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des Spinoza bleiben, deren einzige Bestimmung das Negative ist, dass in ihr Alles absorbirt sey. Bei Spinoza kommt der Unterschied, die Attribute, Denken und Ausdehnung, alsdann auch die Modi, die Affecten und alle übrigen Determinationen, ganz empirisch herbei; es ist der Verstand, selbst ein Modus, in welchen diess Unterscheiden fällt; die Attribute stehen zur Substanz und zu einander in keiner weiteren Bestimmtheit, als dass sie die Substanz ganz ausdrücken, und ihr Inhalt, die Ordnung der Dinge als ausgedehnter und als Gedanken dieselbe ist. Durch die Bestimmung der Substanz als Indifferenz kommt aber die Reflexion auf den Unterschied hinzu, er wird nun gesetzt, als das, was er bei Spinoza an sich ist, nämlich als äusserlicher, und damit näher als quantitativer." (Bd. IV S. 187),,Dem Begriffe des Absoluten und dem Verhältnisse der Reflexion zu demselben, wie es sich hier dargestellt hat, entspricht der Begriff der spinozistischen Substanz. Der Spinozismus ist darin eine mangelhafte Philosophie, dass die Reflexion und deren mannigfaltiges Bestimmen ein äusserliches Denken ist. . (S. 184) Die Bestimmung ist Negation, ist das absolute Princip der spinozistischen Philosophie; diese wahrhafte und einfache Einsicht begründet die absolute Einheit der Substanz. Aber Spinoza bleibt bei der Negation als Bestimmtheit oder Qualität stehen; er geht nicht zur Erkenntniss derselben als absoluter, d. h. sich negirender Negation fort; somit enthält seine Substanz nicht selbst die absolute Form und das Erkennen derselben ist kein immanentes Erkennen. Zwar ist die Substanz absolute Einheit des Denkens und Seyns oder der Ausdehnung; sie enthält also das Denken selbst, aber nur in seiner Einheit mit der Ausdehnung; das heisst nicht als sich von der Ausdehnung trennend, somit überhaupt nicht als Bestimmen und Formiren, noch auch als die zurückkehrende und aus sich selbst anfangende Bewegung. Theils fehlt dadurch der Substanz das Princip der Persönlichkeit.. teils ist das Erkennen die äusserliche Reflexion, welche das, was als Endliches erscheint, die Bestimmtheit des Attributs und und den Modus, wie auch überhaupt sich selbst, nicht aus der Substanz begreift und ableitet, sondern als ein äusserlicher Verstand thätig ist, die Bestimmungen als gegebene aufnimmt, und sie auf das Absolute zurückführt, nicht aber von diesem ihre Anfänge hernimmt. (188 f.) Mathematik und andere untergeordnete Wissenschaften müssen mit einem Vorausgesetzten anfangen, das ihr Element und positive Grundlage ausmacht. Aber das Absolute kann nicht ein Erstes, Unmittelbares sein, sondern das Absolute ist wesentlich sein Resultat. (190) Die

spinozistische Auslegung des Absoluten ist daher insofern wohl vollständig, als sie von dem Absoluten anfängt, hierauf das Attribut folgen lässt und mit dem Modus endigt; aber diese drei werden nur nach einander ohne innere Folge der Entwickelung aufgezählt.. Es fehlt daher die Nothwendigkeit des Fortgangs des Absoluten zur Unwesentlichkeit, sowie ihre Auflösung an und für sich selbst in die Identität; oder es mangelt sowohl das Werden der Identität als ihrer Bestimmungen.“ Bd. V S. 11) Die einzige Widerlegung des Spinozismus kann daher nur darin bestehen, dass sein Standpunkt zuerst als wesentlich und nothwendig anerkannt werde, dass aber zweitens dieser Standpunkt aus sich selbst auf den höhern gehoben werde. Das Substantialitäts-Verhältniss, ganz nur an und für sich selbst betrachtet, führt sich zu seinem Gegentheil, dem Begriffe, über. Die im letzten Buche enthaltene Exposition der Substanz, welche zum Begriffe überführt, ist daher die einzige und wahrhafte Widerlegung des Spinozismus. Sie ist die Enthüllung der Substanz, und diese ist die Genesis des Begriffs. Am bekanntesten sind Hegels Bemerkungen über Spinoza in den Vorlesungen über die Geschichte der Philosophie aus den Jahren 1805,6. Hier nennt er im dritten Bande (W. Bd. XV. S. 374) Spinoza den Hauptpunkt der modernen Philosophie,,,entweder Spinozismus oder keine Philosophie. Sein System ist (S. 375) der in den Gedanken erhobene absolute Pantheismus und Monotheismus. Sein Standpunkt ist der Anfang alles Philosophirens (S. 376). Die Seele muss sich baden in diesem Aether der einen Substanz, in derAlles, was man für wahr gehalten hat, untergegangen ist.“ „Nichtig ist S. 409) der Vorwurf, dass Spinozas Philosophie die Moral tödte.“ Hegel verteidigt ihn ferner gegen den Vorwurf des Atheismus S. 372), er will ihn nach Maimons Vorgange Akosmist genannt wissen. (S. 373. 408.) Doch damit ist Spinozas Lob erschöpft.

Seine Philosophie ist ein überwundener Standpunkt, seine Methode hölzern und bleiern (Bd. XV.S.479), seine Beweise nennt er formelle Quälereien“. „Die Attribute geben nicht aus der Substanz, die Modificationen nicht aus den Attributen hervor.“ „Das Denken, alsdas Attribut Gottes, tritt als ein Zweites, Aeusserliches, ihm nur hinzu neben der Ausdehnung, so dass sie nur ihm unwesentliche Formen sind.. Aber wie es eine äussere Reflexion ist, welche diesen Unterschied macht, so 1st sie es auch, welche ihn in die absolute Identität zurückführt. Die ganze Bewegung geht ausser dem Absoluten vor.“ „Spinoza hat dem Negativen Unrecht gethan: es kam daher zu keiner mmanenten Bestimmung. alles Bestimmte geht zu Grunde.“

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Den Modus, wohin die Einzelnheit fällt, erkennt er nicht für das Wesentliche, oder nicht als Moment des Wesens selbst im Wesen; sondern im Wesen verschwindet er, oder, er ist nicht zum Begriff erhoben" (vgl. W. Bd. XV S. 381). Schliesslich streitet der Spinozismus auch mit dem Christentum,,,indem er Gott nur als Substanz, und nicht als Geist, nicht als concret gefasst hat." Es wird auch die Selbständigkeit der menschlichen Seele geläugnet, während in der christlichen Religion jedes Individuum als zur Seligkeit bestimmt erscheint. Hier dagegen ist das geistig Individuelle nur ein Modus, ein Accidens, nicht aber ein Substantielles."

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Die Christlichkeit seiner Lehre betont Hegel im Gegensatze zur Lehre Spinozas um so nachdrücklicher, je mehr er sich der Orthodoxie nähert. „Es zeigt die Stelle (Encykl. S. 499. Bd. 17),,,,der absolute Geist ist die eine und allgemeine Substanz als geistige,"" dass nicht die spinozistische Substanz, als welcher die Bestimmung von Persönlichkeit, von Geistigkeit mangelt, das Centrum der Lehre ist; sie spricht aus, was alle christliche Theologie ausspricht, dass Gott das absolut selbstständige Wesen, die absolute Substanz ist, aber das absolut selbstständige Wesen, das Geist ist, der Geist, der absolut selbstständig ist.“ Die absolute Substanz ist die wahre, aber sie ist noch nicht die ganz wahre; sie muss auch als in sich thätig, lebendig gedacht werden, und eben dadurch sich als Geist bestimmen. Die spinozische Substanz. . ist die Grundlage des Geistes, aber nicht als der absolut unten fest bleibende Grund, sondern als die abstracte Einheit, die der Geist in sich selbst ist. Seine Philosophie ist nur starre Substanz, noch nicht Geist; Gott ist hier nicht Geist, weil er nicht der Dreieinige Die Substanz bleibt in der Starrheit, Versteinerung, ohne Böhmesches Quellen."

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Es wird im spinozistischen System alles nur in diesen Abgrund der Vernichtung hineingeworfen. Aber es kommt nicht heraus . .“ Das Besondere ist nur Modification der absoluten Substanz, nichts Wirkliches an ihm selbst.“ Es ist das Grossartige der Denkungsart des Spinoza, auf alles Bestimmte, Besondere verzichten zu können, und sich nur zu verhalten zu dem Einen, nur dies achten zu können; es ist ein grossartiger Gedanke, der aber nur die Grundlage aller wahrhaften Ansicht sein muss. Denn es ist starre Bewegungslosigkeit, deren einzige Thätigkeit ist, alles in den Abgrund der Substanz zu werfen, in dem Alles nur dahin schwindet, alles Leben. in sich selbst verkommt; Spinoza ist selbst an der Schwindsucht gestorben." In diesem Sinne, „dass Gott nicht als Geist gefasst

wird," lässt er sogar Spinoza als Atheisten gelten (Bd. XV S. 408).

Wir begegnen also hier fast derselben Kritik Spinozas, wie bei Schelling, vor allem dem Vorwurf der Unpersönlichkeit des Gottesbegriffes. Schon Fichte, der Jüngere („Wendepunkte“ III S. 389), bemerkt dagegen, dass bei Hegel selbst die Person nur in den unendlich verendlichenden Prozess der Substanz, in die Reihe ihrer Selbstvermittelungen" falle, sie ist erprozessirtes Moment derselben; nicht ist sie Geist von Anfang und in Ewigkeit, was allein Gott zu nennen.“ Gewinnt auf solche Weise auch wirklich das Individuum, der Modus an Wesen, so geschieht dies doch nur auf Kosten der Substanz. Wenn ferner die Gottheit in der Entwickelung der Menschheit, die selbst nur in ihrer Gesamtheit einen unendlichen Modus der Substanz darstellt, zur Offenbarung kommen soll, und die menschlichen Denkformen dem Naturprozess untergeschoben werden, so lag, wenn er nicht von Hegel selbst gelehrt wird, der Anthropologismus Feuerbachs nicht sehr fern. Wie er selbst gesteht, findet sich auch bei ihm der Substanzbegriff Spinozas, als die Einheit von Subjekt und Objekt, des Denkenden und Gedachten, des Denkens und Daseins. Doch überwiegt weit stärker als bei Schelling das geistige Moment; das ganze System lehrt ja die Rückkehr des Geistes zu sich selbst im menschlichen Bewusstsein.

Ohne gegen Schellings und Hegels Vorzüge ungerecht zu sein, können wir nach alledem Orelli (Spinozas Leben und Lehre 1850 S. 357 ff.) darin beistimmen, dass Spinoza klarer und deutlicher als diese seine Jünger spricht, dass er freier und rücksichtsloser, ohne jede Liebedienerei, vorgeht, dass der Vorwurf der Geistlosigkeit seines Gottesbegriffes ungerecht und es gerade sein unsterbliches Verdienst sei (S. 387), auf eine Weltkonstruktion verzichtet zu haben, die doch nur unter den Bedingungen des jeweiligen Standes der exakten Wissenschaften möglich, und also auch, wie die Geschichte lehrt, schon am nächsten Tage durch eine neue Entdeckung umgestossen werden kann. Andererseits können wir aber auch voll und ganz in das Lob einstimmen, welches Orelli (383 f.) dem Dreigestirn: Spinoza-Schelling-Hegel spendet: „Es steht nicht die Welt hier, und Gott dort“, . . ein grosses Lebendiges ist die Natur . . Die Pflicht des Menschen ist es, darnach zu trachten, dass sein Leben eine Manifestation, ein Spiegel des Ewigen, des Wesenhaften sei." Das ist das Gold, das sie gemeinsam zu Tage gefördert.

§ 100. Hegels Schule.

Wenn auch Hegels Schüler nicht alle gleich günstig über

Hegelianismus als die Hochburg des Spinozismus angesehen. Der eifrige Verteidiger seines Meisters Hegel, Carl Rosenkranz, hält auch in seiner Dissertation (,,De Spinozae philosophia". Halle 1828) Spinoza den Schild. Er ist kein Atheist (p. 28), wofür er nur von einseitig christlich-konfessionellem Standpunkte aus gehalten werden kann; kein Pantheist im gewöhnlichen Sinne (p. 29), kein Deist, wie Marheineke (,,Grundlehren der christl. Dogmatik" 1827 p. 260 § 422), kein Akosmist, wie Hegel (Phil. Journal II S. 118 fg. Encykl. 2 p. 59. 528), und kein Fatalist, wie Wolff (Natürl. Gottesgelahrth. übers. von Hagen 1745. Tl. 4. Abt. 2, 2 § 671–716 bes. S. 709-716) behauptet hatten.

Weit eingehender behandelt J. E. Erdmann den Urahn der „Hegelingen". Er kommt zu verschiedenen Zeiten und bei verschiedenen Gelegenheiten auf Spinoza zu sprechen, wobei seinem eigenen Geständnisse gemäss seine Auffassung dieses seines Lieblingsphilosophen immer reifer und tiefer wird. Von Vorarbeiten berücksichtigt er besonders die Darstellungen des Spinozismus bei Sigwart, Orelli, Feuerbach und Thomas, vor allem die Jacobis, welche er noch für seine Zeit sehr beachtenswert findet. Im Anschluss an Jacobi und im Gegensatze zu Feuerbach fasst er auch Spinozas Substanz als das Substrat des Wirklichen, nicht als das absolut Wirkliche. Wie Hegel, nur ausführlicher, urteilt Erdmann über Spinozas Attribute, den Modus, wie überhaupt über die Genesis des Systems. Er hat auch das Verdienst, der, sonst absichtlich nicht beachteten, Auffassung des Spinozismus bei Karl Thomas zuerst zu ihrem Rechte verholfen zu haben. Mit diesem erkennt er in Spinozas Lehre neben einem Idealismus einen Realismus, neben dem Pantheismus einen Individualismus an. Auch Erdmann hatte sich mit Ritter und Sigwart an der Preisaufgabe der Berliner Akademie vom Jahre 1815 „Ueber den Einfluss Descartes' auf Spinoza“ (s. Bericht darüber in Schleiermachers S. W. III, 3. S. 19) versucht, doch nennt er diese seine Abhandlung selbst eine oberflächliche Jugendarbeit. Was er besonders an Spinoza tadelt, ist die Härte des Substanzbegriffes.

Wie Erdmann und die Romantik sieht auch Alb. Schwegler in Jacob Böhme die Ergänzung des Spinozismus. Doch bleibt (Gesch. der Philos. i. Umriss 1848 S. 109) „das Wahre und Grosse der spinozistischen Philosophie, dass sie alles Einzelne und Partikuläre als ein Endliches in den Abgrund der göttlichen Substanz versenkt." Er zeichnet Spinozas Lebensbild als ein Ideal, welches, wie die grössten deutschen Geister ihm nachgestrebt, auch noch für unsere Zeit gilt. Im Pantheismus sieht er das

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