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der Rechts- und Staatsprincipien 1848 Bd. I S. 186ff. 197. 212. 213. 214. 216) ihm nicht die rechte Anerkennung gezollt hatte, ein idealisirtes Bild des Politikers Spinoza. (S. 11) „Das Geschlecht der Oldenburghs ist noch nicht ausgestorben. Auch neuere Philosophen schlagen oft diesen Weg ein. Sie schöpfen lange aus dem reichen Geistesquell des klaren Denkers" und „baden sich im Aether seiner Gedankenfülle."

Ein endgiltiges Urteil finden wir aber erst bei J. C. Bluntschli (,,Gesch. des allg. Staatsrechts" 1867 S. 102).,,Spinoza war kein practischer Staatsmann, er philosophirte über den Staat, wie über die Natur und über Gott vornehmlich um der Wahrheit willen, die zu erkennen ihm als das würdigste Ziel erschien. Ein tiefreligiöses Individuum, aber von seltener und eigener Art, gab er ein wahres merkwürdiges Beispiel eines Menschen, der sich an keine bestimmte Kirchengemeinschaft anschloss und lediglich als Philosoph und Bürger in einsamer Freiheit lebte. . Während der theistische Hobbes in dem natürlichen Menschen zumeist selbstsüchtige Bösewichte sieht, welche des ordnenden Zwangs bedürfen, löst sich dem pantheistischen Spinoza der Gegensatz von gut und böse und der Krieg aller gegen alle in der Einheit der göttlichen Natur und damit zu innerem Frieden auf. Das natürliche Recht ist ihm daher dasselbe, was die natürliche Kraft, und jedes Ding hat so viel Recht als Naturkräfte in ihm sind. . (S. 104) Spinoza hat in der That die Grundwurzel alles Rechts aufgedeckt, indem er dasselbe in der natürlichen Anlage fand und die innere Nothwendigkeit der vorhandenen Kraft als berechtigt anerkannte. Aber er hat die sittliche Naturanlage des Menschen und die natürliche Unterordnung der einzelnen Menschen unter die sittlich ordnende Macht der menschlichen Gemeinschaft oder wie man will der menschlichen Vernunft nicht" genügend . . ,,bemerkt. . und daher erst eine künstliche Erzeugung des wirklichen Rechts aus äussern Motiven zu Hülfe gerufen.. Im Grunde ist der ganze Rechtsbegriff Spinozas nur ein mechanischer und weder ein organischer noch ein sittlicher Begriff." (S.106) Im ersten Kapitel des theol.-pol. Traktates,,hat Spinoza auch seine Ansicht über den Staatszweck in jener prachtvollen Stelle ausgesprochen, welche verdiente, mit goldenen Buchstaben über den Thoren der Residenzen und der Rathhäuser eingegraben zu werden: „Aus den Grundlagen des Staates folgt, dass der letzte Endzweck desselben nicht sei, zu herrschen.“ (S. 107) ,,Indem Spinoza Religion und Philosophie scharf unterscheidet.., entwickelt er auch über das Verhältnis des Staates zur Kirche und zur Religion Ansichten . ., die erst viel später verwirklicht

worden sind." Doch bleibt die Betrachtung der Schicksale des Spinozismus in dieser späteren Zeit und der Beziehungen des Staatsmannes, der ihr den Stempel seines Geistes aufgeprägt hat, zu Spinoza dem folgenden Abschnitt überlassen.

$99. Hegel.

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An der Grenzscheide dieser neuen und der alten Zeit steht der letzte Ausläufer der Schellingschen Schule, Hegel und sein Anhang. Sein System ist (s. Gottschall Ltrgesch. II S. 144) ,,die Grundlage der modernen Bildung, die Vollendung der seit Spinoza herrschenden Denkbewegung. Zufällig war es auch hauptsächlich der Politiker Spinoza, an welchen sich der junge Hegel anschloss. Schon im Tübinger Stift hatte er mit Hölderlin, der ihm im Februar 1791 das "Ev zal na als Wahlspruch in sein Album schrieb, mit Fink, Renz u. a. Jacobis „, Briefe" geesen und besprochen. Wie diese fand er in Spinoza, was er bei Kant vermisst hatte: die „engere Verbindung von Wissen und Handeln, von Theorie und Praxis".

Während seines Aufenthaltes in der Schweiz studirte Hegel neben den Klassikern, neben Mosheim, Grotius, Kant lund Fichte besonders Spinozas theologisch-politischen Traktat. Daher schwankt seine politische Anschauung, mit ihrer Hintansetzung des Individuellen hinter das Allgemeine, zwischen der antiken und der spinozistischen Auffassung des Staatslebens. Bezeichnend für den späteren Hauptgegner der Romantik ist schon damals Hegels Polemik gegen die Formlosigkeit Jakob Böhmes, während er Spinoza beifällig zitirt. Auch ist er an der Paulusschen Herausgabe der Werke dieses Philosophen mit thätig, indem er hierzu die französischen Uebersetzungen durchsieht. Zugleich nimmt er zu den Hauptvertretern und Gegnern des Spinozismus, zu Herder, Schleiermacher, Jacobi Stellung. Mit Schelling verband ihn bekanntlich eine innige Jugendfreundschaft, und mit Goethe (s. Annalen 1806 Bd. 27 S. 226) ,,ward nach alter akademischer Weise manches philosophische Capitel durchgesprochen." Besonders nach Schillers Ableben, da Goethe (a. a. O. 1817 S. 331) sich von aller Philosophie im Stillen entfernt" hatte, war es für ihn von hohem Werte, „zu sehen und zu bedenken, wie ein Philosoph von dem, was ich meinerseits nach meiner Weise vorgelegt, nach seiner Art Kenntniss nehmen und damit gebaren mögen."

Natürlich waren dem Schüler Fichtes und Schellings die Spinozismusriecher, wie Herbart und Schlüter, bald auf den

der Rechts- und Staatsprincipien 1848 Bd. I S. 186 ff. 197. 212. 213. 214. 216) ihm nicht die rechte Anerkennung gezollt hatte, ein idealisirtes Bild des Politikers Spinoza. (S. 11) „Das Geschlecht der Oldenburghs ist noch nicht ausgestorben. Auch neuere Philosophen schlagen oft diesen Weg ein. Sie schöpfen lange aus dem reichen Geistesquell des klaren Denkers" und ,,baden sich im Aether seiner Gedankenfülle.“

Ein endgiltiges Urteil finden wir aber erst bei J. C. Bluntschli (,,Gesch. des allg. Staatsrechts" 1867 S. 102).,,Spinoza war kein practischer Staatsmann, er philosophirte über den Staat, wie über die Natur und über Gott vornehmlich um der Wahrheit willen, die zu erkennen ihm als das würdigste Ziel erschien. Ein tiefreligiöses Individuum, aber von seltener und eigener Art, gab er ein wahres merkwürdiges Beispiel eines Menschen, der sich an keine bestimmte Kirchengemeinschaft anschloss und lediglich als Philosoph und Bürger in einsamer Freiheit lebte. . Während der theistische Hobbes in dem natürlichen Menschen zumeist selbstsüchtige Bösewichte sieht, welche des ordnenden Zwangs bedürfen, löst sich dem pantheistischen Spinoza der Gegensatz von gut und böse und der Krieg aller gegen alle in der Einheit der göttlichen Natur und damit zu innerem Frieden auf. Das natürliche Recht ist ihm daher dasselbe, was die natürliche Kraft, und jedes Ding hat so viel Recht als Naturkräfte in ihm sind.. (S. 104) Spinoza hat in der That die Grundwurzel alles Rechts aufgedeckt, indem er dasselbe in der natürlichen Anlage fand und die innere Nothwendigkeit der vorhandenen Kraft als berechtigt anerkannte. Aber er hat die sittliche Naturanlage des Menschen und die natürliche Unterordnung der einzelnen Menschen unter die sittlich ordnende Macht der menschlichen Gemeinschaft oder wie man will der menschlichen Vernunft nicht" genügend . . ,,bemerkt. . und daher erst eine künstliche Erzeugung des wirklichen Rechts aus äussern Motiven zu Hülfe gerufen . . Im Grunde ist der ganze Rechtsbegriff Spinozas nur ein mechanischer und weder ein organischer noch ein sittlicher Begriff." (S.106) Im ersten Kapitel des theol.-pol. Traktates ,,hat Spinoza auch seine Ansicht über den Staatszweck in jener prachtvollen Stelle ausgesprochen, welche verdiente, mit goldenen Buchstaben über den Thoren der Residenzen und der Rathhäuser eingegraben zu werden: „Aus den Grundlagen des Staates folgt, dass der letzte Endzweck desselben nicht sei, zu herrschen.“ . . (S. 107) ,,Indem Spinoza Religion und Philosophie scharf unterscheidet.., entwickelt er auch über das Verhältnis des Staates zur Kirche und zur Religion Ansichten . ., die erst viel später verwirklicht

worden sind.“ Doch bleibt die Betrachtung der Schicksale des Spinozismus in dieser späteren Zeit und der Beziehungen des Staatsmannes, der ihr den Stempel seines Geistes aufgeprägt hat, zu Spinoza dem folgenden Abschnitt überlassen.

§ 99. Hegel.

An der Grenzscheide dieser neuen und der alten Zeit steht der letzte Ausläufer der Schellingschen Schule, Hegel und sein Anhang. Sein System ist (s. Gottschall Ltrgesch. II S. 144) „die Grundlage der modernen Bildung, die Vollendung der seit Spinoza herrschenden Denkbewegung." Zufällig war es auch hauptsächlich der Politiker Spinoza, an welchen sich der junge Hegel anschloss. Schon im Tübinger Stift hatte er mit Hölderlin, der ihm im Februar 1791 das "E za za als Wahlspruch in sein Album schrieb, mit Fink, Renz u. a. Jacobis „Briefe“ geesen und besprochen. Wie diese fand er in Spinoza, was er bei Kant vermisst hatte: die „engere Verbindung von Wissen und Handeln, von Theorie und Praxis“.

Während seines Aufenthaltes in der Schweiz studirte Hegel neben den Klassikern, neben Mosheim, Grotius, Kant lund Fichte besonders Spinozas theologisch-politischen Traktat. Daher schwankt seine politische Anschauung, mit ihrer Hintansetzung des Individuellen hinter das Allgemeine, zwischen der antiken und der spinozistischen Auffassung des Staatslebens. Bezeichnend für den späteren Hauptgegner der Romantik ist schon damals Hegels Polemik gegen die Formlosigkeit Jakob Böhmes, während er Spinoza beifällig zitirt. Auch ist er an der Paulusschen Herausgabe der Werke dieses Philosophen mit thätig, indem er hierzu die französischen Uebersetzungen durchsieht. Zugleich nimmt er zu den Hauptvertretern und Gegnern des Spinozismus, zu Herder, Schleiermacher, Jacobi Stellung. Mit Scheiling verband ihn bekanntlich eine innige Jugendfreundschaft, und mit Goethe (s. Annalen 1806 Bd. 27 S. 226) „ward nach alter akademischer Weise manches philosophische Capitel durchgesprochen." Besonders nach Schillers Ableben, da Goethe (a. a. O. 1817 S. 331) sich von aller Philosophie im Stillen entfernt" hatte, war es für ihn von hohem Werte, „zu sehen und zu bedenken, wie ein Philosoph von dem, was ich meinerseits nach meiner Weise vorgelegt, nach seiner Art Kenntniss nehmen und damit gebaren mögen."

Natürlich waren dem Schüler Fichtes und Schellings die Spinozismusriecher, wie Herbart und Schlüter, bald auf den

gegen Hegel in Schutz. ,,Wenn, wie es scheint, die meisten Schüler und Anhänger der Hegelschen Philosophie glauben, schon durch den Hegelschen Wiedereingang und durch die Lehre, dass Gott nicht nur Object, sondern auch Subject und immanentes Subject-Object sei, den Spinozismus desinficirt und überwunden zu haben, in welchem, wie sie sagen, nur ein ewiger Ausgang ohne Rückkehr sei," so ist nach Schlüters Meinung,,letzteres nur halb wahr und ersteres ein grosser

Irrtum."

Für seinen Meister trittt nun einer der grössten Schüler Hegels ein. Tadelt denn nicht Hegel selbst, meint D. Fr. Strauss (Glaubenslehre I S. 512), „an Spinoza, dass in seiner Substanz das Selbstbewusstsein nur untergegangen, nicht erhalten sei, dass ihr das Princip der Persönlichkeit fehle, dass sein Gott nicht als Geist bestimmt sei? (vgl. Hegel: Phänom. S. 14. Gesch. d. Philos. III S. 377. Logik I, 2 S. 194.) Wodurch unterschiede sich denn auch der wahre (Hegelsche) Pantheismus von dem falschen (Spinozas), wenn nicht dadurch, dass das Absolute des Letzteren ein bewusstloses Allgemeines ist, das die Persönlichkeiten, die es aus sich hervorgetrieben, wie Kronos seine Kinder, immer wieder verschlingt, ohne dadurch selbst persönlich zu werden, das erstere hingegen einzelne Persönlichkeiten nur insofern schafft und erhält, als es selbst die absolute Persönlichkeit ist?“ (S. 514) „Der Unterschied sagt Hegel selbst in dieser Hinsicht ob das Absolute nur als Substanz, oder als Geist bestimmt ist, beruht allein darauf, ob das Denken, welches seine Endlichkeiten und Vermittlungen vernichtet, seine Negationen negirt, und hiedurch das Eine Absolute erfasst hat, das Bewusstsein dessen besitzt, was es im Erkennen der absoluten Substanz bereits gethan hat, oder ob es dieses Bewusstsein nicht hat, d. h. Spinoza begreift an der Substanz nur, wie sie gesetzte Bestimmungen aufhebt, nicht, wie sie dieselben setzt, er begreift sie mithin nicht als Selbstbestimmung; er erkennt nur die Rückströmung aller Dinge in sie, nicht ebenso das Wiederausströmen von ihr, gleichsam nur ihr Venensystem, nicht auch ihr Arteriensystem, mithin fasst er sie nicht als in sich kreisendes Leben . . nicht als Person oder Geist . . Ist dies der Sinn des Hegelschen Satzes, dass die Substanz Subject sei, so haben ihn seine rechtgläubigen Schüler sehr schülerhaft ausgelegt.“

Hierauf lässt sich Trendelenburgs Bemerkung beziehen (,,Die logische Frage in Hegels System" 1843 S. 44):,,Es ist oft gehört worden und Deutschland weiss die Formel bald auswendig, dass im Gegensatze gegen den Spinozismus Hegels

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