Seit den achtziger Jahren des verflossenen Jahrhunderts sucht sich das englische Drama etwas von der Herrschaft des Melodramas und der Posse freizumachen, und angeregt durch das Problem-Drama Ibsens und der Franzosen, verschaffte sich eine Reihe von Bühnenschriftstellern Beachtung, unter denen in erster Reihe Arthur Pinero, Henry Arthur Jones und Bernard Shaw zu nennen sind. Diese neue Richtung wurde gefördert durch die Kritik, die sich seit William Archer mit großer Unerschrockenheit von den Fesseln des Geschmacks der Masse und der Rücksicht auf die Theaterleiter freizumachen anfing. a dramatic piece characterized by sensational incident and violent appeals to the emotions, but with a happy ending. Im Silver King verlangt Jones in seinen Bühnenanweisungen noch durchaus das musikalische Unterstreichen einzelner Stellen (Music cue), besonders wenn er rührselig wirken will; später fallen diese Angaben fort. Jones' Lebenslauf'). Henry Arthur Jones wurde am 20. September 1851 in Grandborough (Buckinghamshire) als Sohn eines Bauern geboren. Seine Mutter stammt ebenfalls aus bäuerlichem Geschlecht. Der Knabe verbrachte seine Jugendjahre ausschließlich auf dem Lande und hatte dort Gelegenheit, alt-englisches Dorfleben kennen zu lernen, bevor es durch Eisenbahn und andere Einflüsse des modernen Verkehrs umgestaltet wurde. Der Erfolg seiner Erstlings-Werke beruht auf der guten Beobachtung und Kenntnis des Landes und seiner Bewohner. Der Knabe zog soviel Nutzen wie möglich aus einem elementaren Dorfschul-Unterricht. In dem kleinen Einakter An Old Master (Der alte Schulmeister) beschreibt Jones in amüsanter Weise seines alten Lehrers Herzensgüte und geringe Begabung für den Lehrberuf, die naturgemäß von den Schülern für ihr Freiheits-Bedürfnis reichlich ausgenutzt wurden. Schon mit dreizehn Jahren, selbst für englische Verhältnisse ungewöhnlich früh, widmet sich der Knabe dem Kaufmannsstande, um für sich selbst zu sorgen, und beginnt bald, die Herausgeber von Zeitschriften mit seinen Beiträgen, die fast immer mit Dank zurückgesandt werden, zu überschütten. Mit achtzehn Jahren sieht Jones zum ersten Male ein Theaterstück. Das Melodrama Leah, das er im Haymarket Theatre zu sehen bekommt, begeistert ihn derartig für die Bühne, 1) Die Biographie ist zusammengestellt nach: 1) dem Green Room Book. 2) autobiographischen Angaben des Dichters in The Theatre vol. 8 vom 1. September 1886. 3) einem Artikel in dem Pall Mall Magazine von Juli 1900 und 4) Angaben Mr. Jones' im Briefwechsel mit dem Verfasser. daß er die ganze Zeit, die ihm seine kaufmännische Tätigkeit übrig läßt, der Abfassung von dramatischen Arbeiten widmet. Aber er hat mit seinen Manuskripten bei den Londoner Theater-Direktoren denselben MiBerfolg wie vorher bei den Zeitschriften-Verlegern. Endlich im Sommer 1879 hatte er das Glück, das kleine Lustspiel A Clerical Error an den bekannten Schauspieler und Theaterdirektor Wilson Barrett zu senden. Wilson Barrett war damals Leiter des Grand Theatre in Leeds; er schrieb Jones, daß er das Court Theatre in London übernommen habe und dort das Stück aufführen werde. Hiermit begann Jones' Laufbahn als Bühnenschriftsteller. Nachdem er in Ein- und Zwei-Aktern Proben seines Könnens geliefert, schreibt er zuerst unter Mitarbeit erfahrener Theaterleute Melodramen. Sein erstes selbständiges größeres Stück ist Saints and Sinners, das bereits hervorragendes Können zeigt. Schon im Jahre 1882 macht William Archer in seinem Buche English Dramatists of To-day auf die Bedeutung Jones' als Bühnenschriftsteller aufmerksam und sagt am Schlusse der Besprechung seiner Einakter '): „Mr. Jones, in fine, seems to possess a good deal of culture and a good deal of earnest aspiration, which may go far to supply the place of some more strictly dramatic qualities in which he is rather lacking. He has done too little as yet to permit one to predict with any certainty what may be expected of him; but he has done enough to establish for his future efforts a fair claim to respectful attention.“ In den neunziger Jahren steht Jones auf der Höhe seines Könnens und gibt meisterhafte Zeichnungen der englischen Gesellschaft. Seit dieser Zeit ist er einer der von den Theater-Direktoren gesuchten Dramatiker. In der Ausarbeitung seiner Stücke geht er sehr methodisch vor 2). Den Vormittag benutzt er zum Aus1) a. a. O. S. 225. 2) Horace Wyndham: Dramatists and their methods. Pall Mall Magazine Juli 1900, S. 339. denken der Handlung und der Einzelheiten, während er den Nachmittag zur Ausarbeitung und Entwicklung der gemachten Notizen verwendet. Er legt viel Sorgfalt auf die Ausarbeitung und ändert und poliert immer wieder. In den letzten Jahren ist seine dramatische Tätigkeit geringer geworden. Seine Gesundheit ließ bisweilen zu wünschen übrig, und im Frühjahr 1912 mußte er sich einer gefahrvollen Operation unterziehen, die indessen sehr gut gelang und ihm seine frühere Frische wiedergab. Sehr wertvoll und beachtenswert sind die Untersuchungen über den gegenwärtigen Tiefstand des englischen Dramas, die Jones in zahlreichen Zeitschriften-Artikeln niedergelegt hat, sowie seine Besserungsvorschläge '). Durch diese kritisierende Tätigkeit und durch die Originalität seiner Werke, die im krassen Gegensatz zu der Schablone seiner Vorgänger steht, hat er dem modernen englischen Drama unzweifelhaft wichtige Dienste geleistet. 1) Vgl. Anhang S. 63. |