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im Vergleich mit Gegnern, die seine Tiefe nicht verstehen, oder nicht fühlen, und mit solchen, die ohne es selbst recht zu wissen, halb auf ähnlichen Irrwegen wandeln, ist nicht bloss die wissenschaftliche Klarheit und Entschiedenheit seiner Denkart, sondern auch, dass alles in dieser so aus einem Gusse war, weil er fühlte, wie er dachte, und ganz von seinem Gefühle beseelt war. Man kann es nicht Naturbegeisterung nennen, wie der Dichter, der Künstler oder der Naturforscher sie fühlt: noch weniger eigentliche Liebe oder Andacht, denn wo fände diese eine Gegend ohne Glauben und wirklichen Gott? Aber ein alldurchdringendes Gefühl des Unendlichen ist es, was ihn immer bey all seinem Denken begleitet, und ihn ganz über die Sinnenwelt erhebt. ." Als hätte es nie eine Romantik gegeben und ein Friedrich Schlegel ihr Wort geführt, heisst es weiter:,,Eine. . tief in den Mittelpunkt des Lebens eingreifende geistige Krankheit ist der feinere Pantheismus, der unter den mannichfachsten Formen, in Deutschland herrschend geworden ist, und bald in der zauberischen Naturfülle einer beseelten Phantasie, bald kritisch abwägend und dem Scheine nach absondernd und wenigstens das Einzelne historisch erkennend, obwohl nie das Ganze verstehend, hie und da auch noch in dem alten schon abgenutzten Truggewande dialektischer Spitzfindigkeit und ideeller Leerheit auftritt . . . Diesem Uebel kann nur eine wahrhaft christliche Philosophie entgegentreten.“

§ 80. Rahel.

Wie Schlegels Frau von ihrem Manne für den Spinozakult gewonnen war, so zeigt auch die Freundin des jungen Schleiermacher, die Königin des Berliner Romantikerzirkels, Rahel, lebhafte Neigung für den grossen Volksgenossen. Dies lag einer eifrigen Verehrerin Goethes und Fichtes, die einen Fr. Schlegel, Novalis, Schleiermacher, Schelling, Steffens teils persönlich, teils aus ihren Schriften kannte, nicht gar zu fern. Varnhagen, welcher (Denkwürdigkeiten Bd. 2. 1837) selbst bei seinem Freunde David Mendel Spinoza studirt hatte, erzählt von seiner Frau er nennt sie die dritte Lichtgeburt neben Christus und Spinoza (Bd. 8 S. 732): Sie konnte muthig und heiter den Ansichten Spinozas und des Pantheismus folgen, sie erbebte vor keinem Gedanken, der sich als richtige Folgerung darstellen durfte; nichts, was aus ehrlichem Suchen hervorging, wollte sie verwerfen." Rahel selbst bekennt (Rahel, ein Buch des Andenkens. Bd. II S. 38 f.): „Spinoza gefällt mir sehr, er denkt sehr ehrlich und kommt bis zum tiefsten

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Absoluten und drückt es aus; und hat den schönen Karakter des Denkers: unpersönlich, mild, still; in der Tiefe beschäftigt und davon geschickt." Doch kann sie für ihre Person sich nicht von dem Glauben ihrer Kindheit trennen. (Denkw. a. a. O.) ,,Ich hasse jedes Bild, jedes willkürlich und kleinlich bestimmte, das wir uns von dem in kein Bild zu Fassenden machen wollen, selbst die allgemeine Vorstellung einer Persönlichkeit des Urseins ist mir beschränkt und willkürlich aber ich kann nicht anders, ich bin doch immer wieder darauf zurückgewiesen, und ich kann es mir nicht nehmen lassen, das Weltall und die ganze geistige Schöpfung erscheinen mir doch nur als Glieder, zu denen es ein Haupt geben muss! . . (S. 733) Mein Geist kann immer höher steigen, mächtiger, schauender werden; und ist Gott mit Allem Eins, so ist's wie mit uns selbst; auch zu uns gehört unser ganzer Leib und die Intelligenzen aller unserer Organe, und es ist doch eine vornehmste da: der Kopf weiss vom Fuss; der nicht vom Kopf!"

§ 81. Solger.

Aehnlich stellt sich der Aesthetiker und Religionsphilosoph der Romantik, Solger, der Schüler Fichtes und Schellings, zu Spinoza. Er schreibt am 23. Jan. 1818 an Abeken (,,Nachgel. Schriften" 1826 Bd. I S. 605): „Eben so spricht sich gut von Spinozas Pantheismus, welcher zwar behauptete, dass Gott in Allem sey, ihn aber doch immer nur im Begriffe der Existenz eines jeden Dinges denken konnte, dadurch zum Fatalisten ward, nicht dahin kam, seine Wirklichkeit im persönlichen Selbstbewusstsein anzuschauen." Doch gibt er dem Spinozismus den Vorzug vor jedem anderen philosophischen Systeme. In einem Briefe an Fr. v. Raumer 1807 (S. 131) gelobt Solger: ,,Ich will unserem gemeinschaftlichen Lehrer Spinoza von keiner Seite Schande machen. Er wohnt bey mir und beschäftigt beynahe meinen ganzen Vormittag, und mein Bruder hat seinem dreijährigen Albrecht schon beygebracht: Spinoza sey ein kluger Kerl gewesen und Onkle Karl sage, er hätte alles besser gewusst als die andern. Ich bin noch mit der Ethik beschäftigt und schreibe jetzt darüber. . die durchsichtige Klarheit und Ruhe seiner Darstellung reizt täglich höher meine Bewunderung. Wie sehr sticht gegen das Brausen und Wogen mancher neuesten Philosophen diese reine Stille ab, welche Winckelmann bei Kunstwerken mit der Ruhe des Meeres vergleicht. Seine mathematische Darstellung ist mit einer staunenswürdigen Beurteilung gewählt und durchgeführt, und

gewiss die beste für diese Art des dialektischen oder vielmehr logischen Philosophirens." Ein Spinozisches Selbstbewusstsein spricht aus den Worten (An den Bruder 29. Aug. 1807):,,Bald hoffe ich mit Spinoza sagen zu können: Non dico me optimam invenisse philosophiam . . Denn dies ist alles, was der Mensch erreichen kann." Ueber den Tractatus de emendatione intellectus schreibt er an Krause den 19. Nov. 1809 (S. 175): Weil ich doch vor allen Dingen die Erkenntnissart dieser Menschen verbessern muss, las ich neulich wieder den Spinoza de emend. int., und als ich die theuern Worte des reinen, einfältigen Weisen las: Postquam intellexi, omnia, quae . . da suchte ich mir nach einer Erkenntniss, wodurch ich perpetua et aeterna fruerer laetitia; da füllte es mir wieder das ganze Herz an. Ich will meinen Weg gehen, wie dieser Gerechte; richte ich etwas für die andern aus, so ist es gut, wo nicht, so mag man mich übrigens still begraben, bin ich doch in mir selbst glücklich gewesen.

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§ 82. Novalis.

Ihren klassischen Ausdruck fand diese romantische Resignation in Novalis, dem „,romantischen Propheten", dem eigentlichen Dichter der Schule. Er wurzelt in Fichte, geht aber, wie Fr. Schlegel, bald über diesen Standpunkt hinaus; auch dem Fries'schen Gedankenkreise steht er nicht fern. Ganz Fichtisch spricht er von dem grossen Ich, von welchem wir einzelnen gewöhnlichen Ich und Du" nur Variationen, nur der Abglanz sind. „Wir sind gar nicht Ich, wir können und sollen aber Ich werden, wir sind Keime zum Ich-Werden. Wir sollen Alles in ein Du, in ein zweites Ich verwandeln, nur dadurch erheben wir uns selbst zum grossen Ich, das Eins und Alles zugleich ist.“ „Gott ist gerade so persönlich und individuell, wie wir, denn unser sogenanntes Ich ist nicht unser wahres Ich, sondern nur sein Abglanz.“ Durch die Verneinung unseres Ich gelangen wir zum Absoluten, und diese Aufhebung des individuellen Ich ist die Hauptaufgabe unseres Lebens. Doch geht Novalis bald weiter. Das Anfangen des Philosophirens mit dem Menschen lässt er zwar als kritisch gelten, hält es aber für noch kritischer, bei dem Genius, dem idealen Menschen, und für die Höhe der Kritik, bei Gott zu beginnen. Damit hat er in der That den Standpunkt Fichtes mit dem Spinozas vertauscht, für welchen er stets des Lobes voll ist.

Er hatte diesen, was ja aus seinen innigen Beziehungen

neben der Bibel, neben Zinzendorf, Lavater und Fichte gelesen. In fast allen seinen schriftlichen Aeusserungen findet sich Spinozas Name. So erwähnt er ihn (s. „Schriften“ hrsg. von Tieck und Bülow. Berl. 1846. Tl. 3 S. 139) in einem Briefe an Reinhold vom Jahre 1791 unter den zu wenig gewürdigten Grössen der Geschichte. Besonders in seinem Streben, die Philosophie mit der Religion zu versöhnen, kam ihm Spinoza auf halbem Wege entgegen. (,,Moralische Ansichten" a. a. O. TI. 2 S. 289) Spinoza und andere haben mit sonderbarem Instinkt alles in der Theologie gesucht, die Theologie zum Sitz der Intelligenz gemacht. Spinozas Idee von einem kategorischen, imperativen, schönen und vollkommenen Wissen, einem an sich befriedigenden Wissen, einem alles übrige Wissen annihilirenden und den Wissenstrieb angenehm aufhebenden Wissen, kurz, einem wollüstigen Wissen (welche Idee allem Mysticismus zu Grunde liegt) ist äusserst interessant." Auch nach Novalis muss (S. 293) „das System der Moral System der Natur werden." Spinoza, den er wie die meisten Romantiker verkennt, ist (S. 305),,ein Gott-trunkener Mensch. Der Spinozismus ist eine Uebersättigung mit Gottheit; Unglauben ein Mangel an göttlichem Organ und an Gottheit." Diese krankhaft romantische Auffassung Spinozas bei Novalis wirkt noch lange in der deutschen Dichtung, selbst bei den erklärten Gegnern der Romantik, nach.

§ 83. Heine.

So hat wohl selten jemand berufener und schöner Spinozas Lob gesungen, als sein Glaubensbruder Heinrich Heine. Prüfen wir aber sein Urteil auf seinen wissenschaftlichen Wert hin, so finden wir es zum Teil unselbständig, zum Teil entschieden falsch. So irrt Heine, wenn er, auf dem Wege von Hegel zu Feuerbachs Anthropotheismus, sich allem Anschein nach mit Spinoza in Uebereinstimmung glaubt bei der Annahme, dass die Gottheit erst im Menschengeiste zum Bewusstsein komme; wenn er sich auf ihn, wie auf das Hellenentum, berufen möchte für die Emanzipation des Fleisches. (,,Deutschland" I Buch 2. Hoffm. u. Campe 1884. S. 54) „Es ist eine irrige Meinung, dass diese Religion, der Pantheismus, die Menschen zum Indifferentismus führe. Im Gegentheil, das Bewusstsein seiner Göttlichkeit wird den Menschen auch zur Kundgebung derselben begeistern, und jetzt erst werden die wahren Grossthaten des wahren Heroenthums diese Erde verherrlichen.. Wir befördern das Wohlsein der Materie, das materielle Glück der Völker,

nicht weil wir gleich den Materialisten den Geist missachten, sondern weil wir wissen, dass die Göttlichkeit des Menschen sich auch in seiner leiblichen Erscheinung kundgiebt, und das Elend den Leib, das Bild Gottes, zerstört und aviliert, und der Geist dadurch ebenfalls zu Grunde geht... Ihr "Republikaner „verlangt einfache Trachten, enthaltsame Sitten und ungewürzte Genüsse: wir hingegen verlangen Nektar und Ambrosia, Purpurmäntel, kostbare Wohlgerüche, Wollust und Pracht, lachenden Nymphentanz, Musik und Komödien ..

Deutschland ist der gedeihlichste Boden des Pantheismus; dieser ist die Religion unserer grössten Denker, unserer besten Künstler . . der Pantheismus ist das öffentliche Geheimnis in Deutschland. . der Pantheismus ist die verborgene Religion Deutschlands." Sehr wahr! Nur hat dieser pantheistische Naturglauben von Haus aus nichts mit Spinoza zu thun. Der nordische Fichtenbaum, der von der indischen Palme träumt, die Lotosblume, die sich nach dem Monde sehnt, dies sind dichterische Gegenstände, welche deutlich genug ihre Heimat in der,,mondbeglänzten Zaubernacht" der Romantik verraten. Vom Ufer des Ganges, aus dem Urwald Germaniens stammt dieser Pantheismus; und sein Prophet Heine ist darin urdeutsch, so wenig man ihn auch gegenwärtig im eigenen Vaterlande dafür gelten lassen will.

Doch zeigt sich in allem, was er von Spinoza sagt, seine glänzende Gabe, immer den treffendsten und schönsten Ausdruck zu finden, mag er von Spinozas unglücklichem Schicksal oder von Goethes, von Schellings Spinozismus reden (a. a. O. S. 48). Bei der Lektüre des Spinoza ergreift uns ein Gefühl wie beim Anblick der grossen Natur und ihrer lebendigsten Ruhe. Ein Wald von himmelhohen Gedanken, deren blühende Gipfel in wogender Bewegung sind, während die unerschütterlichen Baumstämme in der ewigen Erde wurzeln . . Man wird angeweht wie von den Lüften der Zukunft. Der Geist der hebräischen Propheten ruhte vielleicht noch auf ihrem späten Enkel.“ Sein Wandel war „rein und makellos wie das Leben seines göttlichen Vetters, Jesu Christi. . Keiner hat sich jemals erhabener über die Gottheit ausgesprochen wie Spinoza. Statt zu sagen, er leugne Gott, könnte man sagen, er leugne den Menschen . . . Der Gedanke ist am Ende nur die unsichtbare Ausdehnung und die Ausdehnung ist nur der sichtbare Gedanke.. 56.. Merkwürdig ist es, wie die verschiedensten Parteien gegen Spinoza gekämpft. Sie bilden eine Armee, deren

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