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es werden so viel andre Redensarten dazu gebraucht, daß ihre Zahl nicht zu bestimmen ist. Z. E. Jammer! Lustig! Frisch auf! Herzu! Ich Armer! Mich Unglückseligen! Troß sey dir gebothen c. 2c. Ein Erempel giebt mir Flemming auf der 201. Seite:

Als aber gleich der Krieg,

Erbarmes Gott, der Krieg! mit welchem wir uns Deutschen, Voh so viel Jahren her nun ganz zu tode peitschen,

Mein liebes Meißen traf.

Rantz auf der 43. Seite der neuen Auflage:

O kindischer und toller Wahn,

Der bey mir eingerissen!

Opitz im IV. Buche der Poet. W. schreibt an Nüßlern,

von seiner Flavien :

Ach! daß ihr frecher Sinn

Mich, der ich ihrer Huld vielmehr als würdig bin,

So wenig gelten läßt! ach, ach! daß kein Vergießen
Der Thränen, und kein Wort, kein Seufzen 2.

Neukirch in seinem Gedichte auf die Königinn in Preußen, schreibt gleichfalls:

Ach leider! allzu viel, zu viel auf einen Schlag!
Wer ist, der unser Leid nur halb ergründen mag?

Und Pietsch in seinem Gesange auf den Prinz Eugen sagt:
Wie seltsam leitest du der Deutschen kühnes Heer!
Der Zug des Hannibals war lange nicht so schwer.

6. §. Die andre Figur ist der Zweifel, (Dubitatio) womit man entweder bey sich ansteht, ob eins oder das andre zu glauben, oder zu thun sey; oder sich doch so stellet, als ob man sich nicht entschließen könnte. Die Heftigkeit der Gemüthsbewegungen seht uns oft in den Stand, daß man weder aus, noch ein weis: dean ehe man mit dem Entschlusse noch fertig ist; so fällt uns augenblicklich etwas anders ein, welches das vorige wieder zunicht macht. Ranicz giebt uns ein schönes Erempei in der Ode auf seine Doris.

Er hat in der vorhergehenden Strophe die verflossenen Stunden zurück geruffen; besinnt sich abes bald anders, und singt:

Aber nein! eilt nicht zurücke,
Sonst entfernen eure Blicke
Mir den längstgewünschten Tod,
Und benchmen nicht die Noth.
Doch, könnt ihr mir Doris weisen;
Eilet fort! Nein: halter still!
Ihr mögt warten, ihr mögt reisen,
Ich weis selbst nicht, was ich will.

Zuweilen zweifelt man zwar selber nicht; will aber durch einen verstellten Zweifel die Zuhörer zum Nachsinnen bewegen. So zweifelt Günther in seiner Sterbeode, wem er feine Leyer vermachen foll:

Sage, du begriffne Leyer!
Wenn ich dich vermachen darf?
Viele wünschen dich ins Feuer;
Denn du rasselst gar zu scharf.
Soll ich dich nun lodern laßen?
Nein, dein niemals fauler Klang
Ließ mich oft ein Herze fassen,
Und verdienet bessern Dank.

Soll ich dich dem Phöbus schenken?
Nein, du bist ein schlechter Schmuck,
Und an den Parnaß zu henken,
Noch nicht ausgespielt genug.
Opis würde dich beschämen,

Flemming möchte widerstehn:

Mag dich doch die Wahrheit nehmen,
Und damit hausiren gehn.

7. §. Die III. kann der Wiederruff (Correctio oder Epanorthofis) fenn, wenn Leute ihr Wort, das sie schon gefagt, wieder zurück nehmen; weil es ihnen zu schwach vorkommt, und sie also ein heftigers heraus stoßen wollen. 3. E. Opitz in einem Hochzeitwunsche auf der 77. S. der Poet. W. v. 133.

Der

Der (Gott) lasse mich erfahren,
Und hören oft und sehr,
Was hören? sehn vielmehr,
Daß dich, von Jahr zu Jahren,
Was dir giebt dieser Tag,
Mit Frucht bereichern mag.

Zuweilen hat man auch wohl etwas zu frey herausgesagt, will also das ausgestoßene Wort wieder zurück nehmen, und ein bessers an die Stelle sehen. So läßt z. E. Günther den Apollo in einer Cantate, wo er mit dem Mercur um den Vorzug streitet, folgendergestalt reden:

So, hör ich, foll dein Judasspieß,

Dein Zepter, wollt ich sagen,

Mehr Frucht und Vortheil tragen,
Als meiner Künste Paradies?

Hieher kann man auch rechnen, wenn der Poet, dasjenige, was er gesagt, zwar nicht zurück nimmt; aber doch wider legt, weil es ihm von andern getadelt werden möchte. 3. E. so schreibt Neukirch in seinen geschüßten Nachtigallen:

Das eingeworfne Bonn, das wüfte Kaiserswerth,

Die ungarische Schlacht, den Schuß der Niederlande,
Belief er alles zwar mit eifrigem Verstande:

Doch, Mauren, sprach er, hat schon Cåsar umgekehrt!

8. §. Die IV. ist das Verbeißen, (Ellipfis) oder Abbrechen einer Redensart, die man nur anhebt, aber nicht völlig endiget. Sie entsteht, wenn der Affect so heftig ist, daß der Mund und die Zunge den geschwinden Gedanken der Seele nicht folgen kann, und also mitten in einem Sahe abbrechen, und dem neuen Gedanken des Geistes plöglich folgen muß. Amthor hat aus dem Virgil das bekannte, Quos ego! des Neptunus, sehr gut überseßt, womit er die Winde bedroht; aber mitten in dem Drauworte inne hält.

Und sprach: Macht euch der Glanz der Ahnen so verwegen?
Dürft ihr, mir unbewußt, die kühnen Flügel regen?
Daß Erd und Himmel fast sich durch einander mischt,

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Und der erhihte Schaum bis an die Wolken zischt?

Euch foll! doch laßt uns nur der Wellen Macht beschränken.

Ein schön Erempel giebt auch Besser in seiner Ruhestatt der Liebe, wo er die erwachte Chloris so reden läßt:

Du bist des Stranges werth!

Hilf Himmel! was ist das? Hast du den Wih verlohren ?
Ist dieß die stete Treu, die du mir zugeschworen?
Hast du der Chloris Zorn so wenig denn gescheut,
Daß du so freventlich ihr Heiligthum entweiht?

Daß du -- welch eine That! Sie konnte nicht mehr sprechen,
Und wollte sich an ihm mit ihren Thränen rächen.

Nur nehme man sich in Acht, daß man diese Figur nicht so lächerlich anbringe, als Neidhard in dem Gedichte auf D. Wenzeln:

Hier schlug nun Gottes Zorn, in dich, du Ceder ein, .
Da mancher Haselstrauch von Lumpenvolke blühte,

Bis Wurzel, Stamm und Ast, bis Herze, Fleisch und Bein
Vor Gift, als Aetnens Schooß vor Harz und Schwefel, glühte.
Als endlich Uhr und Zeit die sechste Stunde maß,

Da kam der Schlangenwurm des Todes hergeschossen,

Und stach B

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Weg Feder, brich du Herz, umñebelt euch ihr Augen ic.

9. §. Die V. könnte zur vorigen gerechnet werden, und heißt das Hemmen (Apofiopefis), wenn eine schleunige Veränderung des Entschlusses, der angefangenen Rede Einhalt thut. Ranitz in seinem Gedichte von der Poesie läßt erst seinen poetischen Trieb zur Vertheidigung derselben reden; hernach fällt er demselben ins Wort:

Was mich nun dergestalt in Unschuld kann ergehen,
Wozu mich die Natur Halt ein! verführter Sinn:
Drum eben straf ich dich, weil ich besorget bin,
Es möchte, was ihund noch leicht ist zu verwehren,
Sich endlich unvermerkt in die Natur verkehren.

Imgleichen schreibt Günther in dem Gedichte auf Herrn
Hofrath Budern:

Recht

Recht so! fångt augenblicks ein junger Momus an,
Dem nächst noch vom Orbil das Leder weh gethan:
Recht so! was Henker nüßt der ganze Musenplunder?
Pack ein, verwegnes Volk! Vom Maro brenn ich Zunder.
Bom Plato Fidibus. Ja wenn auch ohngefähr,

Der Schatz von Heidelberg in meiner Beute wår:
Racketen macht ich draus, und kochte Chocolade!

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Ein Quentchen Mutterwitz gilt Sachte, guter Freund,
Der Sah war eben nicht so bös und stark gemeynt,
Ein Narr verschüttet nur das Kind mit sammt dem Bade.

10. §. Die VI. ist die Versetzung (Hyperbaton) eines Worts oder Gedankens von seiner natürlichen Stelle; die aber nicht aus der Unfähigkeit des Poeten, sondern aus der Heftigkeit des Affects herrühret, der dem Gemüthe nicht Zeit läßt, an die ordentliche Wortfügung zu denken. Wir haben im vorigen Hauptstücke schon davon geredet, wollen doch aber noch ein paar Erempel geben:

Er, mein Leben; du, mein Leben';

Euer beyder Leben, ich!

Ich durch euch, und ihr durch mich,
Wollen bis ans Blaue schweben.

Hier verseht Flemming das Wort Jch, in der andern Zeile von seiner natürlichen Stelle: denn es hätte ordentli cher Weise vorn stehen sollen, Jch, euer beyder Leben; aber im Affecte ist es ans Ende gekommen. Noch ein schöner Exempel steht auf der 66. S.

Der Majen Sohn flog aus
Durchsuchte Luft und Welt,
Dich, sprach er, fodert ab,

vom ewigen Pallofte,
bis er den Mars erfaßte:
durch mich, des Vaters Rath;

Komm mit und säume nicht, es ist vorhin zu spat!

Ja, sprach Mars, alsobald! lich drauf die Feindschaft fangen; Stracks wurden neben sie an Eichen aufgehangen,

Zank, Zwietracht, Mord, Betrug Den Krieg trat er zu Koth, Und stieß mit eigner Faust den Haß und Frevel todt.

11. S. Die VII. ist das Uebergehen (Præteritio), worinn man sich stellet, als wollte man etwas nicht anfüh ren, welches man aber eben dadurch erwähnet. 3. E. Flem ming in seinen poet. W. a. d. 225. S.

Crit. Dichtk.

Ich

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