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gende wåren: Der Wald ist mir ausgestorben; der Baum hat den Krebs; die Zweige kriegen schon Augen; die Saat steht geil; der Acker ist ferr; das Getrände brandig, u. d. gl. Darauf erinnert er, daß er außer diesen gemeinen Arten verblümter Reden, noch eine verwegnere Gat tung gebe, die nicht aus dem Mangel der Sprache; sondern aus einem feurigen Wiße entsteht, und der Rede viel Glanz und Schönheit zuwege bringet; welches er dann mit vielen poetischen Erempeln erläutert.

4. S. Ich will desgleichen thun, um die Sache in ein vol. liges Licht zu sehen. So schreibt Flemming auf der 362. S. Der verliebte Himmel lächelt, In die gleich erwärmte Luft; Welche gleichsam Küsse fåchelt, Auf der schwangern Erden Kluft: Die bald beyden, so sie liebet,

Tausend schöne Kinder giebet.

Wer sieht hier nicht einen sehr edlen poetischen Ausdruck; in verblümten Verstande gebrauchte Worte, und kühne Res densarten? Der Himmel muß verliebt heißen, welches man sonst nur von verständigen Wesen sagt. Die Luft muß Küsse fächeln; weil sie so lieblich ist, als eine freundliche Schönheit, wenn sie einen Geliebten küssen will. Die Erde ist. schwanger, weil die Gewächse gleich einer Frucht in Mutterleibe, in ihr verborgen liegen, ehe sie im Frühlinge ausbrechen. Sie muß den Himmel und die Luft lieben; welches wiederum nur im verblümten Verstande angeht: weil sie sich nåmlich bey der Gegenwart des freundlichen Himmels, mit ihrem Laube und Grase schmücket; wie eine verliebte Dirne gegen die Ankunft ihres liebsten. Endlich giebt sie tausend schöne Kinder, das ist, in der eigentlichen Sprache zu reden, Blumen und Früchte. Und wer sieht hier nicht, daß diese Strophe durch ihre verblümten Redensarten weit schöner und geistreicher geworden, als wenn sie aus lauter eigentlichen Ausdrückungen bestanden håtte? Noch eins zum Ueberflusse, aus eben dem Poeten, auf der 353. S.

Die verlebte Welt wird jünger,

Und streicht mit verliebtem Finger,
Ihre Runzeln von der Haut.

Seht, seht! wie sie aus den Feldern,
Aus den Auen, aus den Wåldern,
Mit perbuhlten Augen schaut.

5. S. Hieraus erhellet ja wohl deutlich genug, was ein poetischer Geist, was eine edle Art zu denken, und ein feuriger ungemeiner Ausdruck sey. Dieß ist die Sprache der Poeten, dadurch sie sich von der magern profaischen Schreibart unterscheiden. Man versuche es, und zertrenne auch hier das Sylbenmaaß; man verstecke die Reime, wie man will: es wird doch ein poetischer Geist daraus hervorleuchten. Daß aber diefes die rechte Probe des poetischen Geistes sey, das lehrt uns Horaz, der in der IV. Satire des I. B. ausdrücklich sagt: daß seine und Lucils Verse nichts poetisches mehr an fich behielten, so bald man durch die Versehung der Worte ihnen das Sylbenmaaß genommen. Weit anders verhalte es sich mit dem Ennius, der die poetische Schreibart in seiner Gewalt gehabt. Denn wenn man gleich die Worte: Nachdem die scheußliche Zwietracht die eisernen Pfosten und Thore des Krieges erbrochen, noch so sehr versehen wollte so würde man doch allezeit die Glieder eines zerlegten Poeten darinn antreffen. Es ist werth, daß ich das lateinische davon herseße. Ich muß nur erwåh, nen, daß Horaz durch diese Anmerkung erweisen wollen, eine Satire verdiene nicht den Namen eines Gedichtes. Denn kurz vorher hatte er sich ausdrücklich aus der Zahl der Poeten ausgeschlossen, in so weit er nur ein Satirenschreiber

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*Non fatis eft puris verfuin perfcribere verbis,

Quem fi diffolvas, quivis ftomachetur, etc.

His, ego quæ nunc; Olim quae fcripfit Lucilius, eripias fi Tempora certa modosque, & quod prius ordine verbuin eft,

*

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schreiber war.

Ein Poet muß also einen großen Wig, einen göttlichen Geist und einen eṛhabnen Ausdruck haben, wenn man ihn mit diesem Namen beehren soll. Da ich nun diese Lehren schon vor mehr als zwanzig Jahren gegeben habe: so urtheile man, ob diejenigen Tadler recht haben, die mir Schuld geben wollen, ich wollte in Gedichten nur eine abgezählte und gereimte Prosa leiden.

6. §. Und freylich zeiget sich der Wiß eines Poeten hauptfächlich in der glücklichen Erfindung verblümter Redensarten. Denn ist derselbe eine Kraft der Seelen, das Aehnliche leicht wahrzunehmen: so merket man, daß in jedem uneigentlich verstandenen Worte ein Gleichniß stecket, oder sonst eine Aehnlichkeit vorhanden ist, weswegen man eins für das andere feßt. Das belustiget nun den Leser eines solchen Gedich tes. Er siehet nicht nur das Bild, darunter ihm der Poet eine Sache vorstellet, sondern auch die Absicht desselben, und die Aehnlichkeit zwischen beyden: und da sein Verstand auf eine fo angenehme Art mit so vielen Begriffen auf einmal beschäfftiget ist; so empfindet er nicht nur wegen der Vollkommenheit des Poeten, deffen Schrift er lieft, ein Vergnügen; fondern er belustiget sich auch über seine eigene Scharfsinnigkeit, die ihn fähig macht, alle Schönheiten des verblümten Ausdruckes, ohne Mühe zu entdecken. 3. E. Amthor schreibt auf der 125. Seite:

Jht schwindet allgemach,

Der Schatten lange Nacht, und läßt der Thürme Zinnen
Ein frohes Morgengold gewinnen.

Der alte Nordwind giebt dem jungen Sephir nach:

Die Erde wird der lüstern Sonnen Braut,

Die ihren Bräutigam stets nåher treten schaut.
Sie schmückt sich schon zur neuen Hochzeitseyer:
Weil Phobus ihren Wittwenschleyer,

*Primum ego me illorum, dede

rim quibus effe Poetas, Excerpam numero: nec enim concludere verfum, Dixeris effe fatis; neque fi quis fcribat uti nos,

Den

Sermoni propiora, putes hunc esse

poetam, Ingenium cui fit, cui mens divinior, atque os Magna fonaturum, des nominis hujus honorem.

Den Schnee und Eis ihr umgethan,

Aus heißer Brunst nicht ferner dulden kann.

Diese Stelle kann für ein Muster des guten verblümten Ausdruckes angesehen werden. Das frühe Morgengold auf den Zinnen der Thürme, ist das goldfarbigte Licht der Morgenrothe, und der hervorbrechenden Sonnenstralen, die sich an den Thurmspißen zuerst zeigen. Der Nordwind wird, seiner Kålte halber, einem alten Manne, und der warme Zephir einem Jünglinge verglichen. Die Erde wird wegen ihres Pußes im Frühlinge, als eine Braut, und die Sonne, als ihr lüsterner Bräutigam vorgestellt: weil sie so unverwandt nach derselben ihre Stralen schießt, als es ein verliebter Freyer bey seiner Liebsten zu thun pflegt. Der Schnee' des vergangenen Winters, muß endlich, seiner Farbe halber, einen Wittwenschleyer abgeben, den die brünstige Sonne ihr vom Angesichte ziehen will. Wer hier nicht den Reichthum eines poetischen Wißes wahrnimmt, der muß gewiß keinen Geschmack an schönen Dingen finden können.

7.S. Ein jeder sieht aber von sich selber wohl, daß hier fast nichts anders, als die Metaphore vorgekommen, welche sonst, bey den Lehrern der Redekunst, die erste und hauptsäch lichste Gattung verblümter Redensarten ist. Diese war auch den Alten, z. E. dem Ariftoteles, einzig und allein bekannt, und die übrigen hat man erst nach der Zeit angemerket. Cicero nennt die Metaphore Translatio; beyde Wörter haben eine sehr allgemeine Bedeutung, und schicken, sich auch so gar für die Metonymie, Synekdoche und Ironie. Deutsch müßte man sie eine Versehung, oder einen Wechsel nennen; denn dieses drückt die Natur der Sache ziemlich aus: die Metonymie aber, als die andre Gattung verblümter Redensarten, könnte eine Namenånderung heißen. Doch wir müssen sie alle nach der Ordnung durchgehen, und mit Erempeln aus unsern Poeten erläutern. Ich kehre mich also an die stolzen Kunstrichter nicht, die es für eine zu geringSchäßige Arbeit halten, sich mit Registern von Tropen und Figuren aufzuhalten. Man sieht es nämlich aus ihren eige R 4

nen

nen Schriften wohl, daß sie sich mit den Regeln und deutli chen Begriffen dieser Zierrathe der guten Schreibart, nichts zu schaffen gemacht; indem sie kein Maaß und keine Regel darinn zu halten wissen. Ihr Erempel also soll uns eher behutsam, als nachläßig in diesem Stücke machen.

8.S. Die Metaphore ist also eine verblümte Redensart, wo man anstatt eines Wortes, das sich in eigentlichem Verstande zu der Sache schicket, ein anderes nimmt, welches eine gewisse Aehnlichkeit damit hat, und also ein kurzes Gleichniß in sich schließt. Zum Erempel, Flemming schreibt in einer Obe auf der 363. S. die demantenen Gewässer, und bald hernach gedenket er der buhlerischen Sterne. Wir haben schon oben die verwachte Rose, die taumelnden Cypressen, die gefunden Schatten und schlummernden Gewächse aus eben diesem Poeten angeführet. Dieses sind lauter metaphorische Ausdrückungen. Im eigentlichen Verstande hätte man sagen müssen: die klaren Gewässer, die blinkenden Sterne, die verwelkte Rose, die hin und her wankenden Cypressen; die kühlen Schatten; und die ruhigen Gewächse. Aber der Poet führet uns durch seine geistreiche Beywörter auf ganz andere Begriffe. Die allernächsten Wörter sind ihm zu schlecht: er holet sich von weitem ganz ungemeine Gedanken her, die sich aber zur Sache schicken, und dem Verstande sehr angenehme Bilder machen, wenn er die Aehnlichkeit derselben einsieht. Eben dergleichen finde ich in Pietschens Hochzeitode auf Prof. Bayern in Pe= tersburg, meinen nunmehr feligen Freund, sehr häufig. 3. E. in dieser Strophe:

Die holden Wangen deiner Braut,
Muß eine keusche Röthe färben,
So, wie man sonst den Himmel schaut,
Wenn die verlebten Tage sterben.
Des Jungferstandes letzter Schein,
Ist ein nicht fehlender Prophete,
Der Tag wird heiß und heiter seyn,
Nach einer schönen Abendrothe.

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