Mein Parnaß ragt hier hervor; Ja man sieht noch hier erheben, worinnen man fast von allen obigen Regeln zulängliche Erempel antreffen und zugleich sehen kann, daß in der ersten Endung, oder im Nennfalle kein Geschlechtswort nöthig ist. Hergegen in den andern Fällen würde es wunderlich klingen, wenn man sagen wollte, Phyllis Hand, an Phyllis, gib es Phyllis', von oder mit Phyllis; wie einige neuere so verstümmelt schreiben wollen. Hier fehlen überall die Artikel zur Deutlichkeit. 13. §. Was die neuen Wörter anlanget, so fraget sichs, ob man dergleichen machen könne oder dörfe? Man versteht hier durch neue Wörter, entweder ganz neue Sylben und Tóne, die man sonst in unserer Sprache nicht gehöret hat, oder nur eine neue Zusammenseßung alter Sylben und Wörter, die nur auf diese neue Art noch nicht verbunden worden. Die lateinischen Poeten haben dergleichen neue Wörter zuweilen mit gutem Glücke gewaget. 3. E. Horaz brauchet, tergeminis, decertare, diffociabilis, depræliantes, dereptus, irruptus, u. d. gl. Doch da ich in seinen ersten XV. Oden nicht mehr, als diese sechs finden kann, so sieht man, wie bescheiden er damit umgegangen. In den folgenden Zeiten aber, als Geschmack und Wig in Rom aus der Art schlugen, ist man viel verwegener damit geworden: wie Seneca, Lucan und Claudian zeigen. Ob dieses auch im Deutschen möglich sey, daran ist wohl kein Zweifel: ja es ist bey uns viel möglicher und leichter, als im Italiånischen und Französischen; weil unsre Sprache mehr Aehnlichkeit mit der alten griechischen hat, als alle heutige europäische Spra Sprachen. Diese aber war überaus geschickt, durch die 14. §. Ob unsre Muttersprache es auch so weit bringen. könnte, das haben die Pegnißschäfer und Zesianer nicht unverfuchet lassen wollen. Die ersten hießen ihren nürnbergischen Strom, die holdrinnende und würbelfriedige Pegnitz; Ihre Geister, hochsteigend feuerbrünstige Geister; den Ton ihrer Flöten, der schleifenden Pfeifen luftschlir. fendes Tonen; Ihre Wiesen: die von der kunstahmenden Natur hügelartig erhobenen schamarirten Wasen; Ihre Schafe, die wolligten wollenbehåres ten Heerden; Die Ziegenböcke, die mit zorrigten Bårten bebarteten Böcke u. d. al. Fiengen sie aber gar an, die Natur gewisser Dinge mit ihren neuen Wörtern nachzuahmen; so waren sie ganz unvergleichlich. Z. E. Es tirdilir, dirdilir, dirdirlirliret die Lerche, Es klappern und pappern und blappern langbeinigte Störche, Es wallt das Fluthgelall, die schnellen Wellen schwellen, Noch Noch was schöners, dergleichen nicht immer vorkommt. Des Krüppels Krükkenstock krokkt, grafkeit, humpt und pakkt, Des Gukkuks Gukken troßt den Frosch und auch die Krüffe, Was knifft und knakkt noch mehr? Kurz, hier mein Reimgeflikke. Alle diese Blümchen sind aus Rlays Pegnitzschäferey ent= lehnet. 13. §. Eben dieser Gesellschaft Oberhaupt, Floridan genannt, konnte die Kunst eben so gut. In seiner selig ent feelten Margaris Lieb- und Lobandenken, so er im Pegnitzgefilde bey frölicher Frühlingszeit traurig angestimmet, heißt gleich der Anfang des ersten Trauers hirtenspiels so: Das schöne Himmelblau lacht von den Bogenschanzen, Also sagte und klagte (wie es ferner heißt) der betrübte Schäfer Floridan, von seinem gewöhnlichen Lustwandelweg sich an der Pegniß forttragen lassend. Seine Sinne schwarzeren in die Wette mit seinen Kleidern 2c. Seine Wangen und Augen hatten die Farben gewechselt :c. Er öffnet ein paar Thrånenbrunnen 2c. Aus ihrem Schmers zensthau und Herzregen lässet er die ihm damals viel zu goldne Sonne, Wolken machen, und den schwarzen Himmel mit saphirnen Cartinen verhängen 2c. Hernach redet er die Bächlein poetisch an, und will sich mit ihrer Lust belüsten. Entweiche Nachtigall, Du süsse Baumsiren! Sing dort in jenem Thal Die Federbuhlen an. _Mich sollen Wüstencyen Mit ihrem Eulgeheul hörn in die Wette schreyen. Indem hernach eine Lerche über ihm tirilirer, bildet er sich ein, fie ruffe: Margaris, Margaris, Margaris 2c. weis aber nicht, ob er von dieser geflügelten Luftharfe gehöh net oder getröstet wird. Doch erinnert er sich dabey seiner unter den himmlischen Engellerchen schwebenden gott Lobenden Margaris 2c. 20.. 16. §. 16. §. Was könnte ich nicht aus Zefens Schriften für treffliche Proben anführen? Ich dörfte nur seinen hochdeutschen helifonischen Rosenthal, bas ist, der höchstpreiswürdigen deuschgesinnten Genossenschaft erster oder neunstämmiger Rosenzunft Erzschrein, durchblättern, und alle die seltsamen Misgeburten von Wörtern und Redensarten, die er ausgehecket hat, anmerken; oder auch feine helikonische Hechel ein wenig nachschlagen, die in dem VII. Bande der kritischen Beyträge im XXVII. Stücke beleuchtet worden. Allein das obige kann genug seyn, die Art dieser Sprachkünstler und Worthelden kennen zu lernen. Nichts mehr ist zu bewundern, als daß selbst Opig, bey so vieler Einsicht in die Natur unsrer Sprache, sich durch das Exempel der Holländer zu einer gar zu großen Kühnheit verleiten lassen. Er überseßt z. E. aus Heinsens Poesien folgende Zeilen von Wort zu Wort, die dem Weingotte zum Lobe gereichen: Nachtlånfer, Hüftesohn, Hochschreyer, Lüftenspringer, Eben dergleichen neue Namen und Wörter findet man in seinem Lobe des Kriegsgottes Mars, und an andern Orten. Er hat z. E. die Nacht eine Rummerwenderinn u. d. m. genennet; welches endlich so übel nicht klinget, als die vori= gen, und also schon zu dulden wäre. Seine Nachfolger, 4. E. Lohenstein u. a. m. haben sich auch zuweilen großer Freyheiten bedienet, die ich keinem nachzuahmen rathen wollte: ob sich gleich vor kurzem einige Verderber des guten Deutschen gefunden, und jungen Leuten ein böses Erempel gegeben haben. 17. §. Sonderlich hat man sich bemühet, alle Wörter, die nur einigermaßen dem Lateine ähnlich waren, oder wirklich daraus herstammeten, auf eine wunderliche Art zu überseßen: gerade, als wenn die Lateiner vormals alle griechische Namen oder oder dergleichen andre entlehnte und hergeleitete Wörter so heftig verabscheuet håtten. Daß man sich bemühet, alles, was sich deutsch geben läßt, deutsch auszudrücken, das ist allerdings löblich. Unsere Sprache ist weder so arm, als fich einige, die nicht viel Deutsches gelesen haben, einbilden; noch so ungeschickt, daß man nicht auch neue bequeme Wörter dar inn bilden könnte, selbst die Kunstwörter der meisten Wissenschaften zugeben; wie man seit zehn oder zwanzig Jahren gesehen hat. Allein Dinge, die keinen andern Namen haben, als der aus einer fremden Sprache genommen ist, umzutaufen; und dadurch unverständlich zu werden: das ist gewiß tadelhaft. Denn gefeßt, daß Nase von Nafus, Ohr von Auris, Arm von Armus, Fenster von Feneftra, Tisch von Difcus, Fisch von Piscis, Wind von Ventus, Spiegel von Speculum, Glas von Glacies, Fuß von 785, Thüre von Juga, Thier von Ingiov, Maus von uus, Vater von πατης, Sutter von μητερ, Syron son θρονος, Sicce von nugiann, herstammete; so vieler andern Wörter zu geschweigen, die ganz fremde sind, als Kaiser, Körper, Kamin, Kammer, Kloster, Kanzel, Mönch, Prinz, Provinz, Natur, Tempel, Exempel, Register, Magister, Doctor, Titel, Capitel, Bibel, Prophet, Evangelist, Apostel, Epistel, u. d. m. so haben doch diese und dergleichen Wörter eben dadurch, daß fie allgemein geworden, und auch von dem Póbel verstanden werden, das deutsche Bürgerrecht erhalten; so, daß man sich lächerlich machen würde, wenn man sie ganz verbannen wollte. Rachel hat sich abermal nicht enthalten können, diese Hirsenpfriemer, wie er sie nennet, lächerlich zu machen. In seiner oft angezogenen Satire heißt es: Auch sich dich eben vor, daß deine Arbeit nicht, Ein Gastmahl angestellt. Die Weidinn gab das Wild, 1 Der |