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ΤΟ

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72. Vineta

Aus des Meeres tiefem, tiefem Gruṛde
Klingen Abendglocken dumpf und matt,
Uns zu geben wunderbare Kunde
Von der schönen alten Wunderstadt.

In der Fluten Schoß hinabgesunken
Blieben unten ihre Trümmer stehn;
Ihre Zinnen lassen goldne Funken
Wiederscheinend auf dem Spiegel sehn.

Und der Schiffer, der den Zauberschimmer
Einmal sah im hellen Abendrot,
Nach derselben Stelle schifft er immer,
Ob auch ringsumher die Klippe droht.

Aus des Herzens tiefem, tiefem Grunde
Klingt es mir wie Glocken, dumpf und matt;
Ach, sie geben wunderbare Kunde
Von der Liebe, die geliebt es hat.

Eine schöne Welt ist da versunken,
Ihre Trümmer blieben unten stehn,
Lassen sich als goldne Himmelsfunken
Oft im Spiegel meiner Träume sehn.

Und dann möcht' ich tauchen in die Tiefen,
Mich versenken in den Wiederschein,
Und mir ist, als ob mich Engel riefen

In die alte Wunderstadt herein.

Wilhelm Mäller

73. Sturm

Es wütet der Sturm,

Und er peitscht die Wellen,

Und die Welln, wutschäumend und bäumend,
Türmen sich auf, und es wogen lebendig

Die weißen Wasserberge,

Und das Schifflein erklimmt sie,

Hastig mühsam,

Und plöglich stürzt es hinab

In schwarze, weitgähnende Flutabgründe. —

Meer!

Mutter der Schönheit, der Schaumentstiegenen !
Großmutter der Liebe! schone meiner!
Schon flattert, leichenwitternd,

Die weiße, gespenstische Möwe

Und wezt an dem Mastbaum den Schnabel
Und lechzt voll Fraßbegier nach dem Herzen,
Das vom Ruhm deiner Tochter ertönt,
Und das dein Enkel, der kleine Schalk,
Zum Spielzeug erwählt.

Vergebens mein Bitten und Flehn!
Mein Rufen verhallt im tosenden Sturm,
Im Schlachtlärm der Winde.

Es braust und pfeift und prasselt und heult,
Wie ein Tollhaus von Tönen!

Und zwischendurch hör' ich vernehmbar
Lockende Harfenlaute,

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Sehnsuchtwilden Gesang,

Seelenschmelzend und seelenzerreißend,
Und ich erkenne die Stimme.

Fern an schottischer Felsenküste,
Wo das graue Schlößlein hinausragt
über die brandende See,

Dort, am hochgewölbten Fenster,
Steht eine schöne, kranke Frau,
Zartdurchsichtig und marmorblaß,
Und sie spielt die Harfe und singt,

Und der Wind durchwühlt ihre langen Locken
Und trägt ihr dunkles Lied

über das weite, stürmende Meer.

74. Seemorgen

Der Morgen frisch, die Winde gut,
Die Sonne glüht so helle,

Und brausend geht es durch die Flut;

Wie wandern wir so schnelle!

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Die Wogen stürzen sich heran;

Doch wie sie auch sich bäumen,

ΙΟ

Dem Schiff sich werfend in die Bahn,

In toller Mühe schäumen :

Das Schiff, voll froher Wanderlust,
Zieht fort unaufzuhalten,

Und mächtig wird von seiner Brust
Der Wogendrang gespalten.

Heine.

Gewirkt von goldner Strahlenhand
Aus dem Gesprüh' der Wogen,
Kommt ihm zur Seit ein Jrisband
Hellflatternd nachgeflogen.

So weit nach Land mein Auge schweift,
Seh' ich die Flut sich dehnen,
Die uferlose; mich ergreift
Ein ungeduldig Sehnen.

Daß ich so lang euch meiden muß,
Berg, Wiese, Laub und Blüte!-
Da lächelt seinen Morgengruß
Ein Kind aus der Kajüte.

Wo fremd die Luft, das Himmelslicht,

Im kalten Wogenlärme,

Wie wohl thut Menschenangesicht

Mit seiner stillen Wärme!

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Lenau.

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75. Croft

So komme, was da kommen mag!
So lang du lebest, ist es Tag.

Und geht es in die Welt hinaus,
Wo du mir bist, bin ich zu Haus.

Ich seh' dein liebes Angesicht,

Ich sehe die Schatten der Zukunft nicht.

Storm.

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