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durch die drey bekannten Plagen, Krieg, Hunger und Pest
angegriffen worden. Er wird solches etwa folgender Ge-
stalt ins Werk richten: „Nachdem der Krieg in dem guten
,, Reiche ein Ende genommen hatte, und die feindlichen Völ-
,,ker abgezogen waren, folgte ein ander landverderbliches
Uebel nach. Die verwüsteten Uecker trugen keine Früchte,
„weil niemand da war, der sie bauen wollte: und also ente
stund eine Theurung, die bey dem Armuth nothwendig eine
Hungersnoth nach sich ziehen mußte. Auch das war es
noch nicht alles. Eine pestilenzialische Seuche machte das
Elend des geplagten Landes vollkommen, und beraubte es
,, vollends seiner noch übrigen Einwohner."
Das heißt
nun, meines Erachtens, eine historische Schreibart, die das,
was sie sagen will, deutlich und ordentlich, richtig und zierlich,
nicht niederträchtig, aber auch nicht prächtig vorträgt. Wie
wird sich nun ein Poet in gleichem Falle ausdrücken? Am
thor soll uns solches zeigen, oder er hat es vielmehr schon auf
der 324. Seite seiner Gedichte gewiesen. Er schreibt:

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Kaum hatte Mavors Raserey
Den ungeschlachten Durst gekühlet,
und deine Felder durchgewühlet;
So trat ihm ein Gefährte bey.

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Der Mangel ward vom Krieg gebohren;
Weil in der Furchen ödem Grund,
Mehr Blut als warmer Regen stund,
Gieng aller Wecker Zier verlohren.

Dein Elend soll vollkommen seyn!
Zween Feinde hatten dich bestritten :
Noch hast du nicht genug erlitten;

Drum schießt der dritte mit herein.
Morbona bricht durch alle Riegel,
Sie steigt aus einer Todtengruft,
Und rühret die vergifte Luft
Durch ihre schwarzgemalten Flügel.

Du wohlgeplagtes Land und Stadt!
Was kann wohl deinen Aengsten gleichen?
Wer záhlet die gestreckten Leichen,

Die Mortens Wuth geschlachtet hat?

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Du kannst die frechen Seelen lehren,
Was das bedrängte Leben fey:

Und bringst durch tausend Zeugen bey,
Wie sehr die Luft sich kann verkehren.

8. §.. Nun halte man dieses und jenes vorige gegen einan. ber, so wird es sich sonnenklar zeigen, worinn der Unterscheid der Gedanken bestehe. Dem Poeten sind tausend Dinge eingefallen, daran der Geschichtschreiber nicht gedacht hat; bey dem Kriege nämlich, der Gott des Krieges, und dessen Blutburst, imgleichen die Felder, die von einem Heere durchs graben und verderbet worden. Weil die Hungersnoth aus dem Kriege entstanden ist, so fällt es ihm ein, daß die Kinder von ihren Weltern entstehen: und er braucht also dort das Wort gebohren, welches ein ganzes Gleichniß anzeiget. Wenn er die unfruchtbaren Aecker bedenkt; so sieht er, anstatt des Regens, das Blut in den Furchen laufen. Da vorher von Feinden die Rede gewesen, so sieht er, daß auch der Hunger ein Feind des Landes heißen könne; weil er den Kriegsleu» ten darinn åhnlich ist, daß er Schaden stiftet. Er zåhler also schon zween Feinde; und da ihm die Pest noch vor Augen schwebt, davon er reden soll: so macht er sie zum dritten Fein. de, weil er eben die Aehnlichkeit daran bemerker. Die Seus che bringt ihn auf die Morbona: diese läßt er, ihrer Natur gemäß, aus der Gruft steigen, und weil sie sehr fürchterlich ist, mit schwarzen Flügeln durch die vergiftete Luft fahren. Hierauf sieht er ihre traurige Wirkungen: er entsegt sich, und bricht in voller Entzückung in eine heftige Anrede und etliche Fragen aus; beschließt aber endlich mit einer Lehre, die aus der Sache fließt, und seine vorige Beschreibung erbaulich macht. Das mag ein Muster einer vollkommen schönen poetischen Schreibart abgeben: Denn

Omne tulit punctum, qui mifcuit utile dulci,
Lectorem delectando, pariterque monendo.

9. S. Ich habe mit gutem Bedachte eine Stelle zum Beyspiele gewählt, darinn das poetische Wesen in voller Stärke Crit. Dichtk.

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zu sehen ist, damit man es desto handgreiflicher spüren und wahrnehmen möchte. Denn freylich giebt es verschiedene Grade derselben. Die eine ist an Einfällen und Gedanken reicher, die andere årmer; nachdem entweder ihr Verfasser mehr oder weniger Geist und Wiß besessen hat; oder in einer gewissen Art von Gedichten anbringen gekonnt und gewollt. Woraus entsteht sie aber in diesem so vollständigen Erempel anders, als aus den häufigen und kühnen Metaphoren, Metonymien und andern verblümten Redensarten; aus lebhaften Beschreibungen, kurz angebrachten Gleichnissen, und feurigen Figuren, die den innern Affect des Poeten abschildern? Niemand sage mir, daß man dieses alles auch in Profa thun könne. Freylich kann es geschehen; aber es wird auch alsdann eine ungebundene poetische Schreibart seyn. Kein guter prosaischer Scribent hat jemals so viel Zierrathe zusammengehäuset: und wenn er es gethan, so haben alle Kunstrichter gesagt, er schreibe poetisch. Es läuft auch wider die Absichten, die sich z. E. ein Geschichtschreiber vorfeßen muß. Sein Zweck ist, die nackte Wahrheit zu sagen, das ist, die Begebenheiten, die sich zugetragen haben, ohne allen Firniß, ohne alle Schminke, zu erzählen. Thåte er das nicht, so würden seine. Leser nicht wissen, ob sie ihm glauben sollten, oder nicht. Seine große Begierde, schön zu schreiben, würde ihnen einen Argwohn beybringen, ob er nicht die Liebe zur Wahrheit aus den Augen gefeht? Das ist das Urtheil, so man vom Curtius mit Grunde zu fällen pflegt. Man traut seinen Nachrichten nicht; weil sie gar zu schön klingen. Florus hat es noch årger gemacht. Seneca, Apulejus, Sidonius Apollinaris, Martianus Capella, Tertullianus find unter den Alten in übelm Ruffe. Barclajus aber in seiner Argenis, und unzählige andre, die in lebendigen Sprachen, auch in neuern Zeiten geschrieben haben, sind gleichfalls unter diejenigen gezählet worden, die nicht nur poetisch, sondern ganz hochtrabend, schwülstig, ja unsinnig gedacht und geschrieben haben. Wer die Proben von ihrer Schreibart beysammen sehen will, der darf nur Werenfelsens Differt, de

Mete

Meteoris nachschlagen, welche man auch in dem I. Buche der eigenen Schriften und Uebersehungen der deutschen Gesellschaft, überseßt nachlesen kann, als die hier einem jeden unentbehrlich ist.

10. §. Nachdem wir nun einmal wissen, worinn die poeti sche Schreibart besteht: so müssen wir sie auch in ihre Classent eintheilen. Ich darf aber auch hier nur bey den dreyen Arten bleiben, die ich in meiner Redekunst schon angegeben habe: nämlich eine ist die natürliche oder niedrige; die andere ist die finnreiche oder sogenannte hohe; die von andern auch die scharfsinnige oder geistreiche genannt wird; und die dritte ist die pathetische, affectuose, oder feurige und bewegliche Schreibart. Alle drey müssen wir erklären, mit Erempeln erläutern, und von ihren Afterschwestern unterscheiden lernen. Ich weis wohl, daß es gewisse Klüglinge giebt, die in dieser Einthei lung, ich weis nicht, was für ein Mischmasch finden wollen, Sie bilden sich ein, was nicht nach ihrem unreifen Sinne ist; oder vielmehr was denenjenigen, deren Sprachrohr sie abge= ben, nicht gefällt, das sey nicht richtig. Imgleichen giebt es noch andere, die mit einer unnöthigen, mehr als metaphysi schen Genauigkeit, die Dinge ohne Nußen vervielfältigen, und wohl zwanzigerley Schreibarten ausbecken: wie man im fiebenten Bande der kritischen Beyträge sehen kann. Allein es wird leicht fallen, ihre ungegründete Urtheile abzufertigen.

11. §. Erstlich dünkt es ihnen, natürlich müßten alle Gattungen der Schreibart seyn; ́und also könnte man keine besondere Art daraus machen. Wer sieht aber nicht die muthwillige Zunöthigung in diesem Einwurfe? Freylich sind alle Arten des Ausdruckes demjenigen, der sie brauchet, natürlich. Auch ein Pritschmeister redet in seinen garstigsten Possen, dadurch er die Großen belustigen will, seiner Natur gemäß,, das ist alber und schmußig. Auch ein Phantast redet seinem schwülstigen Gehirne gemäß, so wie es ihm natürlich ist; und so weiter. Allein wer hat denn hier das Natürliche dem Uebernatürlichen entgegen zu sehen gedacht? Wird denn det Natur nicht weit öfter die Kunst entgegen gestellt? Die 32

finn

sinnreiche Schreibart aber sowohl, als die pathetische ist weir künstlicher, als die niedrige; wie ein jeder, der sie nur halb Fennet, mir zugestehen wird. Man darf auch nur einen Blick in meine Redekunft thun, wo ich davon gehandelt Habe, so wird dieses von sich selbst in die Augen fallen. Das. jenige nämlich, was man im gemeinen Leben, wo man nur auf die Sachen, und nicht auf die Worte denkt, in der Historie, in dogmatischen Büchern u. d. gl. braucht, das heißt natürlich: weil man darinn nicht künftelt, sondern zufrieden ist, wenn man sich so deutlich und richtig ausgedrücket hat, daß man leicht verstanden werden kann. Alles übrige, was mit Fleiß ausstudiret wird, das ist künstlicher. Es ist aber auch leicht zu denken, daß man hier nur die schöne Natur versteht, der alle Künstler nachzuahmen pflegen; nicht aber die häßliche, die sich in der Sprache des Póbels, die dem selben natürlich ist, zeiget. Eben darum habe ich sie nicht die gemeine Schreibart nennen können.

12. §. Zum andern will man den Grund dieser Abthei lung wissen: und weil es diesen tiefsinnigen Kunstrichtern so schwer fällt, denselben zu finden; so will ich ihn hieher sehen. Ein Redner oder Dichter will seine Zuhörer entweder schlech. terdings unterrichten und lehren, oder er will sie belustigen, oder er will sie endlich bewegen. Mehr Absichten kann er bey der Schreibart nicht haben. Ist das erste, so bedienet er sich des natürlichen oder niedrigen Ausdruckes, da man sich der gewöhnlichsten Redensarten und Ausdrückungen gebrau= chet. Dieses thun also die Historienschreiber, wenn sie von rechter Art sind, und die dogmatischen Scribenten: auch wohl die Redner in ihren Eingången, Erklärungen und Beweisen. Ist das andere die Absicht des Scribenten; so muß er allerley sinnreiche Gedanken auf eine eben so finnreiche Art vortragen; und das thun insgemein Redner, wenn sie hier und da Erläuterungen, gute Einfälle, Lehrsprüche, u. d. gl. in ihren Reden einmengen; sonderlich aber die Poeten, wenn sie bittere Lehren oder Wahrheiten angenehm machen wollen. Will aber ein Schriftsteller endlich das leßte: so muß er die Gemüths.

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