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fen der Gebüsche, und im fünften das lindeste Saufen der Lüfte nachgeahmet; aber fe, daß es scheint, als ob es von ungefähr gekommen wäre.

21. §. Aus einzelnen Wörtern werden Redensarten, wenn man sie zusammen seßet, und seine Gedanken dadurch ausdrücket. Zu den Nennwörtern.rechnet man nur insgemein die Bepwörter, die in gebundner und ungebundner Rede von großer Wichtigkeit sind, und also eine besondere Abhandlung erfodern. In der That besteht eine große Schönheit der poetischen Schreibart, in wohlausgesuchten und wohlangebrachten Beywörtern. Es kann auch ein Dichter viel Wig und Urtheil, aber auch eben so viel Einfalt und Thorheit blicken lassen, nachdem er dieselben wohl zu brauchen weis, oder nicht. Ein gutes Beywort erhebt oft eine ganze Zeile, und macht einen sonst gemeinen Gedanken neu und scheinbar. Ein niedriges oder ungeschicktes hingegen, schlägt den besten Vers nieder, und verderbet auch den schönsten Einfall zuweilen. Es ist also wohl nöthig, etwas aus-. führlicher davon zu handeln.

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22. §. Die Beywörter an sich bedeuten theils die Eigenschaften der Dinge, die ihnen allezeit beywohnen; theils auch nur die zufälligen Beschaffenheiten. 3. E. Die heiße Glut, der gelinde West. Da ist die Glut immer heiß, sowohl als das Wasser immer naß ist: der Westwind aber ist nicht allezeit sanft, sondern auch zuweilen ungestům. Nun fragt sichs, in welchen Fällen man Beyworker von jener, oder dieser Art brauchen müsse? Von der ersten Gattung könnte man denken, daß sie ganz überflüssig seyn würden : denn es scheint nichts gesagt zu seyn, wenn man spricht, der runde Zirkel, die weiße Kreide, der harte Stein 2c. Allein man betrügt sich ein Poet kann auch diese Art der Beyworter nicht entbehren. Er will oft seinem Leser oder Zuhörer die Sachen von einer gewissen Seite zu betrachten geben. Sagte er nun den bloßen Namen derselben nur allein: so würde man zwar an die ganze Sache überhaupt, aber nicht

an die Eigenschaft insbesondere gedenken, die der Poet erwogen haben will; oder sich doch dieselbe nur dunkel vorstellen. Denn ein Ding hat viele Eigenschaften, die uns nur verwirrt in Gedanken schweben, wenn wir nichts als seinen Namen hören. 3. E. Der Stein ist dicht oder locker, hart oder weich, schwer oder leicht, dauerhaft oder mürbe und zerbrechlich, leblos, unbeweglich u. f. w. Weil aber in diesem oder jenem Falle der Leser seine Gedanken nur auf eine oder die andere Eigenschaft richten soll, um des Poeten Meynung zu verstehen: so muß ein Beywort daben stehen, dadurch er dazu veranlasset werden kann. 3.E.

Da steht er, wie der todte Stein,
In den sich Loths Gemahl verkehret.
Oder: Wenn Sysyphus den schweren Stein
Mit hochbemühten Armen wälzet 2c.

Oder: Ein dichter Stein wird durch die Flammen
Zu Kalk und Aschen ausgebrannt x.

Oder: Schreibt sein Lob in festen Stahl,
Grabt es in die hårtften Steine 2c.

Oder: Die Rabenmutter war ein unbewegter Stein:
Es schien die harte Brust ein wilder Fels zu seyn,
Der keine Fühlung hat.

23. S. Aus dieser einzigen Anmerkung wird man schon zur Gnüge die Regel abnehmen können: daß kein Beywort in der Poesie vergebens, oder nüßig da stehen müsse. Ganze Zeilen mit Beywörtern anzufüllen, die nichts, oder doch sehr wenig zur Absicht des Poeten beytragen, das zeigt keis nen sonderlichen Verstand; aber wohl eher eine Armuth in Gedanken an. Ordentlich soll auch kein Wort mehr, als ein Beywort haben, welches sich zur Sache schicket, und entweder zum Verstande unentbehrlich ist; oder doch einen besondern Zierrath abgiebt, indem es eine angenehme Vorstellung bey dem Leser erweckt, dadurch er lebhaft gerühret und desto mehr eingenommen wird. Das zeigt also mehren

theils einen Mangel an Einfällen, wenn man so lange aller ley Beywörter zusammen raffet, bis ein ganzer, ja zuweilen wohl gar etliche Verse damit vollgestopfet worden. Wie würde das klingen?

Der große, gütige, gerechte, liebe Gott,

Kann böse, fündige, verderbte Menschen leiden zc.

So alend dieses klingt, so breit machen sich wohl gewisse neuere, die in Beschreibungen ihre poetische Stärke suchen, mit ihren langgedehnten und aufgehäuften Beywörtern. Man nehme ihnen diefelben weg, so streicht man drey viertel von ihren Versen aus, und es bleibt ihnen kaum die Hälfte von ihren Gedanken übrig. Ranit, hat diesen Fehler an den hochtrabenden Beschreibungen des Gewitters bemerket, und verspottet:

Der donnerschwangre Dampf beschwärzt das Luftrevier;
Der Stralbeschwänzte Bliß bricht überall herfür;

Der grause Donner brüllt, und spielt mit Schwefelfeilen:
Der Leser wird betrübt, beginnet fortzueilen 2c.

24. S. Hiernächst sind die Beywörter entweder gemein," so daß sie einem jeden einfallen; oder sie sind neu und unver muthet. 3. E. Wenn einer ein Frauenzimmer schön nens net, so ist nichts gemeiner, als dieß Beywort; obwohl die Sache so gemein nicht ist. Wenn aber Opitz ein paar von feinen Buhlschaften beschreiben will, so hat er ganz andere Beywörter, die er ihnen giebt.

Die fittsamen Geberden,

Die geile Höfligkeit, der abgeführte Sinn,
Und was mich sonsten hielt, ist alles mit ihr hin.
Dann hat mich endlich auch in Dacien gefangen
Die lange Vandala. Jht, da ich ihr entgangen,
Und die Begierlichkeit mich wenig meistern kann;
Steckt Flavia mich noch durch neues Feuer an,
Die wilde Flavia mit ihren schwarzen. Augen.

Mich důnkt, ein jeder wird hier leicht gewahr werden, was diese so besondern Beywörter dem ganzen Verse für einen

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ungemeinen Geist und Nachdruck geben: den sie von andern bekannten und oft gebrauchten, nimmermehr hätten erwarten können. Simon Dach, in seiner Ode, auf die Geburt eines preußischen Prinzen 1648. schreibt:

Was? der brückenreiche Pregel

Hebt durch Flaggen, Mast, und Segel
Sein beschilftes Haupt empor 2c.

Und bald hernach:

Bachys o Kind! die grünen Wälder
Und die Frucht der schwangern Felder
Wächst zum Wohlgefallen dir.

In einem andern Gedichte finde ich bey ihm, die fruchtbes schwerten Aeste, ein starkbeeiftes Haar. Dem Pregel giebt er im Winter, einen harten Rücken; dem Churfürsten Friedrich Wilhelm, ein ahnenreiches Haus.

25. §. Flemming ist in dergleichen Künsten noch fast erfahrner gewesen. Er beschreibt in einer Ode eine Frühlingsnacht folgender gestalt:

Alles braucht sich seiner Ruh.
Sehet, wie die Saat sich bucket!
Die verwachte Rose nicket,
Und thut ist ihr Auge zu.
Und die taumelnden Cypressen
Haben ihrer selbst vergessen.

Die gekühlte Luft schleicht aus
Und haucht auf die trocknen Matten,
Thauende, gesunde Schatten:
Und das frohe Sternenhaus

Geußt den schlummernden Gewächsen,
Neue Kraft in ihre Flechsen.

Alle diese Beywörter sind so auserlesen und finnreich, daß ich mich nirgends entsinne, was schöners in dieser Gattung ge funden zu haben. Weil sie aber fast alle gleichnißweise zu verstehen sind, so gehören sie eigentlich nicht in dieses HauptStück. Imgleichen in seinen langen Versen, ist ein großer

Vorrath

Vorrath davon. Auf der 60. S. stehen, der böse Krebs, der grimme Eifer, die lose Welt, der böse Himmel, die freyen Sinne, eine linde luft, darauf folgt:

Der himmelreiche Plato,

Der frische Seneca, der weisheitvode Cato,

Die haben ihn zuvor durch sich beherzt gemacht,
Daß er in dickster Angst, als höchster Wollust lacht,
Wenn aller Pöbel weint.

Was könnte ich nicht noch aus Tscherningen, Risten, Siebern, Franken, Schochen, und Kanigen, als den besten Geistern des vorigen Jahrhunderts, für schöne Proben anführen, wenn es nöthig wäre? Doch es ist Zeit auf das ißige zu kommen.

26. §.. Eben so glücklich in Beywörtern ist Amthor, 3. E. auf der 187. S.

Der Nordwind hat der Bäume Zweigen

Den grünen Vorhang abgestreift:

Die kablen Gipfel stehn bereift,

Des Jahres Alter anzuzeigen.

Das Laub entfleucht der kalten Luft,
Und suchet die beliebte Gruft:
Vieleicht nur in den stillen Gründen,
Vor ihren Stürmen Schuß zu finden.

Das ist die erste Strophe von einer Hochzeitode: in den andern finde ich noch das leichtbedeckte Vogelbeer, laue Sümpfe, warme Nester, viergefüßte rauche Schaaren, neu gepußte Waffen, ein reichbehaarter Balg, der erstarrte Körper, mit weicher Hand ein hartes Eisen (den Ofen) befühlen; todte Funken, eine lindgemachte Glut, ein holdbelebter Schooß, in seinen federweichen Grüften, ein froher Schlummer, die kalten Schatten, ein frostig Weh, der weiße Liebesschnee, keusche Lüste, die geschloßne Decke, ein starrer Leib, die geweihten Anmuthsflammen, immerfrisches Del, ein helles Tugendlicht, u.f.w. Was könnte man nicht noch aus Beffern, 2.5

dem

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