Page images
PDF
EPUB

Nein! Seufzer nur und Stöhnen und scheuer Sklavenschritt,

Bis euch zu Schutt und Moder der Rachegeist zertritt!

Weh euch, ihr duft'gen Gärten im holden Maienlicht!
Euch zeig' ich dieses Toten entstelltes Angesicht,
Daß ihr darob verdorret, daß jeder Quell versiegt,
Daß ihr in künft'gen Tagen versteint, verödet liegt.

Weh dir, verruchter Mörder! du Fluch des Sängertums!
Umsonst sei all dein Ringen nach Kränzen blut'gen
Ruhms!

Dein Name sei vergessen, in ew'ge Nacht getaucht,
Sei, wie ein legtes Röcheln, in leere Luft verhaucht!"

Der Alte hat's gerufen, der Himmel hat's gehört,
Die Mauern liegen nieder, die Hallen sind zerstört;
Noch eine hohe Säule zeugt von verschwundner Pracht;
Auch diese, schon geborsten, kann stürzen über Nacht.

Und rings, statt duft'ger Gärten, ein ödes Heideland, Kein Baum verstreuet Schatten, kein Quell durchdringt den Sand,

Des Königs Namen meldet kein Lied, kein Heldenbuch; Versunken und vergessen! das ist des Sängers Fluch.

Uhland.

50

55

60

[blocks in formation]

84. Der Graf von Habsburg

Zu Aachen in seiner Kaiserpracht,
Im altertümlichen Saale,
Saß König Rudolfs heilige Macht
Beim festlichen Krönungsmahle.

Die Speisen trug der Pfalzgraf des Rheins,
Es schenkte der Böhme des perlenden Weins,
Und alle die Wähler, die sieben,

Wie der Sterne Chor um die Sonne sich stellt,
Umstanden geschäftig den Herrscher der Welt,
Die Würde des Amtes zu üben.

Und rings erfüllte den hohen Balkon
Das Volk in freud'gem Gedränge;
Laut mischte sich in der Posaunen Ton

Das jauchzende Rufen der Menge.

Denn geendigt nach langem verderblichen Streit
War die kaiserlose, die schreckliche Zeit,

Und ein Richter war wieder auf Erden.
Nicht blind mehr waltet der eiserne Speer,
Nicht fürchtet der Schwache, der Friedliche mehr,
Des Mächtigen Beute zu werden.

Und der Kaiser ergreift den goldnen Pokal
Und spricht mit zufriedenen Blicken:

„Wohl glänzet das Fest, wohl pranget das Mahl,
Mein königlich Herz zu entzücken;

Doch den Sänger vermiss' ich, den Bringer der Luft,

Der mit süßem Klang mir bewege die Brust

Und mit göttlich erhabenen Lehren.
So hab' ich's gehalten von Jugend an,
Und was ich als Ritter gepflegt und gethan,
Nicht will ich's als Kaiser entbehren."

30

Und sieh! in der Fürsten umgebenden Kreis
Trat der Sänger im langen Talare;

[blocks in formation]

Was das Herz sich wünscht, was der Sinn begehrt;
Doch sage, was ist des Kaisers wert

An seinem herrlichsten Feste?"

40

„Nicht gebieten werd' ich dem Sänger,“ spricht Der Herrscher mit lächelndem Munde,

„Er steht in des größeren Herren Pflicht,

Er gehorcht der gebietenden Stunde:

Wie in den Lüften der Sturmwind saust,

45

Man weiß nicht, von wannen er kommt und braust,
Wie der Quell aus verborgenen Tiefen,

So des Sängers Lied aus dem Innern schallt
Und wecket der dunkeln Gefühle Gewalt,

50

Die im Herzen wunderbar schliefen."

Und der Sänger rasch in die Saiten fällt
Und beginnt, sie mächtig zu schlagen:
„Aufs Weidwerk hinaus ritt ein edler Held,
Den flüchtigen Gemsbock zu jagen.

55

60

65

70

75

80

Ihm folgte der Knapp' mit dem Jägergeschoß,
Und als er auf seinem stattlichen Roß

In eine Au kommt geritten,

Ein Glöcklein hört er erklingen fern:

Ein Priester war's mit dem Leib des Herrn,
Voran kam der Mesner geschritten.

Und der Graf zur Erde sich neiget hin,
Das Haupt mit Demut entblößet,
Zu verehren mit glaubigem Christensinn,
Was alle Menschen erlöset.

Ein Bächlein aber rauschte durchs Feld,
Von des Gießbachs reißenden Fluten geschwellt,
Das hemmte der Wanderer Tritte;
Und beiseit legt jener das Sakrament,
Von den Füßen zieht er die Schuhe behend,
Damit er das Bächlein durchschritte.

[ocr errors]

Was schaffst du?' redet der Graf ihn an,
Der ihn verwundert betrachtet.

'Herr, ich walle zu einem sterbenden Mann,

Der nach der Himmelskost schmachtet;
Und da ich mich nahe des Baches Steg,
Da hat ihn der strömende Gießbach hinweg
Im Strudel der Wellen gerissen.

Drum daß dem Lechzenden werde sein Heil,
So will ich das Wässerlein jezt in Eil'
Durchwaten mit nackenden Füßen.'

Da seht ihn der Graf auf sein ritterlich Pferd
Und reicht ihm die prächtigen Zäume,

Daß er labe den Kranken, der sein begehrt,
Und die heilige Pflicht nicht versäume.
Und er selber auf seines Knappen Tier
Vergnüget noch weiter des Jagens Begier;
Der andre die Reise vollführet,

Und am nächsten Morgen mit dankendem Blick
Da bringt er dem Grafen sein Roß zurück,

Bescheiden am Zügel geführet.

"Nicht wolle das Gott,' rief mit Demutsinn Der Graf, daß zum Streiten und Jagen Das Roß ich beschritte fürderhin,

Das meinen Schöpfer getragen!

Und magst du's nicht haben zu eignem Gewinst,
So bleib' es gewidmet dem göttlichen Dienst,
Denn ich hab' es dem ja gegeben,

Von dem ich Ehre und irdisches Gut
Zu Lehen trage und Leib und Blut
Und Seele und Atem und Leben.'-

'So mög' Euch Gott, der allmächtige Hort, Der das Flehen der Schwachen erhöret, Zu Ehren Euch bringen hier und dort,

So wie Ihr jezt ihn geehret.

Ihr seid ein mächtiger Graf, bekannt
Durch ritterlich Walten im Schweizerland,
Euch blühn sechs liebliche Töchter.

So mögen sie,' rief er begeistert aus,
Sechs Kronen Euch bringen in Euer Haus,
Und glänzen die spät'sten Geschlechter!'"

[merged small][merged small][merged small][merged small][merged small][ocr errors]
« PreviousContinue »