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31. §. Das Befragen (Communicatio) wird zum XXVI. an die Zuhörer, oder gar an sonst wen gerichtet, und ist also jederzeit mit der Anrede verknüpfet: allein es zieht fie auch allezeit zu Rathe, und giebt es ihnen selbst zu erwegen; ob sich die Sache nicht so oder so verhalte, als man gesagt hat, oder es gern haben will? Z. E. Beffer läßt den Seladon die Chloris dergestalt anreden, und sie um ihre eigene Meynung befragen:

Ach Chloris! wolltest du, daß ich gewichen wäre?

Bedenke doch die Schmach, und deiner Schönheit Ehre!
Ich hätte ja die Macht der Lieblichkeit verhöhnt,

Wenn ich nicht deine Schooß mit meiner Hand gekrönt.

Eben so redet Günther seine Geliebte im I. Theile auf der 261. Seite an und nachdem er sie angeredet, Kind, bilde dir einmal zwo fromme Seelen ein c. und ihr einen glücklichen Ehstand beschrieben, seht er hinzu:

Was meynst du zu der Eh, die solche Früchte bringt?
Nicht wahr? die Lebensart ist besser als drey Kronen?
Was hilft der güldne Strick, der viel zusammen zwingt,
Wenn er und sie hernach bey Basilisken wohnen?

Was helfen jenen Freund zehn tausend Schürzen Geld?
Wovon sein dummes Weib ein dußend Schwäger hält.

32. §. Das Geständniß (Confefsio) ist die XXVII. Figur, worinn man selbst einen Einwurf macht, und denfelben bald eines theils zugiebt; doch aber seine Antwort nicht fchuldig bleibt. Rachel macht sich in seiner Satire, der Poet, diesen Einwurf:

Was soll ich aber machen,

Mit denen, die so gern den Bettelsack belachen?

Wo ein Poete wohnt, da ist ein ledig Haus;

Da hångt, spricht Güldengreif, ein armer Teufel aus.
Geduld! was will man chun? Man muß es zwar gestehen,
Wer zu dem Reichthum eilt, muß anders was ersehen,
Als Versemacherkunst 2c.

Eben dergleichen ist jener Einwurf, den sich Ranitz in seiner
e vom Hofleben macht: wenn er dem jungen Dankel-

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mann råth, sich durch die Heirath einer schlechten Person, in die Gunst eines Großen zu sehen.

Verachte mit Vernunft den Wahn der eiteln Welt,
Wird doch der Ueberfluß im Horne vorgestellt!

Ja, sprichst du, ihr Geschlecht! Ach! laß den Irrthum fahren,
Sieh unsern Nachbar an- ze.

Und Piersch schreibt auf das Rastische Begräbniß:

Man weis, stimmt gleich der Mund erfahrner Månner ein,
Daß Flecken am Gestirn und manchen Frauen seyn;
Die wie Vesuvius, Glut aus dem Busen blasen,
Vom Anfang ihrer Eh bis an das Ende rasen.
Doch wenn ein reifer Geist die Unglücksquelle sucht w.

33. §. Es folgt XXVII. das Einräumen, (Epitrophe) wenn man jemanden mehr zugesteht, als er fodern kann, ja mehr, als man selbst glaubt; nur um desto schärfer wider ihn zu streiten. Ein Erempel nehme ich aus Kanigens Uebersehung der Satire vom Adel:

Sein tapferes Geschlecht mag durch berühmte Sachen,
Die altften Chroniken zu dicken Büchern machen;
Gesetzt, daß jenen Schild, der sein Geschlechte ziert,
Borlängst schon ein Capet mit Liljen ausgeziert.
Wozu will er uns doch den leeren Vorrath weisen?
Wenn er von seinem Stamm, den die Geschichte preisen,
Der Welt nichts zeigen kann, als ein verlegnes Blatt,
Daran das Pergament der Wurm geschonet hat.

Oder wie Piersch schreibt:

Ihr Ottomannen laßt die Pforten eisern seyn,
Auch in das hårtfte Stahl dringt dieser Blitz hinein.

Steigt steile Felsen an, ihr seyd doch nicht beschützet:

Ein kugelfreyer Wall mit Bäumen unterstützet,

Von Mann und Waffen voll, den Sumpf und Fluth umschleußt, Und alles was man sonst unüberwindlich heißt,

Eur Eid, eur Mahomet mag sich entgegen setzen:

Das alles wird. Eugen nicht unbezwinglich schäßen.

Den Beschluß macht Lami zum XXIX. mit der Ums schreibung (Periphrafis), wodurch man unanständige Sa9 4

chen,

.

chen, oder Dinge, die man nicht so gleich heraus sagen will, zu lindern oder höflicher zu sagen pflegt. Ein Erempel giebt uns Opitz, wenn er sagen will, wohin die Poesien der Stümper kommen.

Nicht zwar, wie jene thun, die etwas heute schreiben,
Das morgen dahin kömmt, wo es zu kommen werth,
Da, wo man an die Wand den bloßen Rücken kehrt.

34. §. Obwohl nun der oftgedachte Scribent es bey dies sen Figuren bewenden läßt: so erinnert er doch, daß es freylich noch verschiedne andre gebe, so diesen an Schönheit und Nachdruck nichts nachgeben. Die Wahrheit dessen zu er weisen, will ich noch ein Paar herseßen. Man merke also jum XXX. das Aufsteigen (Gradatio), wenn man gleichsam stuffenweise von einer geringen Sache zu etwas höherm fortschreitet, und also immer was wichtigers sagt. 3.E. Opitz will in seinem Trostgedichte im II. Buche die Hinfälligkeit der Dinge beschreiben, und thut es so:

Was wollen wir uns denn um dessentwegen gråmen.
So andern wiederfährt, und der Natur uns schämen ?
Die Welt kann nicht bestehn, die Länder nicht in ihr,
In Ländern keine Stadt, in keinen Städten wir.

Jmgleichen auf der 67. S. feiner poetischen Wälder:
Pan aber schläfet nicht,

Er geht, er ruft, er schreyt mit sehnlichem Verlangen;
Daß seine Stimm erschallt, durch Berge, Wald und Thal.

35. §. Zum XXXI. endlich kömmt der Lidschwur, eine von den stärksten Figuren; die also auch nur in lebhaf. ten Affecten vorkommen kann. Es schweren aber die Poeten bey tausend Sachen, die sonst eben keine große Verbindlichkeit machen. 3. E. Flemming läßt eine Gärtnerinn so schweren:

So wahr ich vor dir steh,
Herzliebster Hortulan! :c.

Noch

Noch ein schöner Erempel giebt mir eben dieser Poet auf der. 201. Seite, welche Stelle ich, ihrer Schönheit wegen, ganz Hersehen will:

Ich schwer es, Vaterland! bey Kindespflicht und Treuen,
Dein Lob ists, welches mich heißt keine Mühe scheuen.
Ich könnte ja sowohl, als etwa jener thut,

Auch um die Ofenbank mir wärmen Muth und Blut,

Nach Wunsche stehn geehrt, mich meines Wesens nåhren,
Und meiner Aeltern Gut in stiller Lust verzehren;

So schlecht und klein es ist. So hast dus auch nicht Noth,
Daß ich für Gott und dich mich lasse schlagen todt,

In einer tollen Schlacht. Ich habe nichts gelernet,
Das groß von weitem steht, und nur alleine fernet;

Bin lichtem Scheine feind.

Besser, in seinem schönen Schäferliede von Seladon und Leonoren, läßt seinen Schäfer folgenden Eid thun:

Ich schwere dir, bey meiner Heerde,

Daß ich dich ewig lieben werde!

Und Günther in seinem Schreiben an den König August, hat eben die Figur mit großem Nachdrucke angebracht. Es heißt:

Du hörest freylich nicht, wie vieler Wunsch und Sehnen
Dich in Person erhöht. Doch schwer ich bey der Hand,
Die deiner Würdigkeit die Krone zuerkannt:

Daß so viel tausend sind, die unter Stroh und Hütten
Für dein gesalbtes Haupt in mancher Mundart bitten. /

Genug endlich von Figuren; obgleich sie dieses lange nicht alle find. Denn wer kann sie alle zählen? Muntre Köpfe bringen tåglich neue Arten hervor; und das beste ist, daß man sie oft machen kann, ohne ihren Namen zu wissen.

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000000000000000000000000000000 Das XI. Hauptstück.

Von der poetischen Schreibart.

N

I. §.

achdem wir nun alles Zubehör der poetischen Schreibart insbesondre nach einander erwogen haben: so müssen wir auch sehen, was aus Zusammenfügung alles dessen in der Poesie für ein Ganzes entsteht. Dieses ist die poetische Schreibart, die wir in diesem Hauptstücke abhandeln wollen. Was die Schreibart überhaupt sey, ist nach so vielen andern, auch von mir, in meiner Redekunst schon abgehandelt worden. Ich habe daselbst gewiesen, daß fie der Vortrag vieler zusammenhangenden Gedanken sey, welcher durch solche Säße und Redensarten geschieht, daraus man ihre Verknüpfung deutlich wahrnehmen kann. Diese Erklärung gab mir damals Anlaß zu folgern, daß es in der Schreibart hauptsächlich auf die Art zu denken ankomme; und daß ein Scribent in seinen Schriften, wo nicht seine Gemüthsbeschaffenheit, zum wenigsten doch die Fähigkeit feines Verstandes abschildere. Denn kein Mensch kann besser schreiben, als er vorher gedacht hat. Ein wüster und leerer Kopf kann gar nichts; ein verwirrter nichts ordentliches; ein schläfriger nichts lebhaftes; ein finstrer Geist nicht deutlich; ein niederträchtiges Gemüth nicht edel; ein nårrischer Phantast nicht vernünftig schreiben. Es ist also eine vergebliche Sache, wenn sich viel junge Leute auf eine schöne Schreibart legen wollen; ehe sie recht denken gelernt haben. Der Kopf muß erst recht in die Falten gerücket, von Unwissenheit, Irrthümern und Vorurtheilen befreyet, mit Wissenschaften, Liebe der Wahrheit und Erkenntniß des Guten erfüllet werden: so wird hernach die Feder schon von sich selbst folgen:

Verbaque prævifain rem non invita fequentur. Horat.

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