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An die Knappschaft zu Tarnowik.

Den 4. September 1790.

Fern von gebildeten Menschen, am Ende des Reiches, wer hilft euch

Schäße finden und sie glücklich zu bringen an's Licht? Nur Verstand und Redlichkeit helfen; es führen die beiden Schlüffel zu jeglichem Schat, welchen die Erde verwahrt.

Der Chinese in Rom.

Einen Chinesen sah ich in Rom; die gesammten Gebäude Alter und neuerer Zeit schienen ihm lästig und schwer. Ach! so seufzt' er, die Armen! ich hoffe, sie sollen begreifen,

Wie erst Säulchen von Holz tragen des Daches Gezelt, Daß an Latten und Pappen, Geschniß und bunter Vergoldung

Sich des gebildeten Aug's feinerer Sinn nur erfreut. Siehe, da glaubt' ich, im Bilde, so manchen Schwärmer zu schauen,

Der sein luftig Gespinnst mit der soliden Natur Ewigem Teppich vergleicht, den ächten reinen Gesunden Krank nennt, daß ja nur er heiße, der Kranke, gesund.

Physiognomische Reisen.

Die Physiognomisten.

Sollt' es wahr seyn, was uns der rohe Wandrer verfündet,

Daß die Menschengestalt von allen sichtlichen Dingen
Ganz allein uns lüge, daß wir, was edel und albern,
Was beschränkt und groß, im Angesichte zu suchen,
Eitele Thoren sind, betrogne, betrügende Thoren?
Ach! wir sind auf den dunkelen Pfad des verworrenen

Lebens

Wieder zurückgescheucht, der Schimmer zu Nächten verfinstert.

Der Dichter.

Hebet eure zweifelnden Stirnen empor, ihr Geliebten! Und verdient nicht den Irrthum, hört nicht bald diesen, bald jenen!

Habet ihr eurer Meister vergessen? Auf! kehret zum Pindus,

Fraget dorten die Neune, der Grazien nächste Verwandte! Ihnen allein ist gegeben, der edlen stillen Betrachtung Vorzustehn. Ergebet euch gern der heiligen Lehre, Merket bescheiden leise Worte. Ich darf euch versprechen: Anders sagen die Musen und anders sagt es Musäus.

Spiegel der Muse.

Sich zu schmücken begierig verfolgte den rinnenden Bach einst

Früh die Muse hinab, sie suchte die ruhigste Stelle.

Eilend und rauschend indeß verzog die schwankende Fläche Stets das bewegliche Bild; die Göttin wandte sich zürnend;

Doch der Bach rief hinter ihr drein und höhnte sie: Freilich

Magst du die Wahrheit nicht sehn, wie rein dir mein Spiegel sie zeiget!

Aber indessen stand sie schon fern, am Winkel des Seees, Ihrer Gestalt sich erfreuend, und rückte den Kranz sich zurechte.

Phobos und Hermes.

Delos' ernster Beherrscher und Maja's Sohn, der gewandte,

Rechteten heftig, es wünscht jeder den herrlichen Preis. Hermes verlangte die Leier, die Leier verlangt auch Apollon,

Doch vergeblich erfüllt Hoffnung den beiden das Herz; Denn rasch dränget sich Ares heran, gewaltsam entscheidend,

Schlägt er das goldene Spiel wild mit dem Eisen

entzwei.

Hermes lacht unmäßig, der schadenfrohe; doch Phöbos

Und den Musen ergreift inniger Schmerz das Gemüth.

Der neue Amor.

Amor, nicht das Kind, der Jüngling, der Psychen ver

führte,

Sah im Olympus sich um, frech und der Siege ge=

wohnt;

Eine Göttin erblickt' er, vor allen die herrlichste Schöne,
Venus Urania war's, und er entbrannte für sie.
Ach! die Heilige selbst, sie widerstand nicht dem Werben
Und der Verwegene hielt fest sie im Arme bestrickt.
Da entstand aus ihnen ein neuer lieblicher Amor,

Der dem Vater den Sinn, Sitte der Mutter verdankt. Immer findest du ihn in holder Musen Gesellschaft, Und sein reizender Pfeil stiftet die Liebe der Kunst.

Die Kränze.

Klopstock will uns vom Pindus entfernen; wir sollen nach Lorbeer

Nicht mehr geizen, uns soll inländische Eiche genügen;
Und doch führet er selbst den überepischen Kreuzzug
Hin auf Golgatha's Gipfel, ausländische Götter zu ehren!
Doch auf welchen Hügel er wolle versamml' er die Engel,
Lasse beim Grabe des Guten verlassene Redliche weinen:
Wo ein Held und Heiliger starb, wo ein Dichter ge=
fungen,

Uns im Leben und Tod ein Beispiel trefflichen Muthes,
Hohen Menschenwerthes zu hinterlassen, da knieen

Billig alle Völker in Andachtswonne, verehren Dorn und Lorbeerkranz, und was ihn geschmückt und gepeinigt.

Schweizeralpe.

Uri, am 1. October 1797.

War doch gestern dein Haupt noch so braun, wie die Locke der Lieben,

Deren holdes Gebild still aus der Ferne mir winkt; Silbergrau bezeichnet dir früh der Schnee nun die Gipfel, Der sich in stürmender Nacht dir um den Scheitel

ergoß.

Jugend, ach! ist dem Alter so nah, durch's Leben verbunden,

Wie ein beweglicher Traum Gestern und Heute ver

band.

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