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Der König in Thule.

Es war ein König in Thule
Gar treu bis an das Grab,
Dem sterbend seine Buhle
Einen goldnen Becher gab.

Es ging ihm nichts darüber,
Er leert' ihn jeden Schmaus;
Die Augen gingen ihm über,
So oft er trank daraus.

Und als er kam zu sterben,
Zählt' er seine Städt' im Reich,
Gönnt' alles seinem Erben,
Den Becher nicht zugleich.

Er saß beim Königsmahle,
Die Ritter um ihn her,
Auf hohem Vätersaale

Dort auf dem Schloß am Meer.

Dort stand der alte Zecher,
Trank lette Lebensgluth,

Und warf den heil'gen Becher
Hinunter in die Fluth.

Er sah ihn stürzen, trinken
Und sinken tief in's Meer.

Die Augen thäten ihm sinken;
Trank nie einen Tropfen mehr.

Grethe, Gedichte.

8

Das Blümlein Wunderschön.

Lieb des gefangnen Grafen.

Graf.

Ich kenn' ein Blümlein Wunderschön Und trage darnach Verlangen;

Ich möcht' es gerne zu suchen gehn, Allein ich bin gefangen.

Die Schmerzen sind mir nicht gering; Denn als ich in der Freiheit ging, Da hatt' ich es in der Nähe.

Von diesem ringsum steilen Schloß
Laß ich die Augen schweifen,
Und kann's vom hohen Thurmgeschoßz
Mit Blicken nicht ergreifen;

Und wer mir's vor die Augen brächt',
Es wäre Ritter oder Knecht,

Der follte mein Trauter bleiben.

Rose.

Ich blühe schön, und höre dieß

Hier unter deinem Gitter.

Du meinest mich, die Rose, gewiß,
Du edler armer Ritter!

Du hast gar einen hohen Sinn,
Es herrscht die Blumenkönigin
Gewiß auch in deinem Herzen.

Graf.

Dein Purpur ist aller Ehren werth,
Im grünen Ueberkleide;

Darob das Mädchen dein begehrt,
Wie Gold und edel Geschmeide.
Dein Kranz erhöht das schönste Gesicht:
Allein du bist das Blümchen nicht,
Das ich im Stillen verehre.

Lilie.

Das Röslein hat gar stolzen Brauch
Und strebet immer nach oben;
Doch wird ein liebes Liebchen auch
Der Lilie Zierde loben.

Wem's Herze schlägt in treuer Brust
Und ist sich rein, wie ich, bewußt,
Der hält mich wohl am höchsten.

Graf.

Ich nenne mich zwar keusch und rein,
Und rein von bösen Fehlen;

Doch muß ich hier gefangen seyn,

Und muß mich einsam quälen.

Du bist mir zwar ein schönes Bild

Von mancher Jungfrau, rein und mild: Doch weiß ich noch was Liebers.

Nelke.

Das mag wohl ich, die Nelke, seyn

Hier in des Wächters Garten;.

Wie würde sonst der Alte mein

Mit so viel Sorgen warten?

Im schönen Kreis der Blätter Drang,
Und Wohlgeruch das Leben lang,
Und alle tausend Farben.

Graf.

Die Nelke soll man nicht verschmähn,
Sie ist des Gärtners Wonne;
Bald muß fie in dem Lichte stehn,
Bald schüßt er sie vor Sonne;
Doch was den Grafen glücklich macht,
Es ist nicht ausgesuchte Pracht:
Es ist ein stilles Blümchen.
Beilchen.

Ich steh' verborgen und gebückt,
Und mag nicht gerne sprechen,

Doch will ich, weil sich's eben schickt,

Mein tiefes Schweigen brechen.

Wenn ich es bin, du guter Mann,

Wie schmerzt mich's, daß ich hinauf nicht kann Dir alle Gerüche senden.

Graf.

Das gute Veilchen schätz' ich sehr:

Es ist so gar bescheiden

Und duftet so schön; doch brauch' ich mehr

In meinem herben Leiden.

Ich will es euch nur eingestehn:

Auf diesen dürren Felsenhöhn

Ist's Liebchen nicht zu finden.

Doch wandelt unten, an dem Bach,
Das treuste Weib der Erde,

Und seufzet leise manches Ach,

Bis ich erlöset werde.

Wenn sie ein blaues Blümchen bricht,
Und immer sagt: Vergiß mein nicht!
So fühl' ich's in der Ferne.

Ja, in der Ferne fühlt sich die Macht,
Wenn zwei sich redlich lieben;

Drum bin ich in des Kerkers Nacht,
Auch noch lebendig geblieben.

Und wenn mir fast das Herze bricht,
So ruf ich nur: Vergiß mein nicht!
Da komm' ich wieder in's Leben.

Ritter Curt's Brautfahrt.

Mit des Bräutigams Behagen
Schwingt sich Ritter Curt auf's Roß;
Zu der Trauung soll's ihn tragen,
Auf der edlen Liebsten Schloß;
Als am öden Felsenorte
Drohend sich ein Gegner naht;
Ohne Zögern, ohne Worte
Schreiten sie zu rascher That.

Lange schwankt des Kampfes Welle,
Bis sich Curt im Siege freut;
Er entfernt sich von der Stelle,
Ueberwinder und gebläut.
Aber was er bald gewahret

In des Busches Zitterschein!
Mit dem Säugling still gepaaret

Schleicht ein Liebchen durch den Hain.

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