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Auch Claudius erscheint auf Jacobis Seite. Doch konnte er einen gegen die Berliner gerichteten Aufsatz nirgends unterbringen. Selbst Wieland, der übrigens Jacobi in seinem Verhältnisse zu Spinoza nicht ganz fernsteht, versagt ihm die Aufnahme in den „Merkur“.

§. 51. Hamann.

Besonders eifrig zeigt sich Hamann, der auch schon am 14. Dez. Kant für Jacobis Sache interessirt wissen will. Er wirbt für den Freund im Norden, um die Gegner im eigenen Lager zu fassen. Jacobi hätte sich keinen treueren Bundesgenossen wünschen können. Hamann war nicht nur der erklärte Feind der Aufklärungsphilosophie, er hatte auch vor kurzem Spinoza kennen gelernt und fühlte sich von ihm abgestossen. Schon am 1. Juni 1785 bescheinigt er Jacobi den Empfang der „Briefe" und am 28. Sept. ermutigt er ihn, Mendelssohn zuvorzukommen. Er macht sich Hoffnung auf Kants Beistand und zieht Kraus und Hippel auf seine Seite, ein Eifer, für den sich Jacobi durch die grösste Offenheit erkenntlich zeigt. Dadurch ermutigt, wirbt und spionirt Hamann, wie seine Briefe bis Ende 1785 zeigen, immer emsiger. Sein sehnlichster Wunsch ist es, Kant zu gewinnen, der sich jedoch immer wieder aus der Schlinge zieht. Niemand verfügt über einen reicheren Schimpfwörterschatz gegen Mendelssohn, als Hamann. Erst bei der Nachricht von dem Ableben des Gegners regt sich, in der Erinnerung an die einstige Freundschaft, ein Gefühl der Dankbarkeit in ihm. Doch als Jacobis Benehmen an Mendelssohns Tod Schuld gegeben wird, hält er wieder Stange und fällt in die alte Rolle des judenfresserischen Bramarbas zurück.

Ueberhaupt war durch Mendelssohns Tod eine kleine Wendung im Kampfe eingetreten. Ohne Zweifel litt seine Sache durch die apotheosirende Reklame, zu welcher seine Berliner Freunde seinen Namen missbrauchten. Kant blieb trotz der Versuche, ihn für das Schiedsrichteramt zu gewinnen, für seine Person neutral. Doch schrieb unter seiner Aegide 1786 Jacob in Halle gegen Mendelssohn. Besonders oft wird in diesem Streit auch ein Name erwähnt, der sich die sonderbarsten Verstümmelungen gefallen lassen muss. Er gehört einem Schützling Jacobis, Wizenmann, der ausser seiner, aus Magen

Freund der Geschichte keinen Grund zur Erinnerung gegeben hat. In den ungeziemendsten Ausdrücken vertritt er gegen Mendelssohn die Sache des positiven Christentums. Dieser Umstand sowie sein tragisches Geschick und vor allem Jacobis Empfehlung erwarben ihm in seinen Kreisen viel Anteil. Doch steht sein Benehmen noch weit zurück hinter demjenigen, welches der berüchtigte Joh. Heinrich Schulz in seiner Schmutzschrift zu Tage fördert.

Im allgemeinen hatten aber Jacobis Benehmen, der natürlich Mendelssohns letzte Schrift nicht unerwidert lassen durfte, und dessen, mit dem Streite in Beziehung gebrachter, Tod doch manchen auf Mendelssohns Seite gerufen. So kehrt Goethe, der sich immer mehr vom Kampfplatze zurückgezogen hatte, schon im Mai 86, nachdem ihm Jacobi seine zweite Streitschrift zugesandt, ihm noch entschiedener den Rücken. Der einzige, mit welchem er in der Spinozafrage übereinstimmte, war Herder. Dieser hatte anfangs Mendelssohns Freundschaft gesucht; seine leicht verletzbare Eitelkeit, sein Verhängnis, hatte sich aber hindernd dazwischen gelegt. Mit Jacobi von früher her befreundet, hatte er denn auch an dessen Seite am Kampfe teilgenommen. Doch schon am 16. September 85 hatte er Jacobis Fahne verlassen, um 1787 mit seinem längst geplanten „Gott" selbständig auf den Plan zu treten.

Was Jacobi noch an Gefolgschaft bleibt, fesselt an ihn entweder persönliche Freundschaft oder Hass gegen Mendelssohn und dessen Parteigänger.

$ 52. Stolberg.

So kann Graf Stolberg seiner Entrüstung über die Berliner, seiner Freude über die Entdeckung des Lessingschen Spinozismus sowie über den Abfall des Mendelssohnianers Moritz gar nicht Genüge thun.

§ 53. Joh. v. Müller.

Auch Forster, der Naturforscher, und Johannes von Müller, der Historiker, halten zu Jacobi. Der letztere, zugleich mit Herder eng befreundet, schreibt (April 86) aus Mainz über Jacobis Spinoza": „Der Anfang (peroratio) gefällt mir, ich habe ihm über dieses Buch geschrieben und kann seine Terminologie nicht annehmen." Unter dem 15. Oct. heisst es:

„Der Streit Jacobis mit Mendelssohn ist wichtig und nützlich; seine Gedanken sind meine: die Religion ist ursprünglich durch Gott in den ersten Menschen gekommen, war Vätersage, bis Schrift nöthig ward, und wird in gewissen Zeiten der Verdunkelung durch Männer Gottes und Begebenheiten erneuert; Jesus Christus aber ist der Schlüssel der Historie."

Ueber Schulzens Schandschrift urteilt Müller am 30. Dez. 86: „Der Schulze, welcher in Zopf und Stiefeln geprediget und seiner Profession ein Atheiste ist, hat den entlarvten Mendelssohn" geschrieben; es ist einiges wahres in dem Lästerbüchlein, und besonders die lustige Laune auf Unkosten E." [Engel] ,,und M." [Moritz], die ich nicht eben bedauere."

$ 54. Hemsterhuis.

Ferner zählte Jacobi schon vor dem Streite einen Anhänger in dem Haupte der holländischen Philosophen, in Hemsterhuis, der sich selbst gegen die Anklage des Spinozismus zu wehren hatte.

§ 55. Jean Paul.

Etwas abseits vom Kampfgetümmel, wenn auch mit wohlwollender Neutralität für Jacobi, stand dessen und Herders gemeinsamer Freund Jean Paul.

§ 56. Lavater.

Am zuverlässigsten erwies sich aber Lavater. Hamann hatte sich bei aller Anhänglichkeit an Jacobi doch zuletzt durch dessen Liebäugeln mit dem Katholizismus sowie durch den gemeinen Ton seiner Vasallen gegen Mendelssohn und zum Teil gegen Spinoza, dessen Geistesschärfe ihm bei aller Verfehltheit der Methode stets Bewunderung abgerungen, von ihm abgestossen gefühlt.

An seine Stelle tritt nun Lavater. Dieser bleibt weder mit Hamann einseitig auf dem Standpunkt der Schrift, noch wie Jacobi bei dem schreienden Widerstreit zwischen Denken und Fühlen stehen. Er sucht sie beide mit einander zu vereinigen. Man kann kaum begeisterter von Spinoza reden, als es Lavater in seinen „Physiognomischen Fragmenten" thut, die ja im letzten Grunde auf Spinozas Lehre von der Uebereinstimmung

Rationalismus zieht er entschieden den Atheisten Spinoza vor, wenn er eine Demonstrirbarkeit Gottes aufgibt. Als Spinozist, betrachtet Lavater sich selbst als Maschine, als Bibelgläubiger hingegen, als ein freihandelndes Wesen. Darum hält er auch vor Lichtenberg mit seinem Beifall für Spinoza nicht zurück, der uns, nach den übrigen Zeugnissen einer solchen Neigung Lavaters, weniger überrascht, als Lichtenberg selbst, der ihn bei dem vermeintlichen stockfinsteren Orthodoxen am wenigsten erwartet hätte. Er nimmt an dem Fortgang des Kampfes den regsten Anteil und sorgt für die Verbreitung der Jacobischen Schrift in seinen Kreisen.

§ 57. Rehberg.

Dagegen war Jacobi mit seiner Aufdringlichkeit an anderen Stellen auf offenen Widerspruch gestossen. So bei Rehberg, mit dem er trotzdem in ehrlicher Feindschaft verkehren will. Rehberg äussert sich zu verschiedenen Malen verschieden über Spinoza. Schon im Jahre 1779 hatte er sich um den Preis der Berliner Akademie beworben und bei dieser Gelegenheit in Leibniz den einzigen Ausweg aus dem Irrsal des Spinozismus gesehen. Doch näheres Eingehen auf Spinoza hatte ihn immer mehr für diesen eingenommen. 1787 gab er Spinozas Fatalismus und Determinismus entschieden den Vorzug vor Leibnizens Optimismus und Willensfreiheit. Er will sogar, wie später Hegel, den Spinozismus, den er für den einzig zulässigen Theismus hält, symbolisch mit dem Christentume vereinigen. Den Vorwurf, den sich Rehberg dadurch aufgeladen, bemüht er sich später (1828), als hochgestellter Würdenträger und bekannter Publizist zur Zeit der Reaction, mit vielem Beugen und Wenden, abzuwälzen. Doch ist er auch jetzt noch stolz darauf, als einer der ersten für Spinoza eingetreten zu sein. Rehberg sieht im Spinozismus den Ort, wo alle, auch die verschiedensten, Parteien friedlich beieinander stehen könnten. Als Beweis hierfür gilt ihm Goethe, den er persönlich kannte, mit einem Spinozismus, in dem sich Idealismus und Realismus harmonisch vereinigen. Dies begründet Rehberg ganz richtig damit, dass Spinoza sein System rein abstrakt entworfen, ohne Rücksicht auf die Welt der wirklichen Dinge und die Erklärung ihrer Entstehung, worin notwendigerweise die Meinungen auseinandergehen und sich Parteigegensätze bilden. Nun will aber Rehberg bei alledem nur die Absicht gehabt haben, Spinoza als den konsequentesten Systematiker wahrheitsgemäss darzustellen, um, als echter Kantianer, in ihm und durch ihn alle Metaphysik als hinfällig zu erweisen.

§ 58. Garve.

Derjenige, der Kants Lehre mit unter den ersten einer sorgfältigen Kritik unterzogen hat, Garve, ist zugleich einer der strengsten Richter über Jacobis Vorgehen gegen Mendelssohn. Jacobi will von einem Interesse Garves für seine „Briefe“ gehört haben und sendet ihm ein Exemplar seiner Schrift. Wie sehr hätte er aber staunen können, wenn er Garves Mitteilungen davon an Weisse und Zollikofer würde gelesen haben. Nirgends ist sein Benehmen schärfer verurteilt worden. Besonders unwillig wendet sich in Garve der ehrliche Protestantismus des Aufklärers gegen die katholisirenden Neigungen, welche die ,,Jacobiner" zur Schau trugen. Mit Herder stimmt er im Lobe Spinozas überein. Er schätzt die Ethik nicht allein als Anregung zu Denkübungen, sondern ganz besonders in ihren psychologischen Stücken, für die er, wie Mendelssohn, aus der Schule der Engländer gründliches Verständnis mitbrachte. Nur von Spinozas Metaphysik will er nichts wissen. Hatte Rehberg Spinozas Substanz als die unendliche göttliche Denkkraft gefasst, die alle denkenden Einzelwesen in der Einheit ihres Bewusstseins enthält, so erscheint Garve der Spinozismus nur als krasser Materialismus.

§ 59. Platner.

Gleichfalls ein Gegner Kants und Jacobis, schliesst sich Platner doch in der Auffassung des Spinozismus enger an Rehberg und Herder an, so vorsichtig er auch im übrigen über Spinoza urteilt. Er findet einen Dualismus mit dem Spinozismus verträglich, verteidigt diesen gegen die Anklage des Atheismus und nähert sich ihm, als einer der getreuesten Leibnizianer, sowohl in der Lehre von der Materie, als auch durch seinen Determinismus.

60. Jacobi.

Und doch hatte, abgesehen von seinem Verhältnisse zu Mendelssohn, trotz aller Gegnerschaft Jacobi in der Auffassung des Spinozismus das Recht auf seiner Seite. Wie seine ganze Erscheinung in der Geschichte der Philosophie, so ist besonders seine Stellung zu Spinoza eine höchst merkwürdige. zweifellos, dass seit Jacobi sich ein ganz neues richtigeres Verständnis des Spinozismus angebahnt, und ebenso sicher, dass niemand mehr zu seiner Verbreitung beigetragen hat, als er. Und doch erscheint gerade Jacobi als Spinozas entschiedenster Gegner. Jacobi stellt in seiner ganzen Denkweise eine be

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