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Wie manches stolze Reich entsprungen und verkehrt,
Wie Völker ist geblüht, und wieder durch das Schwert
Den Untergang geschaut.

Hier ist zulezt bey geblüht, und geschaut, das haben ohne Fehler ausgelassen; so wie in der andern Zeile, bev geschehen und gewesen, das ist. Nur bey der dritten fann ichs nicht gut heißen, daß zwey ungleiche Wörter,, ents sprungen und verkehrt, verbunden worden, da sie doch nicht einerley Hülfswort haben können; weil das erste ist, das andere aber worden hätte haben sollen. Und dieses worden hätte gar nicht ausbleiben müssen, um den Verstand recht auszudrücken. Verkehrr kann auch wirksam, und nicht nur leidend erkläret werden: nachdem entweder hat oder worden darunter verstanden wird; und diese Zweydeutigkeit kömmt hier vor.

16. §. Wenn aber die Wörter haben und seyn, an und für sich was bedeuten, und rechte Zeitwörter abgeben: alsDann ist es sehr ungeschickt, dieselben auszulassen. Z. E. Opis im Vesuvius schreibt:

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Verzeihe mir mit Gnade, Daß ich unangesagt mit Schriften dich belade, Die gar zu schlecht für dich. Ich weis 2.

Und bald hernach in diesem Gedichte:

Alsdann kann erst ein Mensch sich einen Menschen nennen,
Wenn seine Lust ihn trägt, was über uns, zu kennen.

Hier ist in der ersten Stelle das Wort sind, und in der andern das ist ausgelassen. Gleichwohl sind dieselben hier als rechte Hauptwörter anzusehen; ohne die man den Sah un möglich verstehen kann. Solchen Stellen unsrer ehrlichen Alten, die doch unrein sind, folgen viele Neuere nach, und verderben dadurch die Sprache aufs äußerste; zumal wenn sie gar das hat und haben in dergleichen Fällen erfparen wollen. Was ich aber an Opitzen entschuldigen muß, das werde ich gewiß an keinem andern loben, er sey auch wer er wolle; und wenn er noch so körnigt, dunkel und miltonisch schriebe,

schriebe, ja mit lauter ästhetischen Räthseln sinnträchtiger und gedankenschwangerer Machtwörter und Worts riefen aufgezogen fåme.

17. §. Noch einerley Frage fällt wegen der Hülfswörter vor, ob man sie nämlich ohne Unterscheid vor, oder hinter ihr Hauptwort sehen könne. 3. E.

Wår es zu jener Zeit, da man auf Tuch und Rinden, In Cederöl getränkt, auf Helfenbein und Linden,

Und Bley, und Darm, und Erz, und Wachs, und Loder schrieb, Und solches alles zwar mit großen Kosten trieb:

So würde Caßius sich eher lassen lenken,

Und nicht, wie er gethan, auf tausend Bücher denken;
Die man dennoch zu nichts sonst tauglich hat erkannt,
Als daß man sie sammt ihm zu Asche hat verbrannt.

Frank.

Hier findet man in der fünften Zeile das Hülfswort laffen, vor sein Hauptwort lenken gesezt, welches doch in ungebundnet Rede hinten gestanden haben würde. Imgleichen steht in beyden lehten das hat ebenfalls vorne, da es doch nach. prosaischer Ordnung hinten seyn sollte. Allein man sieht wohl, daß dieses wider die obige Regel läuft, und also für keine Schönheit, sondern für einen Uebelstand zu halten ist. Noch eins aus eben dem Poeten:

Es würde der Lucil wohl eher sich ermüden,

Und nicht zweyhundert Vers in einer Stunde schmieden,
Und zwar auf einem Fuß. Ich selber ließ es seyn,

Und zöge meine Schrift zuzeiten enger ein:

Wann nicht der leichte Griff, da man mit großem Frommen Auf Lumpen schreiben kann, nunmehr war aufgekommen.

Hier ist abermal wår in der legten Zeile auf der unrechten Stelle: denn es sollte heißen, aufgekommen wäre. Gefeht nun, daß dieses nur ein kleiner Fehler ist, den man an einem alten und großen Poeten leicht übersieht, wenn er nur nicht oft kömmt: so ist es doch ein Fehler, der einer Entschuldigung bedarf, und den man lieber zu vermeiden sucht, wenn man ohne Tadel schreiben will.

18. §.

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18. §. Eine von den allervornehmsten Tugenden, eines guten poetischen Sahes, ist die Deutlichkeit desselben. Diese muß in gebundener Rede eben sowohl, als in ungebundner statt haben, und ohne dieselbe würde ein Poet kein Lob verdienen. Es entsteht sonst die Deutlichkeit aus Wörtern und Redensarten, die jedermann geläufig und bekannt sind, auch in ihrem natürlichen und eigentlichen Verstande gebraucht werden: sodann aber auch aus einer ordentlichen und gewöhn= lichen Wortfügung, die der Art einer jeden Sprache gemäß ist. Waren aber diese Stücke zur Deutlichkeit eines Sahes ganz unentbehrlich: so würde folgen, daß ein Poet entweder keine neue Wörter, verblümte Redensarten und neue Wortfügungen machen müsse: oder daß er unmöglich deutlich würde schreiben können. Denn wir haben schon oben gewiesen, daß man in gebundner Rede nicht die gemeinsten und bekanntesten, sondern ungemeine, zuweilen auch alte, zuweilen gar neuzusammengefehte Wörter, und viel verblümte Redensarten anbringen solle: um edler und erhabner als ein prosaischer Scribent, zu schreiben. Und wir werden bald hören, daß man auch in der Wortfügung viele Neuerungen wagen könne, um sich dadurch von der gemeinen Art zu reden zu entfernen. Allein bey diesem allen kann die Deutlichkeit gar wohl bestehen. Ein Wort kann gar wohl verständlich seyn, wenn es gleich nicht täglich von dem Pöbel gebraucht wird. Ein altes Wort ist auch nicht allemal unverständlich, wenn es nur kein Provinzialwort ist, das außer den engen Gränzen einer Landschaft nicht gilt; wenigstens kann es durch den Zusammenhang ganz deutlich werden. Neugemachte Wörter sind auch sehr wohl zu verstehen, wenn sie nur aus bekannten regelmäßig zusammen gesetzt; und nach der Aehnlichkeit unserer Mundart eingerichtet worden. Die verblümten Redensarten, wenn sie glücklich ausgefonnen werden, geben dem Verstande noch mehr Licht, als die eigentlichen ; wenn man sie nur nicht gar zu häufig brauchet. Denn Aristoteles in seiner Poetik hat ausdrücklich angemerket, daß aus gar zu vielen Metaphoren lauter Räthsel entstehen.

19. §.

19. §. Zuweilen werden bey dem Scheine der größten Deutlichkeit die verblümten Redensarten so wunderlich durch einander geflochten; daß sie gar nicht verstanden werden kön nen. 3. E. Beffer in einem Singespiele läßt den Mars, der nebst den andern Göttern bey der Flora zu Gaste gebethen worden, und etwas spåt erscheint, also sprechen: Mars, der Gott der Kriegesheere,

Folgt der Göttinn aus dem Meere,
Folget seiner Venus nach.

Wart, Aurora! wart, Aurora!

Mars kömmt auch zum Fest der Flora,
Schleuß noch nicht dein Schlafgemach.

Hier verstehe ich weder was Mars, noch was der Poet has ben will. Denn außer dem überflüßigen Titel, den er sich giebt, und den alle Götter, zu denen er kömmt, lange wuß ten, nennt er seine Venus eine Göttinn aus dem Meere; welcher Namen sich viel besser für die Thetis geschicket hätte. Hernach ruft er Auroren, und verlangt, sie solle ihr Schlafgemach noch nicht schließen, weil er auch zum Feste der Flora kame. War denn das Fest der Flora in Aurorens Schlafkammer angestellt? oder wollte Mars sonst bey ihr seine Herberge auf etliche Minuten nehmen? Was heißt es ferner, das Schlafgemach schließen? Ohne Zweifel schläft Aurora des Nachts, und also muß sie frühe herauseilen, ihrem Phobus vorzugehen. Da wird es nun dem Mars gleich viel gelten, ob sie ihre Schlafkammer offen läßt, oder zuschließt; weil er ohne dieß nichts darinn zu thun hat. Des Abends aber die Aurora in ihr Schlafgemach zu führen, das würde eben so viel seyn, als wenn jemand den Nordwind von Süden, oder den Zephir von Osten herkommen ließe. Mit einem Worte, der obige Vers ist ohne Verstand, folglich ein Galimatias, und besteht aus schönen Worten und verblümten Redensarten, die nichts heißen.

20. §. Ich habe mit Fleiß aus Beffers Schriften ein solch Erempel angeführet, den man seiner natürlichen Schreibart, und richtigen Gedanken halber so vielmal gelobet; daß er

sich endlich selbst für unsern besten Poeten gehalten, und alles andre vor und neben sich verachtet hat. In andern, die noch erhabener schreiben, würde ich unzähliche solche Stellen finden, die entweder noch unverständlicher seyn, oder doch gute Räthsel abgeben würden. 3. E. wenn Lobens stein die Sonne den Almosenmeister Gottes; den Men schen eine Mappe dieses großen Alles nennet; und her ́nach bald der göttlichen Vorsehung in die Speichen tritt, bald die Deichsel dem Vaterlande zukehret: so sind dieses lauter unverständliche Räthsel, welche man nicht errathen würde, wenn nicht theils ausdrücklich dabey stünde, was sie bedeuten sollten, theils aber der Zusammenhang solches zeigte. Siehe deffen Rede auf den Herrn von Hofmannswaldau, und die Beurtheilung desselben in dem I. Bande der kritischen Beyträge. Dieses alles zeiget, meines Erachtens, wie nöthig es sey, bey dem verblùmten Ausdrucke seiner Gedanken vor allen Dingen auf die Deutlichkeit zu sehen, und sich já nicht durch den Schein einer falschen Hoheit in das Phobus oder Galimatias stürzen zu lassen. Einige Neuere haben uns in diese Wolken und Nebel wieder zu verhüllen gesucht, und dieses zwar unter dem Scheine einer größern Scharfsinnigkeit. Sie haben uns die gemeinsten Gedanken durch dunkle Ausdrückungen schwer zu verstehen gemacht: damit wir glauben sollten, sie håtten uns neuerfundne und vorhin unerhörte Dinge gesagt. Einfältige haben sich betrügen lassen, sind aber nicht besser angekommen, als Jrion, der statt einer Göttinn eine Wolfe umarmete. Ein Erempel will ich aus Laurenbergen geben, der schon zu seiner Zeit dergleichen Fehler verworfen hat. Jck konde wol so hoch draven, wen ick wolde, Dat yet nemand als ick alleen begrypen scholde, Wenn ick als de grote Poet schryven würde, "Die Frau hat abgelegt ihrs Leibes reiffe Bürde, ,, Versieglend ihr Ehbett mit einem theuren Pfand. Wol würde ergründen dysses Radels Verstand? He meent darmit, de Fruw de hefft een Kind gekregen, Welches im Ehstand ys een eddel Gades Segen.

Man

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