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Im dicksten Wald, bei finstern Buchen,
Wo niemand meine Klagen hört,
Will ich dein holdes Bildnüss suchen,
Wo niemand mein Gedächtnüss stört.
Ich will Dich sehen, wie Du giengest,
Wie traurig, wann ich Abschied nahm;
Wie zärtlich, wann Du mich umfiengest;
Wie freudig, wann ich wieder kam.

Auch in des Himmels tieffen Fernen
Will ich im Dunkeln nach dir sehn;
Und forschen, jenseits allen Sternen,
Die unter Deinen Füssen drehn.

Dort wird jetzt deine Unschuld glänzen,
Vom Licht verklärter Wissenschaft:
Dort schwingt sich aus den alten Gränzen
Der Seele neu entbundne Kraft.

Dort lernst Du GOttes Licht gewöhnen,
Sein Raht wird Seligkeit für Dich;
Du mischest mit der Engel Tönen
Dein Lied, und ein Gebet für mich.
Du lernst den Nutzen meines Leidens,
GOtt schlägt des Schicksals Buch Dir auf:
Dort steht die Absicht unsers Scheidens,
Und mein bestimmter Lebens-Lauf.

Vollkommenste! die ich auf Erden
So stark, und doch nicht gnug geliebt,
Wie liebenswürdig wirst Du werden,
Nun dich ein himmlisch Licht umgiebt!
Mich überfällt ein brünstig Hoffen,
O! sprich zu meinem Wunsch nicht nein!
O! halt die Arme für mich offen!
Ich eile, ewig Dein zu sein.

Gottlieb Wilhelm Rabener.
1714-1770.

Geboren zu Wachau bei Leipzig, gebildet auf der Schule in Meissen und auf der Universität in Leipzig. 1741 wurde er Steuerrevisor in Leipzig und starb daselbst 1770. Er war ein Mitarbeiter an den «Bremer Beiträgen», und namentlich durch seine Satiren bekannt.

Verstand.

Weil ich hier nicht Willens bin, eine philosophische Abhandlung zu schreiben: So wird man mir nicht zumuthen, von demjenigen Begriffe etwas zu gedenken, welchen man sich auf der Catheder von dem Worte, Verstand, macht.

Ich schreibe nicht für Pedanten, sondern für die grosse Welt, und in der grossen Welt heisst Verstand so viel, als Reichthum.

Ein Mensch ohne Verstand, ist nichts anders, als ein armer. Er kann ehrlich, er kann gelehrt, er kann witzig, mit einem Worte, er kann der artigste, und nützlichste Mann in der Stadt seyn, das hilft ihm alles nichts; der Verstand fehlt ihm, denn er hat kein Geld.

Es ist nicht für einen Dreyer Verstand darinnen! spricht mein Wirth, wenn er ein vernünftiges Gedicht liest. Warum? Mein Wirth ist ein Wechsler, welcher in der Welt nichts gelernt hat, als addiren, und er glaubt, wenn er die schönste Ode auf die Börse trüge, so würde er doch nicht einen Dreyer dafür bekommen.

Das Mädchen hat Verstand, sagt ein Liebhaber, der nur aufs Geld sieht, wenn gleich sein Mädchen weiter nichts thut, als dass es Caffee trinkt, Lomber spielt, Knötchen macht, zum Fenster hinaus sieht, und wenn es hoch kömmt, über das Nachtzeug ihrer Nachbarinn spottet. In Gesellschaften, wo sie keines von diesem allen thun kann, ist sie nicht im Stande, etwas weiter zu sagen, als ein trockenes Ja und Nein; und spielte sie nicht mit ihrem Fächer: So würde man sie für eine schöne Statue ansehen. Aber, das thut alles nichts; für ihren Liebhaber hat sie doch viel Verstand, denn ihre Mutter hat ihr ein sehr schönes Vermögen hinterlassen.

Der Mensch hat einen sehr guten natürlichen Verstand, heisst so viel: Er hat von seinen Ältern eine reiche Erbschaft überkommen, und nicht nöthig gehabt, selbst Geld zu verdienen.

Was also dieses heisse: Er wuchert mit seinem Verstande, das darf ich niemanden erklären; es versteht sich von sich selbst.

Ich bin der dümmste eben nicht, denn ich habe auch etwas weniges von Vermögen, und dieses hat mir Gelegenheit gegeben, durch eine dreyssigjährige Erfahrung die verschie

denen Grade des Verstandes kennen zu lernen. Nach gegenwärtigem Cours kann ich von dem Verstande meiner Landsleute ohngefähr folgenden Tariff machen:

1000 Thaler, nicht ganz ohne Verstand;

6000 Thaler, ein ziemlicher Verstand; 12000 Thaler, ein feiner Verstand; 30000 Thaler, ein grosser Verstand;

50000 Thaler, ein durchdringender Verstand; 100000 Thaler, ein englischer Verstand;

und auf solche Weise steigt es mit jeden tausend Thalern.

Ich habe den Sohn eines reichen Kaufmanns gekannt, welcher kaum so klug war, als sein Reitpferd. Er besass aber viermal hundert tausend Thaler, und um deswillen versicherte mich mein Correspondente, dass er in ganz Meklenburg beynahe der Verständigste wäre.

Der Kerl hat seinen Verstand verlohren! wird man also von einem bankerutten Kaufmanne sagen, und ich kenne einige davon, welche dieser Vorwurf weit mehr schmerzt, als wenn man sagen wollte, sie hätten ihren ehrlichen Namen verloren. Dieses ist noch der einzige Trost für dergleichen Männer, dass ihre Weiber, welche durch ihre üble Wirthschaft, und durch ihren unsinnigen Staat an diesem Verluste gemeiniglich die meiste Ursache haben, dennoch ihren eingebrachten Verstand, dass ich mich kunstmässig ausdrücke, oder deutlich zu reden, ihr eignes Vermögen, und daher noch allemal so viel übrig behalten, als nöthig ist, sich und ihren unverständigen Mann auf das bequemlichste zu ernähren.

Ewald Christian von Kleist.
1715-1759.

In Pommern geboren, in Polen erzogen, studirte die Rechte auf der Universität Königsberg; später Officier in dänischen und preussischen Diensten. Starb an einer Wunde, die er in der Schlacht von Kunnersdorf erhalten.

I. Ode an die preussische Armee.

(Im März 1757.)

Unüberwundnes Heer, mit dem Tod und Verderben

In Legionen Feinde dringt,

Um das der frohe Sieg die goldnen Flügel schwingt,
O Fleer, bereit zum Siegen oder Sterben!

Sieh! Feinde, deren Last die Hügel fast versinken, Den Erdkreis beben macht,

Ziehn gegen dich, und drohn mit Qual und ew'ger Nacht; Das Wasser fehlt, wo ihre Rosse trinken.

Der dürre, scheele Neid treibt niederträcht'ge Schaaren Aus West und Süd heraus,

Und Nordens Höhlen speyn, so wie des Osts, Barbaren Und Ungeheur, dich zu verschlingen, aus.

Verdopple deinen Muth! der Feinde wilde Fluten
Hemmt Friedrich, und dein starker Arm;

Und die Gerechtigkeit verjagt den tollen Schwarm:
Sie blitzt durch dich auf ihn, und seine Rücken bluten.
Die Nachwelt wird auf dich, als auf ein Muster sehen,
Die künft'gen Helden ehren dich,

Ziehn dich den Römern vor, dem Cäsar Friederich;

Und Böhmens Felsen sind dir ewige Trophäen.

Nur schone, wie bisher, im Lauf von grossen Thaten

Den Landmann, der dein Feind nicht ist;

Hilf seiner Noth, wenn du von Noth entfernet bist.

Das Rauben überlass den Feigen und Croaten.

Ich seh', ich sehe schon freut euch, o Preussens Freunde!

Die Tage deines Ruhms sich nahn.

In Ungewittern ziehn die Wilden stolz heran;

Doch Friedrich winket dir: wo sind sie nun, die Feinde? Du eilest ihnen nach, und drückst mit schweren Eisen Den Tod tief ihren Schedeln ein,

Und kehrst voll Ruhm zurück, die Deinen zu erfreun,
Die jauchzend dich empfahn, und ihren Retter preisen.
Auch ich, ich werde noch vergönn' es mir, o Himmel!
Einher vor wenig Helden ziehn.

Ich seh' dich, stolzer Feind! den kleinen Haufen fliehn,
Und find' Ehr oder Tod im rasenden Getümmel.

II. Aus dem Frühling.

Hier, wo der gelehnete Fels mit immergrünenden Tannen Bewachsen, den bläulichten Strom zur Hälfte mit Schatten bedecket,

Hier will ich ins Grüne mich setzen.

O! welch ein Gelächter der Freude

Belebt rund um mich das Land! Friedfertige Dörfer, und

Heerden,

Und Hügel, und Wälder! wo soll mein irrendes Auge sich ausruhn?

Hier unter der grünenden Saat, die sich in schmälernden Beeten,
Mit bunten Bluhmen durchwirkt, in weiter Ferne verlieret?
Dort unter den Teichen, bekränzt mit Rosenhecken und
Schlehdorn?

Auf einmal reisset mein Auge der allgewaltige Belt fort,
Ein blauer Abgrund voll tanzender Wellen; die stralende Sonne
Wirft einen Himmel voll Sterne darauf; die Riesen des Wassers
Durchtaumeln, aufs neue belebt, die unabsehbare Fläche.
Sieh, ländliche Muse, den Anger voll finsterer Rosse. Sie werfen
Den Nacken empor, und stampfen mit freudig wiehernder
Stimme;

Der Fichtenwald wiehert zurück. Gefleckte Kühe durchwaten,
Geführt vom ernsten Stier des Meyerhofs büschichte Sümpfe.
Ein Gang von Espen und Weiden fährt zu ihm, und hinter
ihm hebt sich

Ein Rebengebirg' empor mit Thyrsusstäben bepflanzet:
Ein Theil ist mit Schimmer umwebt, in Flohr der andre gehüllet;
Itzt flieht die Wolke: der Schimmer eilt staffelweis über den
andern.

Die Lerche besteiget die Luft, sieht unter sich selige Thäler,
Bleibt schweben und jubiliret. Der Klang des wirbelndes Liedes
Ergetzt den ackernden Landmann: er horcht gen Himmel;
dann lehnt er

Sich über den wühlenden Pflug, wirft braune Wellen aufs Erdreich,

Verfolgt von Krähen und Älstern. Der Säemann schreitet

gemessen,

Giesst goldenen Regen ihm nach. O! streute der fleissige

Landwirth

Für sich den Saamen doch aus! wenn ihn sein Weinstock doch tränkte!

Zu seinem Munde die Zweige mit saftigen Früchten sich beugten! Allein der gefrässige Krieg, vom zähneblekenden Hunger Und rasenden Horden begleitet, verheeret oft Arbeit und Hoffnung:

Gleich Hagel vom Sturme geschleudert zerschlägt er die nährenden Halmen;

Reisst Stab und Rebe zu Boden; entzündet Dörfer und Wälder Wo bin ich? es blitzen die fernen Gebirge von

Zur Lust

Waffen,

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