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Unterscheid zu machen. Weil sie das niedrige fliehen, fo versteigen sie sich über alle Wolken.

Profeffus grandia, turget,

sagt Horaz von solchen schwülstigen Geistern. Sie ersinnen sich von den gemeinsten Sachen seltsame Redensarten, die alles mehr verdunkeln als erheben. Dadurch suchen sie die Einfältigen zu betrügen, daß sie hinter dem Nebel umverständlicher Worte, wer weis was schönes, zu sehen glauben ; da es doch die schlechteste Sache von der Welt ist. Es ist ein anders, hochtrabend schreiben; ein anders aber, sich im Kothe wälzen. Das Mittel ist das beste.

8. §. Doch sind die gemeinen Wörter auch nicht ganz zu verwerfen. In gewissen Gattungen der Gedichte, wo das Natürliche mehr herrschen muß, würde es ein Uebelstand feyn, lauter gesuchte Ausdrückungen zu brauchen. 3. E. In einem Schäfergedichte, Briefe, zärtlichen oder luftigen Liebesliede, imgleichen in einer Satire oder Komödie, find die gewöhnlichsten Wörter gemeiniglich die besten. Die Urfachen davon werden in den besondern Regeln von diesen Gattungen vorkommen. So gar die ganz niederträchtigen und pöbelhaften Wörter können einem Poeten nicht ganz verbothen werden, wenn sie nur nicht wider die Ehrbarkeit laufen. Er muß ja zuweilen dergleichen Personen redend einführen, die gewiß auf keine andere Art ihre Gedanken von fich geben können. Der berühmte Spanier, Cervantes, hat dieses sehr wohl beobachtet, wenn er seinen Sanscho Pansa, als ein Bauerkerl, ganz abgeschmackt, und in lauter båurischen Sprüchwörtern reden läßt. Alle Wörter aber, die Unflåtereyen bedeuten, alles was wider den Wohlstand läuft, alies was guten Sitten zuwider ist, das muß der Poet auch bey den allerniedrigsten Ausdrückungen zu vermeiden wissen: wie in den Anmerkungen zu Horazens Dichtkunst schon erwiesen worden. Ich weis also nicht, ob Rachel allemal zu entschuldigen seyn wird, wenn er sich in feinem satirischen Eiser so sehr herunter läßt, daß er sich

auch

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auch schmußiger Redensarten bedienet. 3. E. in feiner Satire vom Guten und Bösen, heißt es bald anfangs:

Woher hast du, o held, den Ursprung doch genommen,
Du bist der Mutter, traun! nicht aus der Tasen kommen,
Wie ein gemeiner Rotz.

Doch was man dem vorigen Jahrhunderte noch übersehen könnţe, das würde in dem ißigen unerträglich seyn.

9. §. Unter die üblichen Wörter möchte mancher auch wohl die ausländischen, fonderlich lateinischen und franzó, fischen rechnen wollen: weil nåmlich nichts gewöhnlicher ist, als dieselben mit in unsere Sprache zu mischen, wenn wir reden. Dieses Uebel ist auch so neu nicht, als man wohl denken sollte, fondern schon vor hundert und mehr Jahren, hat sich Opig in seiner deutschen Poeteren darüber beschweret. So steht es auch zum heftigsten unsauber, schreibt er, wenn » allerley lateinische, französische, spanische und wälsche Wör ,, ter in den Tert unserer Rede geflickt werden; als wenn » ich sagen wollte:

"

"

Nehmt an die Courtoifie und die Devotion,

Die euch ein Chevalier, ma Donna, thut erzeigen,
Ein handvoll von Favor petirt er nur zu Lohn,

Und bleibet euer Knecht und Serviteur ganz eigen.

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Wie seltsam nun dieses klingt, fährt er fort, so ist nichts ,, destoweniger die Thorheit innerhalb kurzen Jahren so ein,, geriffen, daß ein jeder, der nur drey oder vier ausländische „Wörter, die er zum öftern nicht versteht, erwischt hat, bey ,, aller Gelegenheit sich bemmihet, dieselben herauszuwerfen. »» Er erweiset seinen Saß durch das Erempel der lateiner, welche fast kein einzig griechisch Wort in ihre Verse gemischt: ausgenommen wo Juvenal, theils über das römische Frauenzimmer gespotter, die aus Galanterie ihren Buhlern auf griechisch liebkoseten; theils einmal ein gewisses laster, welches er aus Schamhaftigkeit nicht lateinisch nennen wollen, griechisch ausgedrücket hat.

10. §. Seiner Regel sind alle gute Poeten unsers Vaterlandes gefolget, bis einige neuere, als Weise, Philander,

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und

und Amaranthes von der angeführten Reinigkeit abgerichen. Daß aber auch vor diesen noch andere in gleichen Fehler verfallen sind, erhellet daraus, daß verschiedene patriotische Geister ihren Eifer wider die Sprachenmengeren durch die schårfsten Stellen erwiesen haben. Andreas Gryph hat in seinem Horribilicribrifar sowohl diesen Großsprecher, als seinen Gegner Daradiridatumtarides, das Wällsche, Spanische, Französische; den Schulfuchs Sempronius hergegen, das Griechische und Lateinische, auf eine låcher, liche Art ins Deutsche mischen lassen, um andern einen Abscheu davor zu erwecken. Rachel hat sich gleichfalls bemühet, eine so üble Gewohnheit abzuschaffen, und in feiner ofterwähnten Satire, der Poet, folgender Gestalt geschrieben:

Es war ein neu Gespräch allmählich aufgekommen,
Und hatte mit der Zeit ganz überhand genommen :
Daß eine Zunge nur, ein deutscher Mann allein,
Aus nüchterm Munde sprach, französisch, walich, latein.
Und daß der späten Welt die Art nicht mag gebrechen,
So hort doch, wie ich selbst hab einen hören sprechen.
Ein braver Capitain, ein alter Freyersmann,
Hub seinen Mengelmuß mit diesen Worten an:
Ca Maitre! madjet mir en façon der Franzosen,
Für gut contentement ein paar geraumer Hosen.
Ich selber bin mir gram, mir knorrt der ganze Leib,
Daß ich jusqu'à prefent muß leben ohne Weib.
Was hab ich nicht gethan? Was hab ich nicht erlitten,
Cloris! dein amour und Schönheit zu erbitten?

Weil dein Eclat so weit die andern übergeht,
Als wenn ein Diamant bey einem Kiesel steht.
Soleil de notre tems! Auszug aller Tugend!
O himmlischer Trefor! c. c.

Dieß war die güldne Kunst zu reden und zu schreiben:
Nun denk ihm einer nach, wenn dieses sollte bleiben,
So wie der Anfang war, bey jedermann gemein;
Welch eine Sprache sollt in Deutschland endlich seyn?
So hat die Barbarey sonst das Latein zerstücket,

Und Gothisch, Wendisch, Deutsch mit Macht hineingeflicket.
Dadurch kam allererst der Mischmasch auf die Welt,
Den Frankreich, Wätschland selbst und Spanien behält.

Der

Der Gentleman hat auch sein Theil davon bekommen,
Ein Wortlein hier und dar, von allem was genommen:
Und eben dieses war den Deutschen auch geschehn;
Wenn nicht mit allem Ernst da wäre zugesehn,

Der Lapperey gewehrt, das gute Deutsch erzwungen, Das nichts erbettelu darf von fremder Völker Zungen 2. 2. Er fährt noch weiter fort, und stellet so gar einen Geistlichen vor, der das Evangelium vom Hauptmanne zu Kapernaum in einer neumodischen Sprache auf der Kanzel vorgetragen, welches wohl werth ist, gelesen zu werden. Dieser Rachel selbst ist in diesem Stücke so gewissenhaft, daß er in der Vorrede zu seinen zehn Satiren (in 12. vom 1700. Jahre) ausdrücklich erinnert; daß er zwey oder drey lateinische, vieleicht auch so viel französische Wörter mit eingeschoben, nicht unwissend, daß solches im Deutschen kein geringer Solöcifmus ist. Er habe es aber mit Fleiß gethan, derer zu spotten, die sich auf solche Weise hervorthun wollten: wie es auch die Latei ner mit denen gemacht, die halb lateinisch, halb griechisch håtten reden wollen. Was könnte ich nicht noch aus Laurenbergs plattdeutschen Scherzgedichten für Zeugnisse anführen? wenn es nöthig wäre, eine so ausgemachte Sache noch weitläuftiger zu erweisen.

11. §. Ein deutscher Poet bleibt also bey seiner reinen Muttersprache, und behänget seine Gedichte mit keinen geStohlnen Lumpen der Ausländer. Aber wie hält es mit den eigenen Namen der Personen, Städte, Flüsse, Länder und Berge? Diese kann man unmöglich vermeiden. Denn wer kann allen folchen Dingen deutsche Benennungen geben, diedoch verständlich wären? Man läßt also diese Namen, nach Opizens Regel, aus dem VI. Cap. seiner Poeterey, unverán, derlich durch alle Abfälle; und zwar in der Nenn- und Rufendung ohne, in den übrigen Endungen mit dem Geschlechtsworte. 3. E.

Ich will mein Glücke tragen,
So lang ich kann und mag; will sehen auf den Wagen
Der grauen Ewigkeit, durch meiner Leyer Kunst,

Die braune Flavia.

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Opitz.

Nicht

Nicht Flaviam, u. d. m. Zuweilen geht es an, daß man von langen Namen die lehten Sylben weg läßt, und also ein Wort von deutscher Endung draus macht. Als z. E. Homer, Herodot, Plutarch, August, Virgil, Lucian, Terenz, Ovid, Marin, u. s. w. w. Alsdann lassen sich bey den meisten auch die Veränderungen der Abfälle machen, z. E. Homers Gedichte, Herodots Historie, Plutarchs Schriften, Lucians Spöttereyen .c. Kann man aber durch die Endung nicht alle Abänderungen andeuten, wie es z. E. mit der Gebendung und Klagendung zu gehen pflegt; so seht man den Artikel vor, dem Herodot, den Homer, u. f. f.

12. §. Ben etlichen aber will auch das erste nicht angehen. Als bey Terenz und Horaz kann ich unmöglich sagen, des Terenzes, des Horazes: sondern da bin ich genöthiget, entweder die lateinische Endigung, oder die deutsche Verkürzung unverändert zu behalten, und den Abfall durch den Artikel anzudeuten. Gewisse Namen haben an sich schon deutsche Endungen, als Solon, Alexander, Hannibal, u. d. gl. Und diese können ohne alle Aenderung nach Art deutscher Wörter gebraucht werden. Die Endigungen as, es, is, os und us, imgleichen die Namen, die ein a, o, oder einen andern lauten Buchstaben zum Ausgange haben, sind am schlimmsten nach deutscher Art zu brauchen. Den man Fann nicht sagen, Epaminondas's, Sylla's, Prariteles's, Phyllis's, Minos's und Atticus's 2c. berühmte Namen. Die Engellander machens in ihrer Sprache so, und im Deutschen habens einige nachthun wollen; aber noch keine Nachfolger gefunden. Es ist also am rathsamsten, alle die Wörter entweder zu lassen, wie sie sind, und den deutschen Artikel vorzusehen, als des Sylla, dem Cicero, die Phyl. lis 2c. oder den verkürzten Zeugefall der Lateiner, z. E. Ci. cerons, Catons u. d. gl. zu gebrauchen; oder sie nach Gelegenheit gar auf lateinische Art zu verändern. 3. E. Si mon Dach schreibt fast vor hundert Jahren so:

Hier muß sich mit schönen Flüssen,
Hippokrene selbst ergießen.

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