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Zwölftes Jahrhundert.

MITTELHOCHDEUTSCH.
A v a.

Die älteste deutsche Dichterin. Sie hatte zwei Söhne, welche von Diemer für den Armen Hartmann, den Verfasser der Rede vom Heiligen Glauben, und Heinrich, den Dichter der Rede von des Todes Gehügede, erklärt werden. Sie ward später eine Klausnerin (reclusa) und dichtete als solche das Leben Jesu, den Antichrist, und das Jüngste Gericht. Sie starb am 8. Februar 1127. Siehe J. Diemer, Deutsche Gedichte des elften und zwölften Jahrhunderts >> (Wien 1849).

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daz man in an den galgen hie. dass man ihn an den Baum hing. Da kämpfte er in Todesschmer

dâ uaht er in agone

daz chanf unze an die nône;

dô wart gesceiden der strît,
dô gesigte uns der lîp.
er sprach: iz ist al uerendôt.

dô gieng iz an den tôt,
dô geschiet sîn heiligiu sêle
uon den lîplîchen sêre.
durch unsich leid er die nôt.
nu sehet, wî ir im sîn lônôt.

Owî Marîâ Magdalênâ, wî gestônte du ie dâ,

dâ du dînen herren guoten

zen

den Kampf bis drei Uhr Nach-
mittags.
Da ward der Streit geschieden,
der Leib besiegte uns.
Er sprach: es ist ganz voll-
bracht.

Da ging es an den Tod,
da schied seine heilige Seele
von den leiblichen Leiden.
Unsertwegen litt er die Noth,
nun sehet, wie ihr ihm dafür
lohnet.

Wehe, Maria Magdalena,
Wie standest du je da,

da du deinen guten Herren

såhe hangen unde bluoten,
unde du sâhe an sînem lîbe
die gestochen wunden.
wi mohtest du vertragen
die laitlichen chlage
sîner trût mûter

Sancte Marien der guoten!
wie manigen zaher si gâben
ze dem selben mâle
diniu chûsken ougen,
mîn uil liebiu frouwe,
dô du sus sâhe handelôn
dîn unsculdigen sun,
dô man marterôte alsô sêre
daz fleisk, daz er uon dir ge-
nomen hete.

Owî Josep der guote, dô du mînen herren ab dem crûce huobe,

hete ich dô gelebet, ich hete dir uaste zuo gechlebet ze der piuilde hêre mînes uil lieben herren. Owi Nychodemus,

wane moht ich dir etewaz

liebes erbieten

ze lône unde ze mieten, daz du in abe huobe unde in so scône begruobe!

Dô got allez daz gewan,

hängen und bluten sahest, und sahest an seinem Leibe die gestochenen Wunden. Wie konntest du ertragen die traurige Klage seiner lieben Mutter, der guten Sancta Maria! wie manche Zühre sie gaben zu demselben Mahle, deine keuschen Augen, meine viel liebe Frau,

da du deinen unschuldigen Sohn so behandeln sahest

da man so sehr marterte das Fleisch, das er von dir genommen hatte. Wehe, Joseph der gute, da du meinen Herrn vom Kreuze hubest,

hätte ich da gelebt,

ich hätte dir fest angehangen bei dem hehren Begräbniss meines viel lieben Herren. Wehe Nikodemus,

warum konnte ich dir nicht etwas

liebes entbieten

zum Lohne und zum Preise, dass du ihn abhubest

und ihn so schön begrubest! Als Gott alles das gewonnen hatte,

dar umbe er her in werlt weshalb er herab in die Welt

chom,

dô liez er sînen lichnamen

zu der erde begraben.

die ze der erde worden wâren, daz in die emphiengen, daz was also geordenôt; diu erde was geheiligôt, då er dô zwêne tage geruowet in dem grabe;

kam,

da liess er seinen Körper zur Erde begraben.

Dass ihn die empfingen,

die zu Erde geworden waren, das war so verordnet. Die Erde war geheiligt,

wo er da zwei Tage in dem Grabe geruht.

in der selben friste dô zestôrte er die helle ueste: er uuor mit lewen chreften, die grintel muosen bresten; die gaiste ungehiure

di sprachen in dem uiure, wer der wære,

der sô gewaltichlichen quæme: er bringet uns ein michel lieht, er ne wonet hie mit uns niht; neheine sunde habete er getân,

er ne mach hie niht bestân. An der stunde

In derselben Frist
zerstörte er die Höllenburg;
er fuhr hin mit Löwenkraft,
die Riegel mussten bersten,
die Geister, ungeheuer,
die sprachen in dem Feuer,
wer der wäre,

der so gewaltiglich käme?
Er bringt uns ein grosses Licht,
er wohnet hier nicht mit uns;
er hat keine Sünde gethan,

er wird hier nicht bleiben. Zu der Stunde

dô gesigt er an dem helle- siegte er ob dem Höllenhunde;

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Er sprach: mîn erbarmede Er sprach: meine Barmherzig

mich ne liez,

keit liess mich nicht,

ich tæte, also ich iu gehiez;

ich hân durch iuwere nôt erliten einen crimmechlichen tôt;

die mich habent geminnet, die wil ich fuoren hinnen. swer hiute hie bestât,

ich thäte denn wie ich euch verhiess;

ich habe wegen eurer Noth einen grimmigen Tod erlitten;

die mich geliebt haben,
die will ich von hinnen führen.
Wer heute hier bleibt,

des ne wirt niemer nehein rât für den giebt es nimmer Hülfe

in desme hellesêre,

in diesem Höllenschmerz,

des ne gewîse ih nimer mêre. davon lehre ich nie mehr.

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Uebersetzung der Bücher Mosis.

Gedichtet und fortgesetzt von drei ungenannten Verfassern, von denen der erste, nach Grimm, vielleicht noch dem elften Jahrhundert angehört. Siehe Diemer's «Deutsche Gedichte des elften und zwölften Jahrhunderts» (Wien 1849); Hoffmann's Fundgruben» (1837); Graff's «Diutisca » III, 67-70.

a

Dô diu vrouwa Sâra gelebete hundert jouch siben und zueinzich jâre,

dise werlt si begab.

Als die Frau Sara hundert und sieben und zwanzig Jahr gelebt hatte,

verliess sie diese Welt.

Abrahâm choufte ir ein grab, Abraham kaufte ihr ein Grab,

und bevalech si scône

mit stanch aller bîmentône.

vile harte er si chlagete:
ze lezzist er gedagite.
do begunde er sich trôsten:
waz mahte er dô bezzeres tuon?
sô tuot unser igelîch
so ime gescihet samelich.

und bestattete sie schön

mit Weihrauch von allen Spe-
cereien.

er betrauerte sie gar sehr;
zuletzt schwieg er.

Da begann er sich zu trösten:
was konnte er da Besseres thun?
so thut ein jeglicher von uns,
wenn ihm Aehnliches geschieht.

Dô iz zuo diu cham,

daz Ysaac scolte gehîwan,
sîn vater Abrahâm
eiskôte sînen amman:
den hiez er suerigen,
số in got muose nerigen,
daz er der liute,
dâ er under bûte,
niemmer wîv ne gewunne
Ysaac sîneme chinde:
er hiez in dar varen,
dannen er geborn was,

zuo sînes bruoder hûs Nachor,

Da es dazu kam dass Isaac heirathen sollte, da heischte sein Vater Abraham seinen Diener: den hiess er schwören, so ihn Gott erhalten müsse, dass er von den Leuten, darunter er wohnte, nimmer ein Weib gewinne für sein Kind Isaac.

Er hiess ihn dahin reisen, von wo er geboren war,

zu seines Bruders Haus, Nachor,

daz ime Batuel gâbe sîne dass ihm Batuel seine Tochter

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er ne scolte ouch sich des Er sollte auch sich nicht darob

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erzürnen,

wenn sie ihm nicht folgen wollte. Abraham sprach: Des Eides seiest du ledig,

wenn dir das Mädchen nicht folgt.

Zu diesem Zwecke

Belud er zwei Kameele

mit mannichfachen Dingen

dem Mädchen zur Liebe. Als er dahin kam,

rastete er bei einem Brunnen. Da der Abend sich senkte, trieb man das Vieh zur Tränke. Er begann zu beten,

dass ihm Gott gewährte,
dass er ihm das Weib zeige,
die für seinen Herrn sollte.

Er sprach: Nun will ich zum
Zeichen haben,

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