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Guter Rath.

Geschieht wohl, daß man einen Tag
Weder sich noch andre leiden mag,
Will nichts dir nach dem Herzen ein;
Sollt's in der Kunst wohl anders sehn?
Drum heße dich nicht zur schlimmen Zeit,
Denn Füll' und Kraft sind nimmer weit:
Hast in der bösen Stund' geruht,
Ist dir die gute doppelt gut.

Sendschreiben.

Mein altes Evangelium

Bring' ich dir hier schon wieder;
Doch ist mir's wohl um mich herum,
Darum schreib' ich dir's nieder.

Ich holte Gold, ich holte Wein,
Stellt' alles da zusammen;

Da, dacht' ich, da wird Wärme seyn,
Geht mein Gemäld' in Flammen!
Auch thät ich bei der Schäße Flor
Viel Gluth und Reichthum schwärmen;
Doch Menschenfleisch geht allem vor,
Um sich daran zu wärmen.

Und wer nicht richtet, sondern fleißig ist,
Wie ich bin und wie du bist,

Den belohnt auch die Arbeit mit Genuß;
Nichts wird auf der Welt ihm Ueberdruß.

Denn er bledet nicht mit stumpfem Zahn
Lang' Gesottnes und Gebratnes an,
Das er, wenn er noch so sittlich kaut,
Endlich doch nicht sonderlich verdaut;
Sondern faßt ein tüchtig Schinkenbein,
Haut da gut und taglöhnermäßig drein,
Füllt bis oben gierig den Pokal,

Trinkt, und wischt das Maul wohl nicht einmal.

Sieh, so ist Natur ein Buch lebendig,
Unverstanden, doch nicht unverständlich:
Denn dein Herz hat viel und groß Begehr,
Was wohl in der Welt für Freude wär',
Allen Sonnenschein und alle Bäume,

Alles Meergestad' und alle Träume
In dein Herz zu sammeln mit einander,
Wie die Welt durchwühlend Banks, Solander.

Und wie muß dir's werden, wenn du fühlest,
Daß du alles in dir selbst erzielest.
Freude hast an deiner Frau und Hunden,
Als noch keiner in Elysium gefunden,
Als er da mit Schatten lieblich schweifte
Und an goldne Gottgestalten streifte.
Nicht in Rom, in Magna Gräcia;
Dir im Herzen ist die Wonne da!
Wer mit seiner Mutter, der Natur, sich hält,
Find't im Stengelglas wohl eine Welt.

Künstlers Fug und Recht.

Ein frommer Maler mit vielem Fleiß
Hatte manchmal gewonnen den Preis,
Und manchmal ließ er's auch geschehn,
Daß er einem Bessern nach mußt' stehn;
Hatte seine Tafeln fortgemalt,

Wie man sie lobt, wie man sie bezahlt.
Da kamen einige gut hinaus;

Man baut ihn'n sogar ein Heiligenhaus.

Nun fand er Gelegenheit einmal,
Zu malen eine Wand im Saal;
Mit emsigen Zügen er staffirt;
Was öfters in der Welt passirt;
Zog seinen Umriß leicht und klar,
Man konnte sehn, was gemeint da war.
Mit wenig Farben er colorirt,
Doch so, daß er das Aug' frappirt.
Er glaubt es für den Platz gerecht
Und nicht zu gut und nicht zu schlecht,
Daß es versammelte Herrn und Fraun
Möchten einmal mit Lust beschaun;
Zugleich er auch noch wünscht' und wollt',
Daß man dabei was denken sollt'.

Als nun die Arbeit fertig war,
Da trat herein manch Freundespaar,
Das unsers Künstlers Werke liebt',
Und darum desto mehr betrübt,

Daß an der losen ledigen Wand
Nicht auch ein Götterbildniß stand.
Die setzten ihn sogleich zur Red',
Warum er so was malen thät,
Da doch der Saal und seine Wänd'
Gehörten nur für Narrenhänd';

Er sollte sich nicht lassen verführen

Und nun auch Bänk und Tische beschmieren;
Er sollte bei seinen Tafeln bleiben

Und hübsch mit seinem Pinsel schreiben;

Und sagten ihm von dieser Art

Noch viel Verbindlichs in den Bart.

Er sprach darauf bescheidentlich:
Eure gute Meinung beschämet mich.
Es freut mich mehr nichts auf der Welt,
Als wenn euch je mein Werk gefällt.
Da aber aus eigenem Beruf

Gott der Herr allerlei Thier' erschuf,

Daß auch sogar das wüste Schwein,

Kröten und Schlangen vom Herren seyn,

Und er auch manches nur ebauchirt,

Und gerade nicht alles ausgeführt

(Wie man den Menschen denn selbst nicht scharf
Und nur en gros betrachten darf):

So hab' ich als ein armer Knecht
Vom sündlich menschlichen Geschlecht
Von Jugend auf allerlei Lust gespürt
Und mich in allerlei exercirt,
Und so durch Uebung und durch Glück
Gelang mir, sagt ihr, manches Stück.

Goethe, Gedichte.

26

Nun dächt' ich, nach vielem Rennen und Laufen
Dürft' einer auch einmal verschnaufen,
Ohne daß jeder gleich, der wohl ihm wollt',
Ihn 'nen faulen Bengel heißen sollt'.

Drum ist mein Wort zu dieser Frist,
Wie's allezeit gewesen ist:

Mit keiner Arbeit hab' ich geprahlt,
Und was ich gemalt hab', hab' ich gemalt.

Groß ist die Diana der Epheser.

Apostelgeschichte 19, 30.

Zu Ephesus ein Goldschmied saß

In seiner Werkstatt, pochte

So gut er fonnt', ohn' Unterlaß,

So zierlich er's vermochte.

Als Knab' und Jüngling kniet' er schon

Im Tempel vor der Göttin Thron,
Und hatte den Gürtel unter den Brüsten.
Worin so manche Thiere nisten,
Zu Hause treulich nachgefeilt,
Wie's ihm der Vater zugetheilt;
Und leitete sein kunstreich Streben
In frommer Wirkung durch das Leben.

Da hört er denn auf einmal laut
Eines Gaffenvolkes Windesbraut,

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