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Ehegattinn etwas zu thun geben: fo würde die Fabel zu einer Tragödie lang genug werden, und sowohl einen Abscheu gegen Achabs Ungerechtigkeit, als ein Mitleiden gegen den unschuldig leidenden Naboth, erwecken. Die besons dern Regeln des Trauerspiels werden gleichfalls im II. Theile in einem eigenen Hauptstücke vorkommen.

26. §. Endlich folgt die epische Fabel, die sich für alle Heldengedichte und Staatsromane schicket. Diese ist das vortrefflichste, was die ganze Poesie zu Stande bringen kann, wenn sie nur auf gehörige Art eingerichtet wird. Ein Dich. ter wählt also dabey in allen Stücken das beste, was er in seinem Vorrathe hat, ein so großes Werk damit auszuschmüc. fen. Die Handlung muß wichtig seyn, das ist, nicht einzelne Personen, Häuser oder Städte; sondern ganze Lånder und Völker betreffen. Die Personen müssen die ansehnlichsten von der Welt, nämlich Könige und Helden und große Staatsleute seyn. Die Fabel muß nicht kurz, sondern lang und weitläuftig werden, und in dieser Absicht mit vielen Zwischenfabeln erweitert seyn. Alles muß darinn groß, felt= fam und wunderbar klingen, die Charactere, die Gedanken, die Neigungen, die Affecten und alle Ausdrückungen, das ist, die Sprache oder die Schreibart. Kurz, dieses wird das Meisterstück der ganzen Poesie. Aus dieser Ursache werde ich also meine obige Fabel so einkleiden: „Ein junger Prinz, in welchem eine unersättliche Ehrbegierde brennet, hatte fich durch die Macht der Waffen einen großen Namen zu machen gesuchet. Er hatte derowegen gewaltige Heere ausgerüstet, ́erst die benachbarten kleinen Staaten mit Krieg, bezwungen, und war dadurch immer mächtiger geworden. Durch List und Geld hatte er die Bündnisse seiner stårkern Nachbarn getrennet, sie darauf einzeln angegriffen, und sich aller ihrer Lånder bemeistert. Da er nun endlich so groß geworden ist, als es möglich war, aber auch zugleich ein Abscheu aller Welt geworden, wird er von einem mächtigern überwunden: da fällt nun seine Hoheit auf eine schmähliche Art, und er nimmt ein klägliches Ende.

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27. §.

27. §. Diefe Hauptfabel eines Heldengedichtes nach den besondern Regeln desselben einzurichten, ist dieses Orts noch nicht. Ich merke nur dieses an, daß sie nicht zum Lobe der Hauptperson, sondern zur Schande derselben gereichen würde; und darinn ist sie von den berühmten Heldengedichten der Alten unterschieden. Meine allererste allgemeine Fabel, und der darinn zum Grunde gelegte Lehrsaß ließ solches nicht anders zu; die Regeln des Heldengedichtes aber verbiethen folches nicht: wiewohl ich es selber für rathsamer achte, löbliche, als strafbare Handlungen dadurch zu verewigen. Nichts mehr fehlt bey der also gestalteten Fabel, als die Benennung der Personen. Das steht aber wiederum bey mir. Ich suche in der Historie dergleichen Prinzen, die fich zu meiner Absicht schicken, und mein Vaterland ins. besondre angehen. Wäre ich ein Griech von Geburt, so würde ich mir den Xerxes wählen, der nach vielen Gewaltthätigkeiten aus der marathonischen Schlacht elendiglich entfliehen müssen. Wäre ich ein Perser, so würde ich den großen Alexander nehmen, der nach Eroberung von halb Asien, zu Babylon ein frühes Ende genommen. Wäre ich ein Römer, so würde Hannibal mein Held werden, der mit Schimpf und Schande aus Italien entweichen müssen, als Scipio seine Hauptstadt Karthago in Africa belagerte. Wäre ich ein alter Gallier, so könnte Arrila die Hauptperson meines Gedichtes abgeben, der in den catalaunischen Feldern aufs Haupt geschlagen worden. Wäre ich ein Ruffe, oder Pohl, so würde ich Carl den XII. aus Schweden erwählen, der von Petern dem Großen zu Pultava geschlagen worden. Weil ich aber iho in Deutschland lebe; so dorfte ich nur Ludwig den XIV. und dessen ben Hochstädt gedämpften Uebermuth in meinem Gedichte beschreiben. Ich würde demselben den Titel des herrsch. füchtigen Ludewigs, oder des eingebildeten Universalmonarchen geben: so håtte es in diesem Stücke seine Richtigkeit, und die Nebenfabeln, sammt allen dazu gehörigen Personen müßten, nach Beschaffenheit der Umstände und Geschich

: Geschichte bequemet, und also aufs wahrscheinlichste eingerichtet werden.

28. §. Aus dem allen erhellet nun sonder Zweifel, wie man mit Grunde der Wahrheit sagen könne, daß die Fabel das Hauptwerk der ganzen Pocsie sey; indem die allerwichtigsten Stücke derselben einzig und allein darauf ankomnew. Wer es in dem Grundrisse zu dieser versieht, der darf sich nicht schmäucheln, daß es ihm in der Poesie gelingen werde; so viel Wiß und Gaben er auch sonst haben möchte. Darinn haben es Milton, Saint Amant, und bey uns die Verfasser des Meßias, des Noah und der Sünd Aluth versehen; so vieler schlechten dramatischen Dichter zu geschweigen. Es ist aber auch daraus abzunehmen, mit wie vielem Grunde Aristoteles von der Dichtkunst sagen können, daß sie weit philosophischer sen, als die Historie, und viel angenehmer, als die Philosophie. Denn ein Gedicht halt in der That das Mittel zwischen einem moralischen Lehrbuche, und einer wahrhaftigen Geschichte. Die gründlichste Sittenlehre ist für den großen Haufen der Menschen viel zu mager und zu trocken. Denn die rechte Schärfe in Vernunftschlüssen ist nicht für den gemeinen Verstand unstudirter Leute. Die nackte Wahrheit gefällt ihnen nicht: es müssen schon philosophische Köpfe seyn, die sich daran vergnügen sollen. Die Historie aber, so angenehm sie selbst den Ungelehrten zu lesen ist, so wenig ist sie ihm erbaulich. Sie erzählt lauter besondre Begebenheiten, die sich das tausendstemal nicht auf den Leser schicken; und, wenn sie sich gleich ungefähr einmal schickten, dennoch viel Verstand zur Ausdeutung bey ihm erfordern würden. Die Poesie hergegen ist so erbaulich, als die Morale, und so angenehm, als die Historie; sie lehret und belustiget, und schicket sich für Gelehrte und Ungelehrte: darunter jene die besondre Geschicklichkeit des Poeten, als eines künstlichen Nachahmers der Natur, bewundern; diese hergegen einen beliebten und lehrreichen Zeitvertreib in seinen Gedichten finden.

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29. §. Ein jeder sieht wohl, daß die gemeinen Romane in einer so löblichen Absicht nicht geschrieben sind. Ihre Verfasser verstehen oft die Regeln der Poesie so wenig, als bie wahre Sittenlehre: daher ist es kein Wunder, wenn fie einen verliebten Labyrinth in den andern bauen, und eitel Thorheiten durcheinander flechten, ihre wollüftige Leser noch üppiger zu machen, und die Unschuldigen zu verführen. Wenn sie erbaulich seyn sollten, müßten fie nach Art eines Heldengedichtes abgefasset werden, wie Heliodor, Lons gus, Cervantes, Fenelon und Chancierges im eoptolem, einigermaßen gethan haben. Zieglers Banise ist bey uns Deutschen noch der allerbeste Roman: das macht, daß er in wenigen Stücken von den obigen abweicht; kann auch daher von verständigen und tugendliebenden Gemüthern noch mit einiger Lust und Nußen gelesen werden. * neuern französischen kann man den reisenden Cyrus, den Serhos, und die Ruhe des Cyrus dazu nehmen, wiewohl sie in der Dauer der Fabel, von der Regel abweichen. Von lustigen Heldengedichten sind auch Hudibras, des Boileau Pult, die geraubte Haarlocke, und die Tänzerinn mit hieher zu rechnen.

Von

30. §. Indessen darf niemand denken, die Fabel wåre bloß in den großen Gattungen der Gedichte brauchbar, und müßte also nicht für etwas allgemeines ausgegeben werden. Man kann sie überall anwenden, und in allen kleinern Arten der poetischen Werke mit Nußen einmischen. In Oden, Elegien, Schäfergedichten und Sati. ren, ja auch in poetischen Briefen, haben die Alten und Neuen sich ihrer Dichtungskraft mit gutem Fortgange bedienet. Deswegen aber läugne ich nicht, daß nicht die erstern und unvollkommenern beyden Gattungen der Nachahmung, nämlich die Beschreibungen und Ausdrüc fungen

Siche. bie Beurtheilung dehselben in der kritischen Beyträge 11. Sanbe.

kungen der Gemüthsbewegungen, in diesen kleinern Gedichten gleichsam herrschen sollten. Eben darum aber find sie auch für geringer zu halten, als die großen poetischen Werke, wo die Fabel zum Grunde liegt. Wer jene geschickt verfertiget, der heißt zwar auch ein Dichter, in so weit er der Natur nachahmet; aber ein Dichter von weit geringerer Fähigkeit, als einer, der, in großen moras lischen Fabeln, die Handlungen der Menschen auf eine so vollkommene Art vorzustellen vermögend ist. Wer ein gut Naturell und Lust zur Poesie hat, der fångt vom Kleinen an; strebt aber mit einer löblichen Ehrliebe nach dem Vollkommensten. Wer diesen Gipfel nicht erreichen kann, der bescheidet sich auch, daß er kein großer Poet ist, und begnügt sich, wenn er unter den kleinen Dichtern einiges Lob verdienet. Unser Vaterland hat auch in der That noch nicht viel große Poeten hervorgebracht weil wir in den großen Gattungen der Gedichte noch wenig gute Originale aufzuweisen haben. Mit Uebersehungen aber ist es nicht ausgerichtet. Wenn ich gleich die Ilias und Odyssee, und die Aeneis noch dazu, in die schönsten deutschen Verse überseßte: so würde ich dadurch eben so wenig ein Poet, als die Frau Dacier durch ihre ungebundne französische Uebersehung eine Dichterinn geworden ist. Es muß etwas Eigenes, es muß eine neue poetische Fabel seyn, deren Erfindung und ges schickte Ausführung mir den Namen eines Dichters ers werben soll. Es ist aber nunmehr mit vieler Wahrscheinlichkeit zu hoffen, daß wir bald mehr dergleichen vortreffliche Geister unter unsern Landesleuten erleben werden. Ja wir können uns rühmen, daß wir an des Herrn Barons von Schönäich Hermann, nunmehr ein Heldengedicht bekommen haben, welches wir getrost der Henriade des Herrn von Voltaire an die Seite sehen fönnen.

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