder er will sie endlich bewegen. Mehr Absichten kann er bey der Schreibart nicht haben. Ist das erste, so bedienet er sich des natürlichen oder niedrigen Ausdruckes, da man sich der gewöhnlichsten Redensarten und Ausdrückungen gebrau= chet. Dieses thun also die Historienschreiber, wenn sie von rechter Art sind, und die dogmatischen Scribenten: auch wohl die Redner in ihren Eingången, Erklärungen und Beweisen. Ist das andere die Absicht des Scribenten; so muß er allerley sinnreiche Gedanken auf eine eben so finnreiche Art vortragen; und das thun insgemein Redner, wenn sie hier und da Erläuterungen, gute Einfälle, Lehrsprüche, u. d. gl. in ihren Reden einmengen; sonderlich aber die Poeten, wenn sie bittere Lehren oder Wahrheiten angenehm machen wollen. Will aber ein Schriftsteller endlich das leßte: so muß er die Gemüths.

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