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2. S. So deutlich dieses einem jeden in die Augen leuch= tet; so sehr muß man sich wundern, daß es noch Leute giebt, die es in Zweifel ziehen, und sich bemühen zu behaupten: es kame bloß auf die Wörter und Ausdrückungen an, wenn etwas hoch, oder sinnreich, oder niedrig klånge. Man sollte es nicht denken, daß auch Scribenten, die eine ziemliche Einsicht blicken lassen, auf solche Einfälle gerathen könnten. Man sage mir doch einen niedrigen Gedanken, mit solchen Worten, daß er hoch, nicht nur scheine, sondern in der That sey; man fage mir auch einen hohen oder scharfsinnigen Gedanken, ohne Zusah andrer Einfälle, mit solchen Worten, daß er niedrig herauskomme: so will ich mich gern gefangen geben. Was Hatte z. E. jenes genuesischen Dogen Antwort in Paris, auf diese Frage: Was ihm daselbst am merkwürvigsten vorgekommen wäre? hohes in Worten an sich, als er schlechtweg: erwiederte: der Doge! Und wie hätte man ein kürzer Wort ersinnen können, einen so edlen Gedanken niederzuschlagen, als dieser war: daß ein genuesischer Doge, der den König in Frankreich, im Namen seiner Republik um Vergebung bitten muß, die seltsamste Sache sey, die man in Paris sehen könne. Gleichwohl bleibt er unverändert; und man sage dieses, wie man will, so wird es ein edler Gedanke für denjenigen bleis ben, der ihn zuerst gehabt, und zu rechter Zeit gesagt hat. Eben das wollte ich von allen andern Erempeln des Hohen zeigen; wenn es nöthig wäre, Leute zu widerlegen, die nur aus einem Küßel, andern zu widersprechen, etwas Seltnes. behaupten wollen. Man sehe indessen in den Anmerkungen zum französischen Longin, und in der gelehrten Dissertation unsers Herrn D. Wollen von Mosis Worten die Streitigkeiten nach, die Boileau über die Hoheit der mofaischen Worte: Es werde licht, und es ward licht; mit verschiedenen Gelehrten gehabt hat.

3. §. So viel war von der Schreibart überhaupt allhier zu wiederholen nöthig. Die poetische insbesondere anlangend, so ist es leicht daraus zu muthmassen, wie dieselbe von der prosaischen unterschieden seyn werde: nämlich nicht in

Wor

Worten allein; sondern hauptsächlich in der Art zu denken. Wáre jenes, so könnte man zur Noth aus einem poetischen Lexicon, dergleichen Bergmann, Månnling, Hamann u. a. m. geschrieben; oder im Lateinischen aus einem Gradu ad Parnaffum ein Poet werden. Man dörfte nur an statt der prosaischen Redensarten poetische Blümchen darinn aufschlagen, und dieselben zusammen flicken: so würde ein Gedicht daraus werden. Aber weit gefehlt, daß dieses angehen würde; so könnte höchstens nichts anders, als eine poetische Misgeburt daraus entstehen. In einer solchen Schrift würde hernach manches entstehen, was ihr Verfasser niemals gedacht hätte: kurz, es würde gar keine gefeßte Schreibart heraus kommen; weil dieses Geflick kein Ausdruck von dem Verstande seines Meisters heißen, kein Vortrag zusammenhangender Gedanken seyn würde. Siehe des Hofrath Pierschens Dissertation von dem Unterschiede der poetischen und prosaischen Schreibart, darinn er verschiedene Regeln und Exempel, die unverwerflich sind, gegeben hat.

4. S. Will also ein Poet poetisch schreiben, so muß er auch zuvor poetisch denken lernen. Wie denken aber die Poeten, wird man vieleicht fragen? Machen sie es nicht eben so, als andere Leute, die einen gefunden Verstand und ihre fünf Sinne haben? Oder, will man ihnen etwa was Göttliches beymessen? Die Frage kann und muß mit einigem Unterschiede beantwortet werden. Fürs erste denken die guten Poeten freylich eben so, als andere vernünftige Leute. Thaten sie dieses nicht, so würden sie rasend oder nårrisch feyn: und Demokritus würde Recht gehabt haben, wenn er zur Poesie nur unsinnige Köpfe erfordert hat, wie Horaz berichtet:

Excludit fanos Helicone Poetas

Democritus.

Nein, ein wahrer Dichter muß ja so wohl, als ein ander Mensch, ja noch mehr, als alle, die sich nicht ins Schreiben eine gesunde Vernunft, richtige Begriffe von Din

ischen,

gen,

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gen, und eine große Kenntniß von Künsten und Wissenschaf= ten haben. Nach dieser seiner Gemüthsbeschaffenheit nun müssen auch alle seine Gedichte schmecken. Jede Zeile muß, fo zu reden, zeugen, daß sie einen vernünftigen Vater habe. Kein Wort, ja wenn es auch der Reim wäre, muß einen übeln Verdacht von dem Verstande dessen erwecken, der es geschrieben hat. Daher ist auch derjenigen ihre Meynung verwerflich, die den Wein zu ihrer Hippokrene erwählen, und sich einbilden, sie könnten im Rausche die besten Gedichte machen. Flemming war ganz andrer Meynung, als er schrieb:

Die trefflichen Poeten,

Die Rächer der Natur, die können Tod, dich tödten ;
Sind Gift, dein Gegengift! Sie können nicht vergehu,
Und machen andere, so fallen, wieder stehn.

Nicht solche, welche stets mit Rennen, Betteln, Laufen,
Die große Lügnerey um kleines Geld verkaufen:
Daher wir redlichs Volk so kommen in Verdacht,
Und oftmals mehr, als arg, so werden ausgemacht;
Wenn sie den schandbarn Lohn in Völleren verschwenden,
Und also unser Reich und ganzen Orden schånden.
Nein! schont der edlen Kunst, und sparet euer Gold,
Shr, die ihr Kluge seyn, wie Reiche heißen wollt.

Die finds nicht, die man sucht. Was können doch die Sinnen,
Die satt an Hunger sind, an Durste voll, beginnen?
Was soll ein Kopf doch thun, der stets vom Biere treuft,
Und seinen dürren Sinn im Weinfaß hat ersäuft,

Und ganz und gar verschwendt? Was Todte soll erwecken,
Muß selber lebend seyn, nach Seel und Himmel schmecken.

Das will auch Boileau, wenn er schreibt:

Quelque Sujet qu'on traite, ou plaifant, ou fublime,
Que toujours le Bonfens s'accorde avec la Rine,

Aimez donc la Raifon! Que toujours vos Ecrits
Empruntent d'elle feule & leur Luftre & leur Prix,

5. S. Ich will noch ein deutsches Zeugniß aus unserm Rachel anführen, der ausdrücklich in diesem Puncte die

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Vertheidigung der Poeten in einer Satire über sich genommen hat. Er klaget erstlich dem Tscherning seine Noth, daß man die Poesie, die doch unter funfzigen kaum fünfen glücket, ihm zum Vorwurfe gemacht habe. Hierauf seht er hinzu:

Daß aber man so gar das Gute darf beschmeißen,

Daß ein Poet ein Narr, ein Narr Poet muß heißen,
Das thut der Unverstand. Weil mancher Büffel zwar
Hat einen großen Kopf, doch Bregen nicht ein Haar.

Er giebt darauf zwar zu, daß die Poeten allezeit aufge-
räumte Köpfe gewesen, und zuweilen einen luftigen Einfall
nach dem andern vorgebracht hätten: doch unterscheidet er
fie von den unflåtigen Possenreißern, die auch nur von dem
Pöbel, der gar nicht zu urtheilen weis, und von denen, die
ihm, auch wohl bey Höfen, an Sitten und Gedanken gleich
find, unter die Poeten gemischet worden. Alsdann feßt er
hinzu, was er von einem Dichter fordert:

Wer ein Poet will seyn, der sey ein solcher Mann,
Der mehr als Worte nur und Reime machen kann;
Der aus den Römern weis, aus Griechen hat gesehen,
Was für gelehrt, beredt und sinnreich kann bestehen;
Der nicht die Zunge nur, nach seinem Willen rührt,
Der Vorrath im Gehirn, und Salz im Munde führt;
Der durch den bleichen Geist aus Schriften hat erfahren,
Was merklichs ist geschehn vor vielmal hundert Jahren ;
Der guter Wissenschaft mit Fleiß hat nachgedacht,
Mehr Del als Wein verzehrt, bemüht zu Mitternacht;
Der endlich aus sich selbst was vorzubringen waget,
Was niemand noch gedacht, kein Mund zuvor gesaget;
Der zwar dem besten folgt, doch außer Dieberey:
Daß er dem Höchsten gleich, doch selber Meister sey:
Dazu gemeines Zeug und kahle Fraßen meidet,
Und die Erfindung auch mit schönen Worten kleidet;
Der keinen lahmen Vers läßt unterm Haufen gehn,
Viel lieber zwanzig würgt, die nicht für gut bestehn.
Nun wer sich solch ein Mann mit Recht will lassen nennen,
Der muß kein Narr nicht seyn c.

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6. §. Wie nun an dieser Wahrheit zum wenigsten niemand zweifeln wird, der die Schriften der besten Poeten, sonderlich der Alten, mit Verstande gelesen hat: also müssen wir auch zum andern sehen, was denn nunmehr die poetische Art zu denken von der prosaischen unterscheidet? Die Vernunft kann und soll es nach dem vorigen nicht seyn: was wird es denn wohl anders, als der Wiß oder der Geist seyn können? Und in der That' macht diese Gemüthskraft, nachdem sie bey einem stärker, als bey dem andern ist, einen großen Unterscheid in den Gedanken. Zwar ohne dieselbe ist kein Mensch zu finden. Ein jeder hat ein gewisses Maaß davon bekommen, ohne welches er sich so gar in Vernunftschlüssen nicht würde behelfen können; wie in der Geisterlehre erwiesen wird. Allein bey einigen ist sie sehr lebhaft und stark. Gewisse Geister haben viel Scharfsinnigkeit, wodurch fie gleichsam in einem Augenblicke hundert Eigenschaften von einer Sache, die ihnen vorkommt, wahrnehmen. Was sie wahrnehmen, das drücket sich, wegen ihrer begierigen Aufmerksamkeit, tief in ihr Gedächtniß: und so bald zu anderer Zeit etwas vorfällt, das nur die geringste Aehnlichkeit damit hat; so bringt ihnen die Einbildungskraft dasselbe wiederum her vor. So ist ihnen denn allezeit eine Menge von Gedanken fast zugleich gegenwärtig: das Gegenwärtige bringt sie aufs Vergangene; das Wirkliche aufs Mögliche, das Empfundene auf alles, was ihm ähnlich ist, oder noch werden kann. Daher entstehen nun Gleichnisse, verblümte Ausdrücke, Anfpielungen, neue Bilder, Beschreibungen, Vergrößerungen, nachdrückliche Redensarten, Folgerungen, Schlüsse, kurz, alles das, was man Einfälle zu nennen pflegt, und die alle insgesammt aus einem solchen lebhaften Kopfe entstehen. Dergleichen Geister nun nennet man poetische Geister, und durch diese reiche Gemüthskraft unterscheidet sich ihre Arc zu denken von der ordentlichen, die allen Menschen gemein ist.

7.S. Wir wollen die Sache durch ein Erempel erläutern. Gefeßt, ein Geschichtschreiber wollte erzählen, daß ein land

durch

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