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selbst Gott und alles und jedes Endliche ein Bestandteil Gottes sey, so ist kein Denker weniger Pantheist, als Spinoza, da er allen endlichen Dingen die wesentliche Bestandheit (Substantialität) gänzlich abspricht." (S. 339) „Bei allen diesen Grundmängeln seines Systemes kann aber Spinoza weder als Ungottlehrer, Atheist, noch als Alles-Gottlehrer, als Pantheist, bezeichnet werden, weil Gott ihm Princip und der einzige Inhalt der Wissenschaft, und durchaus von allem Endlichen keines und nichts Gott ist; weil, besondere Grundwesenheiten Gottes noch nicht erkennen, und weil, Gott als das Eine, selbe, ganze, unbedingte, unendliche Wesen anerkennen, die Erkenntnis Gottes als unbedingte ganze Erkenntnis ist, zu der nichts Eheres und Höheres, oder Nebengeordnetes hinzukommen kann, und welche, wenn sie nach ihrem Gehalt und in ihr Inneres wissenschaftlich entfaltet wird, auch einzig und allein zu der wissenschaftlichen Erkenntnis aller Grundwesenheiten Gottes, auch der Ursachlichkeit, der Freiheit, und des Wollens und Lebens Gottes führen kann.“

§ 98. Spinoza als Politiker.

An Krause knüpft sich auch eine erneute Würdigung der Verdienste Spinozas als politischen Schriftstellers an. Bekanntlich hatte bereits Ewald mit Bestimmtheit hierauf hingewiesen. So entwirft nach Krause (a. a. O. S. 336) ,,Spinoza von der Monarchie ein hohes Musterbild, wovon in unseren Tagen vieles in den constitutionellen Monarchien verwirklicht wird.“ Mit seiner entschiedenen und wohlbegründeten Forderung der Glaubensfreiheit, sowie durch die Mustergiltigkeit seines Charakters hat Spinoza,,,das lebendige Beispiel der Judenemancipation“ (Laube, Ges. Schr. Bd. I. S. 393, vgl. Castelar, Rede über Religionsfreiheit, 12. April 1869 in,,Antisemitenhammer“ S. 468), mittelbar auch manches zur Besserung der politischen Lage seiner Glaubensgenossen beigetragen. Als Republikaner fand er unter Gleichgesinnten schwärmerische Verehrung.,,Mit überzeugender Kraft“ (vgl. Auerbach, Uebersetzung 1841. Vorr. S. LXVII),,dringt er auf allgemeine Volksbewaffnung und zeigt das Verderbliche der geworbenen und besoldeten stehenden Heere.. In Cromwell sieht er nur einen „Monarchen mit anderem Namen“.

Von dem bekannten Politiker Johann Jacoby (vgl. Allg. d. Biogr.), dessen „Homo liber" er (Bd. I) eine Zusammenstoppelung Spinozischer Aussprüche nennt, schreibt Auerbach (Briefe an s.

die göttlichen Grundwesenheiten in synthetischer Methode organisch zu betrachten, geht er sogleich zu dem unbestimmten Gedanken fort, dass die Substanz in unendlich vielen Attributen bestehe, und dass die uns bekannten Attribute Gottes Denken und Ausdehnung seyen; eine Annahme, die er weder analytisch, noch synthetisch begründet hat. Dadurch verfällt Spinoza in eine unbegründete Zweiheitlehre (Dualismus), wobei noch dazu wissenschaftlich unbestimmt bleibt, ob die genannten beiden Attribute die erstwesentlichen, höchsten, und ob sie die höchsten vollständig seyen. Damit ist der Grundmangel verbunden, dass Wesen, oder Gott, nicht erkannt wird, als Ureinheit der Wesenheit über der inneren Gegenheit des Denkens und der Ausdehnung, dass also in diesem Systeme der Gedanke Gottes als Urwesens fehlt." Der Gegensatz zwischen Denken und Ausdehnung ist bei Spinoza,,als an Gott d. i. Gottes ganze Wesenheit ausmachend, nicht als in Gott und unter Gott erkannt." Ferner ist,,Gott Raum und Leibliches im Raume in, unter und durch sich, nicht aber an sich, Gott ist nicht selbst im Raume ausgedehnt. Daher fehlt auch diesem Systeme die Erkenntnis Gottes als der unbedingt schauenden, heilig in unbedingter Freiheit das eigenlebliche Gute wollenden Vorsehung. Dass Spinoza den Gedanken Gottes, und die Ursachlichkeit und das unendliche Wirken Gottes, von aller menschlichen Endlichkeit und Gebrechlichkeit rein und frei zu halten strebt, ist im echt wissenschaftlichen Geiste; dass er aber Gottes unendliches Selbsterkennen, Selbstempfinden, Selbstwollen und Selbstdarleben nicht wissenschaftlich erkennen konnte, ob er gleich Gottes Erkennen und Wollen in einem unentwickelten, unbestimmten Gedanken anerkennt, folgte aus den soeben erklärten Grundmängeln seines Systemes. Eben desshalb musste er auch die endlichen Dinge als Scheinsubstanzen betrachten. Der Grund des Unendlich-Endlichen, und der Entfaltung des Lebens in der Zeit, ist nicht nachgewiesen," auch ist ihm (S. 338),,die Gegenheit und die Vereinheit der Freiheit des individuellen Wollens und der zeitlichen Nothwendigkeit in der Entfaltung des Lebens verborgen geblieben. (S. 339) Wäre er rein in den Grundgedanken: Gott, -im Principe, geblieben, und hätte er folgerecht in wissenschaftlicher Methode die Grunderkenntnis in dem Gliedbau der Grundwissenschaft ausgebildet, so würde er auch die Grundwesenheit der Freiheit, und des freien Willens, Gottes und des Menschen wissenschaftlich gefunden haben." Jedenfalls (Anm. 2), ,,wenn man unter Pantheismus sprachgemäss die Lehre versteht, dass die Welt, als der Inbegriff aller endlichen Dinge,

selbst Gott und alles und jedes Endliche ein Bestandteil Gottes sey, so ist kein Denker weniger Pantheist, als Spinoza, da er allen endlichen Dingen die wesentliche Bestandheit (Substantialität) gänzlich abspricht." (S. 339),,Bei allen diesen Grundmängeln seines Systemes kann aber Spinoza weder als Ungottlehrer, Atheist, noch als Alles-Gottlehrer, als Pantheist, bezeichnet werden, weil Gott ihm Princip und der einzige Inhalt der Wissenschaft, und durchaus von allem Endlichen keines und nichts Gott ist; weil, besondere Grundwesenheiten Gottes noch nicht erkennen, und weil, Gott als das Eine, selbe, ganze, unbedingte, unendliche Wesen anerkennen, die Erkenntnis Gottes als unbedingte ganze Erkenntnis ist, zu der nichts Eheres und Höheres, oder Nebengeordnetes hinzukommen kann, und welche, wenn sie nach ihrem Gehalt und in ihr Inneres wissenschaftlich entfaltet wird, auch einzig und allein zu der wissenschaftlichen Erkenntnis aller Grundwesenheiten Gottes, auch der Ursachlichkeit, der Freiheit, und des Wollens und Lebens Gottes führen kann.“

$ 98. Spinoza als Politiker.

An Krause knüpft sich auch eine erneute Würdigung der Verdienste Spinozas als politischen Schriftstellers an. Bekanntlich hatte bereits Ewald mit Bestimmtheit hierauf hingewiesen. So entwirft nach Krause (a. a. O. S. 336) „Spinoza von der Monarchie ein hohes Musterbild, wovon in unseren Tagen vieles in den constitutionellen Monarchien verwirklicht wird." Mit seiner entschiedenen und wohlbegründeten Forderung der Glaubensfreiheit, sowie durch die Mustergiltigkeit seines Charakters hat Spinoza,,,das lebendige Beispiel der Judenemancipation“ Laube, Ges. Schr. Bd. I. S. 393, vgl. Castelar, Rede über Religionsfreiheit, 12. April 1869 in,,Antisemitenhammer" S. 468), mittelbar auch manches zur Besserung der politischen Lage seiner Glaubensgenossen beigetragen. Als Republikaner fand er unter Gleichgesinnten schwärmerische Verehrung. „Mit überzeugender Kraft" (vgl. Auerbach, Uebersetzung 1841. Vorr. S. LXVII),, dringt er auf allgemeine Volksbewaffnung und zeigt das Verderbliche der geworbenen und besoldeten stehenden Heere. . In Cromwell sieht er nur einen „Monarchen mit anderem Namen“.

Von dem bekannten Politiker Johann Jacoby (vgl. Allg. d. Biogr.), dessen „Homo liber" er (Bd. I) eine Zusammenstoppelung Spinozischer Aussprüche nennt, schreibt Auerbach (Briefe an s.

Jacobys hat mich natürlich auch nah berührt. Wir sind zuerst durch Spinoza einander näher getreten, soviel ich mich erinnere, schon im Jahr 45. . Er trug sich, soviel ich weiss, zeitlebens damit, ein Werk über die „Ethik" Spinozas zu schreiben und diese in eine flüssigere Form zu bringen. In der Zeit seines Gefängnisses hat er ja dann später einzelne Aphorismen edirt, und das Kapitel in Stahrs Lessing: „Lessing als Philosoph" ist von Jacoby verfasst. . . Jacoby war eine durchaus mathematische Natur, von einer Ruhe und Bestimmtheit, die an Spinoza erinnerte."

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Die erwähnten Schriften zeigen in der That einen hohen Grad von Verehrung für Spinoza. „Der freie Mensch" (Rückund Vorschau eines Staatsgefangenen. Berlin 1866. Gesamm. Schriften und Reden. Tl. 2. Hamburg 1877. S. 279 ff.) stellt sich im ersten Teile als:,,Der homo liber des Paraklet Spinoza“ dar. Es werden Kernsätze aus des Philosophen Werken lateinisch und deutsch angeführt und von Parallelstellen, besonders aus Plato, Lessing, Goethe, Schiller und Ludwig Feuerbach begleitet. Gegen letzteren nimmt Jacoby mit Recht Spinoza in Schutz: (S. 286, 287) „Der Tadel, den Feuerbach hier" („Ueber das Wesen der Religion"),,ausspricht, beruht auf einer irrthümlichen Auffassung der Spinoza'schen Lehre. Spinoza's Gott .. ist nicht blos die Natur im engeren Sinne, sondern die Weltordnung (zos, mundus) - das Naturganze, welches zugleich das bewusste menschliche Wesen . . . in sich schliesst und daher mit Recht als das ,,vollkommenste" Wesen bestimmt wird.,,Wir in Gott und Gott in uns!" Dies Johanneische Wort ist der Schlüssel zur Einheitslehre Spinoza's: Einheit des Allgemeinen und Einzelnen ist das Wirkliche. Die Erkenntniss dieser Einheit ist Wahrheit. Die Aeusserung dieser Einheit im Handeln ist Tugend. (Handle stets so, dass dein Handeln allgemeine Regel für Alle sein kann!) Das Offenbarwerden dieser Einheit in der sinnlichen Erscheinung ist Schönheit. . . ." Im zweiten Teile der Schrift (S. 298 f. ,,Die Erfüllung unserer Zeit") wird aus den angeführten Sätzen die Lehre gezogen: ,,Die Weltgeschichte ist die stetig fortschreitende Entwickelung der menschlichen Erkenntniss und die Erkenntniss ist der Weg zur Menschenliebe und zum Menschenglück . . . Unfreiheit, Knechtssinn und böser Wille sind nicht anders zu heilen, als durch Beseitigung des Gottesaberglaubens und der Unwissenheit; . . . Die Erkenntniss der Wahrheit macht den Menschen frei, gut, glücklich!.. Wie Samenkorn und Frucht dem Wesen nach Eins sind, so auch Erkennen und Lieben . . Wie Erkenntniss

nnd Wille Eins, so sind auch Verstand und Wille, Denken und Thun, Einsicht und Charakter ein und dasselbe ... Der freie, klarbewusste Mensch . . . vollzieht . . . aus selbsteigenem Entschluss mit voller sittlicher Freiheit das Gesetz der Nothwendigkeit, das er zugleich als Gesetz seiner eigenen Natur erkannt hat. . . Die Erkenntniss der Einheit unserer selbst mit dem Weltganzen schliesst die Erkenntniss der Einheit des Menschengeschlechts, und ebenso die Liebe zum Weltganzen die Menschenliebe in sich. . In.. [dem]Kampfe zwischen Freiheit und Unfreiheit, zwischen Recht und Unrecht schwankt scheinbar auf und ab die Wagschale des Erfolges; allein dem schärferen Blicke entgeht es nicht, dass der Kampf ein — stetig fortschreitender Sieg des Guten ist . . Der Mensch ist dem Menschen Helfer, Befreier, Erlöser, der Mensch ist dem Menschen ein

Gott!"

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In der anderen Schrift Lessing als Philosoph“ (Ges. Schr. TI. II S. 145 ff.) spricht Jacoby Spinoza den ausschlaggebenden Einfluss auf Lessings Weltanschauung zu.

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Spinozas Standpunkt vertritt er auch mit aller Entschiedenheit in Materialismus und Idealismus" (in der Waage" 18. Aug. 1876. Ges. Schr. II. S. 101 ff.). Hier heisst es (S. 103): „Nur die Einheit von Körper und Geist ist. . wirklich vorhanden; die Trennung beider, der körperlose Geist und der geistlose Körper ist nichts weiter als Schein und Täuschung. Diese letzte Ansicht ist weder Dualismus noch Idealismus noch Materialismus. Sie ist die allein naturwahre und hat seit Spinoza in der Philosophie immer mehr Geltung gewonnen. Es handelt sich bei ihr darum, den Grund der subjectiven Auffassung darzulegen, zu erklären, wesshalb der Mensch Körper und Geist irrthümlich für zwei verschiedene Dinge hält . . . Nur durch die naturwissenschaftliche, rein inductive Methode ist die Aufgabe zu lösen und die Richtigkeit der Ansicht darzuthun." (S. 129) „[Der ächte Denker] weist diese ganze täuschende Begriffsdialectik und die darauf fussenden speculativen Systeme der Religion und Philosophie definitiv von sich ab, um mit frischen gesunden Sinnen sich der kosmologischen Forschung hinzugeben und zu einer immer reichern und vollständigern Selbst- und Welterkenntniss, und darauf begründeten Selbstherrschaft und Weltherrschaft zu gelangen.

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In kräftigen Zügen entwirft ferner J. E. Horn („Sp. s. Staatslehre zum ersten Male dargestellt" 1851), nachdem wiederum Sigwart („Vergl. der Rechts- und Staatstheorien des B. Spin. und des Thom. Hobbes" 1842) energisch

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