Wenn ichs zuweilen thu? Wer hat mich hier zu schelten? 22. Gedicht. Horaz meynt das Heldengedicht Ilias, welches in lan gen sechsfüßigten Versen geschrieben ift. Nun könnte zwar auch in kur zen oder vermischten Versen ein Hels dengedicht gemacht werden: weil das Wesen desselben in der innern Eins richtung, nicht aber in der Länge der Zeilen besteht. Allein Aristote les hat schon erinnert, daß eine solche Art von Versen lange nicht so maje Rätisch klingen würde, als ein Helbengedicht klingen soll. Im Deutschen müssen wir lange jambische Verse, mit ungetrennten Reimen; oder noch besser, lange trochåische dazu nehmen, wie im Lockenraube und Hermann. Crit. Dichtk. Quis tamen exiguos elegos emiferit auctor, Defcriptas fervare vices, operumque colores, 24. Archilochus erfand. Nicht als wenn vor ihm keine Jamben wåren gemacht worden: denn nach Aristotels Berichte hat schon Homer auf einen gewiffen Margites eine Satire gemacht, die fast aus lauter jambischen Versen bestanden: sondern weil er sich sonderbar damit hervor: gerhan. 25. Sehr geschickt. Weil es nåm lich im Griechischen und Lateinischen, fe wohl als iso im Deutschen, überaus leicht fiel, jambische Verse zu machen; und weil dieses Sylbenmaaß von der natürlichen prosaischen Rede nicht sehr unterschieden ist. 26. Geräusch. Ohne Zweifel das: jenige, welches in den Schaupläßen entfund, wenn viele Zuschauer vor handen waren. Weil nun die ungereimten jambischen Verse faft wie die ungebundene Rede klungen, und doch eine gewisse Anmuth batten: so hörte das Volk desto aufmerksamer zu. Bey uns, und bey den Franzosen machens die Reime, daß unsre poetische Schauspiele von der Prosa gar zu sehr Singu unterschieden sind: denn Italiener und Engländer machen alle ihre Luftspiele und Trauerspiele in ungereime ten Versen, wie die Alten. Von den Opern ist hier die Rede nicht. 27. Der Musen. Im Grundterte Teicht Kalliope seyn; die ihren Sohn keht nur eine Muse, und es soll vieOrpheus, nach der XII. Ode des 1. Buchs Horatii, zuerst singen ges lebret: wiewohl es gewiß ist, daß lange vor dem Orpheus schon Lieder gesungen worden. Namen aller Lieder, und begreift vie28. Oden. Dieß ist der allgemeine lerley Gattungen unter sich; Hymnos, Encomia, Threnos und Bacchica. Die ersten waren geistlich, und den Göttern zu Ehren gemacht; die andern weltlich, und hielten das Lob der Könige, Helden und Sieger ben den griechischen Spielen, in sich; die dritten verliebt, und beklagten die unglücklichen Schicksale der Poeten in der Liebe; die vierten luftig, und wurden beym Trunke gebraucht. Die Hymni hießen auch Pæanes, die En Wer fle zuerst erdacht, ist nicht so leicht zu sagen, Berühmter Helden Preis, der Kämpfer Kranz und Ruhm, Bin ich denn ein Poet? Ich bins nicht; das sey ferne! Was stört mich denn die Scham, daß ich die Kunst nicht lerne? Wo Lust und Armuth herrscht, da schreibt man nicht betrübt: (30) - comia wurden auch Scolia genennet: die Threnos nannte man auch Melos, und die Bacchica hießen auch wohl Dithyrambi, darinnen oft was satis risches vorkam: wiewohl man diese Namen nicht immer so genau unter: schieden hat. Man sehe Scaligers Poetik nach. 29. In jeder Art. Wer die verschiedenen Charactere, der Heldenge: dichte, Elegien, Satiren, Trauerspiele, Lustspiele und Oden nicht zu beobach ten weis, der darf sich nicht rühmen, daß er ein Poet ist. Horaz ist selbst so =bescheiden, daß er sich solches nicht zu schreibt. Man kann leicht sehen, wie wenige deutsche Poeten diese Charactere beobachtet. Opis hat nicht viel Nachfolger gefunden, die, so wie er, in die Fußtapfen der Alten getreten. Man macht Heldengedichte in elegi schen, und verliebte Klagen in bero ischen Versen. Man macht Lobge: dichte in der gemeinen satirischen Echreibart: und die Satire wird bald fo boch, als ein Heldenlied, bald sar in der Sprache des Põbels abBefaffet. Nicht' 30. Betrübt. In tragischen Vere sen soll man nicht von komischen Sa chen reden, heißt es eigentlich. Dawi der verstößt 3. E. Schackespear, der auch in seinem Julius Cåsar, gleich im Anfange einen Schuhflicker mit den niedrigsten plautinischen Possen einführet. Die Komödie aber hat die lås cherlichen Thorheiten des Mittelstan= des vor sich, und fodert also eine uns getünkelte, natürliche Art des Ausdruckes. Die Tragödie hergegen stellt die unglücklichen Schicksale hoher Personen vor, und muß also in erhabes ner und prächtiger Schreibart gemacht werden. Wer dieses vermischet, der verråth seine Unwissenheit. 31. Thyest. Ennius hatte davon ein Trauerspiel gemacht. Es hatte ihm Atreus seine eigene Kinder ge= fotten, und zu essen vorgelegt, die er auch unwissend verzehret hatte. Diese grautame Begebenheit vertritt hier die Stelle aller andern tragischen Faz beln, und zeigt, wie ungereimt es seyn würde, von dergleichen schrecklichen Dingen eine niederträchtige Schreibart zu gebrauchen. 32. Nicht Singula quæque locum teneant fortita decenter. Et Non fatis eft, pulcra effe poëmata; dulcia funto: Triftia mæftum Vultum verba decent; iratuin plena minarum; 32. Nicht jede Schreibart 2c. Diese Regel Horazens ift von großer Wichtigkeit, und erfodert viel Ber: stand und Beurtheilungskraft ben ei nem Scribenten: daher denn viel fältig dawiber verstoßen wird. Z. E. Günther in seiner Heldenode auf den Prinzen Eugen, der bald sehr erha ben; bald wieder höchst niederträchtig schreibt: oder wie in dem vorgedach ten Trauerspiele Schackespears die Schreibart zu niedrig ist. 33. Des Lustspiels Ton erhöhn. Die Natur gewiffer Affecten bringt bochtrabende Redensarten, und einen verwågenen Ausdruck nach dem an: dern hervor. 3. E. der Zorn, davon Chremes in Terentii Komödien ein Beyspiel giebt. Auch Molierens Misantrop kann zum Benspiele dienen. Goll nun ein Zorniger auch in der Komödie natürlich sprechen, so muß man ihn tragisch, das ist stolz und trokig reden lassen. Dieß ist eine Aus: nahme von der obigen Regel. 34. Im Klagen senkt sich 2c. Die Natur der Traurigkeit erfodert Format eine niedrige und gemeine Art der Ausdrückungen. Telephus und Ve leus, sind ein paar Helden in einer Tragödie gewesen, die Euripides ge: macht hat, und worinn er diese beyde vertriebenen Prinzen in einem Bettlerbabite ganz kläglich redend einge führet hat. Sie sind beyde nicht mehr vorhanden. Ampullas 35. Wörterpracht. & fesquipedalia verba. Das erste geht auf die hohen Gedanken, das an: dre auf die langen zusammen geseßten Wörter, dadurch sonderlich im Griechischen die Schreibart erhoben wurde. Beydes würde in dem Munde eines Traurigen sehr seltsam klingen. 36. Bezaubern. Schöne Worte machens noch nicht, daß ein Gedicht schön ist: es muß auch durch den Inhalt einnehmen, bewegen, entzücken, ja fast gar bezaubern. Alle poetische Blümchen, aller Zibeth, Mosch und Ambra, Nectar und Ambrosia sind vergeblich; alle Rosen und Nelken, Lilien und Jasminen sind umsonst; aller Nicht jede Schreibart kann auf jeder Stelle stehn, (32) Laß deine Lieder nicht nur schön und zierlich seyn, So schläft man drüber ein, und du wirst ausgelacht. (38) Der Scherz spricht frech und geil, der Ernst mit krauser Stirnen. aller Purpur und Marmor, alles Gold und Helfenbein, machen nichts: wenn die innerliche Beschaffenheit der Gedanken nicht das Herz rüh ret, die Affecten rege machet, und das Gemüth des Lesers oder Zu schauers, in Schauspielen oder im Lesen, nach Gefallen hin und her treibt. 37. So zeige du mir erst. Die fe Regel geht auch die prosaischen an. Cicero hat in seinem andern Buche vom Redner weitläuftig genug davon gehandelt. Es ist unmöglich, die Af: fecten andrer Beute zu rühren, wenn man nicht selbst dergleichen an sich zeiget. Polus, ein römischer Komo biant, follte die Elektra vorstellen, die ihren Bruder beweinet. Weil ihm nun eben sein einziger Sohn geftor, ben war, so bolte er dessen wahrhaf ten Aschenkrug auf die Schaubühne, und sprach die dazu gehörigen Verse mit einer so kräftigen Zueignung auf fich selbst aus; daß ihm sein eigner Verlust wahrhafte Thränen auspreß te. tnd da war kein Mensch auf dem Der lase, der sich der Thränen hätte enthalten können. Man sehe auch das 18 Kapitel von Aristotels Poetik nach. 38. Ausgelacht. So geht es gemeiniglich denen, die kein Geschick haben, eine Sache dem gehörigen Affecte nach auszusprechen, und alles in einem Tone herbetben. Man kann es、 nicht glauben, daß es ihnen ein Ernst sen; und also rühret es auch nicht. Zum Demosthenes kam einer, und verlangte von ihn, jemanden anzuklagen, der ihn geschlagen hätte. Er erzählte aber solches sehr kaltsinnig; so, daß Demosthenes es nicht glauben konnte. Er machte ihm daher viel Einwürfe: es könnte unmöglich seyn, daß er geschlagen worden; denn be leidigte Leute pflegten mit größerer Bewegung zu reden, als er: bis jener sich endlich erzürnete, und mit großer Heftigkeit und kläglichen Worten seine Klage zu wiederholen aufing. Nun mehr glaube ich dir, gab der Redner zur Antwort: denn so pflegt ein Bes leidigter zu sprechen. B 3 39. Der |