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Ich besaß es doch einmal,
Was so köstlich ist!

Daß man doch zu seiner Qual
Nimmer es vergift!

Rausche, Fluß, das Thal entlang,

Ohne Raft und Ruh,

Rausche, flüstre meinem Sang
Melodien zu!

Wenn du in der Winternacht

Wüthend überschwillst,

Oder um die Frühlingspracht

Junger Knospen quillst.

Selig, wer sich vor der Welt

Ohne Haß verschließt,

Einen Freund am Busen hält

Und mit dem genießt!

Was von Menschen nicht gewußt,

Oder nicht bedacht,

Durch das Labyrinth der Brust
Wandelt in der Nacht.

Einschränkung.

Ich weiß nicht, was mir hier gefällt, In dieser engen kleinen Welt

Mit holdem Zauberband mich hält?

Vergess' ich doch, vergeff' ich gern,
Wie seltsam mich das Schicksal leitet;
Und ach, ich fühle nah' und fern
3st mir noch manches zubereitet.

wäre doch das rechte Maaß getroffen!
Was bleibt mir nun, als eingehüllt,
Von holder Lebenskraft erfüllt,

In stiller Gegenwart die Zukunft zu erhoffen!

Hoffnung.

Schaff', das Tagwerk meiner Hände,
Hohes Glück, daß ich's vollende!
Laß, o laß mich nicht ermatten!
Nein, es sind nicht leere Träume:
Jezt nur Stangen diese Bäume
Geben einst noch Frucht und Schatten.

Eigenthum.

Ich weiß, daß mir nichts angehört,
Als der Gedanke, der ungestört
Aus meiner Seele will fließen,
Und jeder günstige Augenblick,
Den mich ein liebendes Geschick
Von Grund aus läßt genießen.

An Lina.

Liebchen, kommen diese Lieder
Jemals wieder dir zur Hand,
Size beim Claviere nieder,
Wo der Freund sonst bei dir stand.

Laß die Saiten rasch erklingen.
Und dann sieh in's Buch hinein;
Nur nicht lesen! immer singen,
Und ein jedes Blatt ist dein!

Ach wie traurig sieht in Lettern,
Schwarz auf weiß, das Lied mich an,
Das aus deinem Mund vergöttern,
Das ein Herz zerreißen kann!

Goethe, Gedichte.

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Gesellige Lieder.

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