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fen. Allein er feget hinzu, dieses sey eben nicht zu hoffen, und die Sonne würde, dessen ungeachtet, wohl die große Borrachskammer der Gleichnisse bleiben. Die Poeten und alle Urheber verliebter Seufzer würden lieber sterben, als in diesem Stücke ihre Gewohnheit åndern wollen. Dieses wåre nun einmal das Schicksal dieses schönen Gestirnes, daß man allerley Arten der Leute auf seine Unkosten lobete: so gar, daß auch wohl übelberüchtigte Buhlerinnen ein Verlangen darnach trügen. Davon führet er aus dem Theos phile ein Sinngedichte an:

Cette Femme, qui m'importune,
Veut, qu'on la compare au Soleil:
Il eft commun, elle eft commune,
C'eft tout ce, qu'ils ont de pareil:

21. §. Mit diesem Fehler der hochtrabenden Schreibart ist das von vorerwähnten Nationen sogenannte Galimatias, oder Nonsense sehr nahe verwandt: welches nichts anders ist, als eine ungereimte und unverständliche Vermischung widereinanderlaufender verblümter Redensarten; aus welchen es zuweilen unmöglich ist, einen Verstand herauszubringen. Von unsern Deutschen hat, wie mich dünket, Christian Gryphius zuerst den Uebelstand dieses Fehlers an unsern Poeten, sonderlich seinen eigenen Landesleuten, Hofmannswaldauen und Lohensteinen wahrgenommen; und die Quellen desselben in der Nachaffung der Italiåner und Spanier gefunden. * Gryphius unterscheidet aber hier mit großem Verstande die alten Italiåner von den neuern, und diese von den Franzosen. Petrarcha ist bey dem guten Geschmacke der alten Römer und Griechen geblieben; und

Ich weis wohl, schreibt er, daß viele unsrer Landsleute den heutigen Walschen und Spaniern unzeitig nachäffen; und sich mit ihren nicht felten merklich abschießenden Farben auspußen. Wenn aber die ehrlichen Leute ja nicht, wie es doch wohl seyn fallee, bey den alten Griechen und

ihn

Römern in die Schule gehen, und von ihnen etwas lernen möchten: so würde es doch zum wenigsten gar wohl gethan seyn, wenn sie die reine und doch zugleich hohe Schreibart, derer sich die Wälschen im vergans genen Jahrhunderte, und noch ist die Franzosen bedienen, etwas mehr in

ihn hat sich Opitz unter andern zum Muster genommen. Tasso und Guarini hielten sich noch ziemlich auf der alten Spur; und ob sie wohl schon viel von ihren Concetti oder gleißendem Flittergolde einstreueten: * so blieb doch das meiste in ihren Gedichten gut und untadelich. Ariost aber und Marino sind von der guten Art ganz und gar abgewichen: wie nicht nur Bouhours in feiner Maniere de bien penfer dans les Ouvrages d'Efprit in vielen Erempeln gewiesen; sondern auch Crescimbeni in feiner Hiftoria della volgar Poefia im II. Bande ausführlich dargethan hat. Diese marinische Schule nun hat auch in unserm Vaterlande viel Anhänger gefunden, noch ehe Brockes den Kindermord übersehet hat; und das hat Gryphius in der angezogenen Stelle schon bedauret.

22. §. Doch auch aus den Spaniern ist dieses Verderben einigermaßen herzuleiten: so, wie schon in Rom, durch den Lucan und Seneca, der gute Geschmack des güldnen Alters sich verderbet hat. Gracian ist im vorigen Jahrhunderte durch die hochtrabende Art seiner Schriften ein solcher Verführer der wißigen Köpfe geworden. Denn ob er gleich nur in ungebundener Rede geschrieben, so hat er doch in seinen Schriften, z. E. in dem Criticon, einen ausschweisendern Wig bewiesen, als unzähliche Dichter gehabt haben. Daß Lobenstein einen besondern Geschmack an demselben gefunden, zeiget der staarskluge Ferdinand desselben: den er ins Deutsche übersehet, und in seinen übrigen Schriften nachgeahmet hat. Will man ein Erempel von seiner Art haben, so lese man nur das Gedicht auf den Tod And.. Gryphii, von der Höhe des menschlichen Geistes: darinn er fast allen seinen Wig und alle seine Einbildungskraft verS 5 schwen=

acht nähmen; und vielmehr den rechten Verstand einer Sache, als zwar töflich lautende, aber vielmals wenig oder nichts bedeutende Worte, und den hieraus entspringenden Misch: masch, welchen man in Frankreich Galimatias und Phôbus zu heißen pflegt, beliebten.

* Siche des Herrn von St. Evremond Luftiviel Sir Politick would be, nach, wo er einen italienischen Abt in lauter solchen Concerti, oder svißfindigen Einfällen redend einführet, und dadurch diese Schreibart zum Gelächter machet.

schwendet hat.

Doch ein paar Strophen sollen uns zur Probe dienen, wie diese Schreibart aussieht. So hebt

er an:,

Wohin hat sich der Geist der Menschen nicht geschwungen,

Die kleine Welt reicht hin, roie weit die große gränzt:' Denn ist der spröde Leib gleich nur von Dohn entsprungen, So sieht man doch, daß Gott aus diesen Schlacken glänzt ; Daß it was himmlisches beseele das Gehirne,

Der Ursprung sey von Gott, das Wesen vom Gestirne.
Die Sonne der Vernunft, das Auge des Gemüthes

Macht uns zu Herrn der Welt, zu Meistern der Natur.
Der Panther dämpft für ihr das Schäumen des Geblüthes,
Sie nimmt der Schlang ihr Gift, durch einen kräftgen Schwur.
Sie lehrt uns Drachen kirrn, und auf den Löwen reiten,
Die Adler übereiln, und Crokodilln bestreiten.

Er müht sich Gottes Werk und Wunder nachzuäffen,

Es theilt ein Dádalus mit Flügeln, Luft und Wind;
Bachan kann in der Luft Gewölk und Regen schaffen:

Albert ein redend Haupt, Camill ein lechzend Kind.
Archytas lehrt aus Holz geschnißte Tauben fliegen,
Und Bertholds Büchse will für Blitz und Donner siegen.
Die Elemente selbst sind Mägde des Verstandes c.

23. S. Dieß ist nun ein rechtes Meisterstück, durcheinander gewirrter Metaphoren und anderer übelausgesonnener, verblümter Ausdrückungen; kurz, ein rechtes Galimatias, mit etlichen Phōbus durchflochten. Nichts destoweniger hat sich unser Vaterland, eine geraume Zeit her, in dergleichen gefirnißte Verse aufs äußerste verliebt gehabt: und man hat keinen für einen Poeten halten wollen, der nicht diese hochtrabende Sprache reden können; die doch oft weder der Verfasser, noch seine Leser, mit allen ihren Sinnen haben erreichen können. Ein rechter Held aus der lohensteinischen Schule, war auch in meinem Vaterlande, nur vor wenigen Jahren noch, der seiner Musik wegen berühmte Kapellmeister Neidhard, ein gebohrner Schlesier, der durch seine übersteigende Schreibart unzähliche Leute eingenommen, und viel junge Leute verführet hatte; wie ich schon oben angemerket

merket habe. Es kann nicht schaden, eine Probe davon hieher zu sehen, die mehr als irgend etwas einen Abscheu davor erwecken kann. Dieß Gedicht ist 1710. auf D. Wenzeln gemacht, und hebt an:

Der Wis des Alterthums, aus dessen reicher Pracht, Die jüngern Gold und Bley zu Doctoringen stehlen, Hat auch aus weiser Kluft den Ring herausgebracht, Den Ruhm der Sterblichen der Nachwelt zu vermählen. Man wusch den todten Leib in einer Balsamsee, Und meynte so den Zahn der Fäulniß zu zerreiben: Man wollte That und Lob den Steinen einverleiben, Und thürmte deren Rumpf fast an die Wolkenhöh. Die meisten spihten sich den Griffel kluger Schriften, Den Todrerblaßten Ruhm, sich selbsten Dank zu stiften.. Doch weil der Glieder Bau, des Marmors Silber - Grieß, Der Blätter leichten Zeug die Zeiten niederlegen:

So suchte man dabey, Held, Waffen, Schild und Spieß Der hellsaphirnen Burg des Himmels einzuprägen.

Drum schimmert Herkules, Alkmenens Götterkind, In einer Heldenträcht von acht und zwanzig Sternen; Und lässet auch ein Kind aus seinen Stralen lernen,

Daß Klug und Kühnheit Gold, zu Ehrenkleidern spinut. So wird sein Ehrenruf bey heitrer Nacht verjünget, So oft fich Tellus Ball um seinen Kreispunct schwinget zc.

So ist nun das ganze ziemlich lange Gedicht mit unendlich vielen weitgesuchten und übereinander gehäuften Metapho ren und Allegorien durchwirket und vollgestopfet, daß es bloß um der Seltenheit halber, werth wäre, wieder aufgelegt zu

werden.

24. §. Damit es meiner Abhandlung aber doch nicht an allen Erempeln von neuern Blümchen fehlen möge: so will ich dieselben aus einem neuern, zu Altdorf, nur im 1727. Jahre gedruckten Bogen entlehnen; weil ich in demselben alles beyfammen finde, was ich sonst mit vieler Mühe würde zusammen suchen müssen. Folgende Redensarten nun, halte ich für lauter Phobus, wenn der Poet schreibt: Titans frohes Licht strale mit neuen Bligen, und mache die sapphir

ne

ne Burg zu Hiacinthen. Ein Trauriger heißt ihm ein folcher, der Aegyptens finstre Nacht, start Gosens Sonne küffet. Die Lilie lacht mit reinstem Silber; ihr bemikhter Thron macht die Perlen schamroth, und ihr Atlaß sinkt ins Verwesungsreich. Auf den Blåttern der Blumenköniginn, die von Cytherens Blut den Ursprung haben soll, blüher Rubin und Purpur. Die klare Luft schneyt ambrirte Perlen. Man soll uns einst in Edens güldnen Auen, mit buntgefärbtem Pracht, als helle Sterne schauen. u. d. m. Das Galimatias will ich aus dem Schlusse dieses Gedichtes hernehmen, und da es Gryphius gar wohl ein Mischmasch genennet hat: so will ich einen jeden fragen, ob man wohl mehr verschiedene Dinge in 16 Zeilen hätte durcheinander mengen, oder dem Scheine nach mit einander reimen können, als dieser Poet wirklich gethan hat? Denn da finde ich Kanaan, güldne Blumen, Titans Stralen, der Thetis Wellen, Wetter, Orcan, Purpur, Regengüsse, Schmuck, Lenz, Sonne, schmaragdne Felder, Perlenwasser, Schnee und Eis, holde Blumen, Rosenblut, Frost, Dornen, bittre Aloe, der Myrrhen herbes Pech, oder Coloquinten, das gelobte Land des Himmels, Nef= feln, die Sternenhöhe, Zuckerbrodt, Ambrosin, Nectar, diamantne Auen, Honigseim und Alicant: ja damit nichts vergessen würde, so kommt zuleht auch Umbra und Zibeth noch nach. Wir müssen nunmehr die Stelle selbst sehen. An falschen Reimen nach der harten frånkischen Mundart fehlet es auch nicht.

Hier ist das Kanaan, das güldne Blumen trägt,
Wo Titans Stralen nie in Thetis Wellen steigen.
Kein Wetter, fein Orcan darf ihren Purpur bleichen,
Hier ist kein Regengyß, der ihren Schmuck zerschlägt.
Hier ist kein solcher Lenz, der bald die Sonne zeigt,
Und das schmaragdne Feld mit Perlenwasser trånket;
Bald aber Schnee und Eis statt holder Blumen schenket,

Hier wird der Rosen Blut durch keinen Frost gebleicht.

Bon

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