96. Un den Mond
Füllest wieder Busch und Thal Still mit Nebelglanz,
Lösest endlich auch einmal
Meine Seele ganz;
Breitest über mein Gefild Lindernd deinen Blick,
Wie des Freundes Auge mild über mein Geschick.
Jeden Nachklang fühlt mein Herz Froh- und trüber Zeit,
Wandle zwischen Freud' und Schmerz In der Einsamkeit.
Fließe, fließe, lieber Fluß!
Nimmer werd' ich froh;
Einsam wandelt dein Freund im Frühlingsgarten, Mild vom lieblichen Zauberlicht umflossen, Das durch wankende Blütenzweige zittert, Adelaide!
5 In der spiegelnden Flut, im Schnee der Alpen, In des sinkenden Tages Goldgewölken, Im Gefilde der Sterne strahlt dein Vildnis, Adelaide !
Abendlüftchen im zarten Laube flüstern, Silberglöckchen des Mais im Grase säuseln, Wellen rauschen, und Nachtigallen flöten: Adelaide!
Einst, o Wunder! entblüht auf meinem Grabe Eine Blume der Asche meines Herzens;
Deutlich schimmert auf jedem Purpurblättchen:
98. Ein Fichtenbaum steht einsam Ein Fichtenbaum steht einsam Im Norden auf kahler Höh'. Ihn schläfert; mit weißer Dece Umhüllen ihn Eis und Schnee.
Er träumt von einer Palme, Die fern im Morgenland Einsam und schweigend trauert Auf brennender Felsenwand.
99. Du meine Seele, du mein Herz
Du meine Seele, du mein Herz, Du meine Wonn', o du mein Schmerz, Du meine Welt, in der ich lebe,
Mein Himmel du, darein ich schwebe, Odu mein Grab, in das hinab
Ich ewig meinen Kummer gab!
Du bist die Ruh', du bist der Frieden, Du bist der Himmel mir beschieden. Daß du mich liebst, macht mich mir wert, Dein Blick hat mich vor mir verklärt, Du hebst mich liebend über mich,
Mein guter Geist, mein bessres Ich!
So hab' ich wirklich dich verloren? Bist du, o Schöne, mir entflohn? Noch klingt in den gewohnten Ohren Ein jedes Wort, ein jeder Ton.
So wie des Wandrers Blick am Morgen Vergebens in die Lüfte dringt,
Wenn, in dem blauen Raum verborgen, Hoch über ihm die Lerche singt:
So dringet ängstlich hin und wieder Durch Feld und Busch und Wald mein Blick; Dich rufen alle meine Lieder;
O, komm, Geliebte, mir zurück !
101. Schäfers Klagelied
Da droben auf jenem Berge, Da steh' ich tausendmal, An meinem Stabe gebogen, Und schaue hinab in das Thal.
Dann folg' ich der weidenden Herde, Mein Hündchen bewahret mir sie; Ich bin herunter gekommen
Und weiß doch selber nicht wie.
Da stehet von schönen Blumen Die ganze Wiese so voll. Ich breche sie, ohne zu wissen, Wem ich sie geben soll.
Und Regen, Sturm und Gewitter Verpass' ich unter dem Baum. Die Thüre dort bleibet verschlossen; Doch alles ist leider ein Traum.
Es stehet ein Regenbogen Wohl über jenem Haus! Sie aber ist weggezogen Und weit in das Land hinaus.
Hinaus in das Land und weiter, Vielleicht gar über die See. Vorüber, ihr Schafe, vorüber! Dem Schäfer ist gar so weh.
102. Nach altdeutscher Weise
Es ist bestimmt in Gottes Rat, Daß man, was man am liebsten hat, Muß meiden;
Wiewohl nichts in dem Lauf der Welt Dem Herzen, ach! so sauer fällt, Als Scheiden! ja Scheiden!
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