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in kurtzen tagen darnach, Als das rich wol .xxij Jar on houptt was, ward Er zuo einem Romischen künig von den Churfürsten erwelt als man hie nach hoeren würt etc.

Aegidius Tschudi.

Geboren 1505 zu Glarus; gestorben 1572. Sein « Chronicon Helveticum» reicht bis 1570.

Ueber Wilhelm Tell.

Darnach am Sonntag nach Othmari, was der 18. Wintermonats, gieng ein redlicher frommer Land-Mann von Uri, Wilhelm Tell genannt (der auch heimlich in der Pundts-Gesellschaft 1) was), zu Altorf etlichmal für den uffgehängten Hut und tett Im kein Reverentz an, wie der Land- Vogt Gessler gebotten hat. Das ward Ime, Land- Vogt, angezeigt. Also morndes 2) darnach am Montag berufft Er den Tellen für sich, fragt In trutzlich, warumb er sinen Gebotten nit gehorsam wäre, und dem König, ouch Ime zu Verachtung dem Hut keine Reverentz bewisen hette? Der Tell gab Antwurt: «Lieber Herr, es ist ungeward 3) vnd nit uss Verachtung geschehen; verzichend mirs; wär ich witzig, so hiess ich nit der Tell, bitt umb Gnad, es soll nit mehr geschehen. » Nun was der Tell ein guter Armbrust-Schütz, dass man In besser kum fand, und hat hübsche Kind, die Im lieb warend, die beschickt der LandVogt und sprach: «Tell, welches unter denen Kindern ist dir das liebste?» Der Tell antwurt: «Herr, sie sind mir alle glich lieb. Do sprach der Land-Vogt: «Wolan Tell, du bist ein guter verruempter Schütz, als ich hör; nun wirst du din Kunst vor mir müssen beweren, und diner Kinder einem ein Öpffel ab sinem Haupt müssen schiessen; darumb hab eben Acht, dass du den Öpffel treffest: dann triffst du In nit des ersten Schutzes 4), so kost es dich din Leben. Der Tell erschrack, bat den Land-Vogt vmb Gottes willen, dass Er In des Schutzes erliesse, dann es unnatürlich wäre, dass er gegen sinen lieben Kind sollte schiessen; Er wolt lieber sterben. Der Land-Vogt sprach: «das must du thun, oder du und das Kind sterben.» Der Tell sach wol, dass Ers tun must, bat Gott innigklich, dass Er In vnd sin lieb Kind behüte; nam sin Armbrust, spien es, legt uff den Pfil und stackt noch

1) Eidgenossenschaft. 2) morgens. 3) unbedacht. 4) Schuss

ein Pfl hinden in das Göller; und legt der Land-Vogt dem Kind (das nit mehr dann sechs Jar alt was) selbst den Öpffel uf sin Houpt. Also schoss der Tell dem Kind den Öpffel ab der Scheitlen des Houpts, dass Er das Kind nie verletzt. Do nun der Schutz geschehen was, verwundert sich der Land-Vogt des meisterlichen Schutzes, lobt den Tellen siner Kunst und fragte Ine, was das bedüte, dass er noch ein Pfil hinten in das Göllert gesteckt hette? Der Tell erschrack aber, und gedacht, die Frage bedutet nützit1) Gutes; doch hett Er gern die Sach glimpfflich2) verantwurt und sprach: Es wäre also der Schützen Gewonheit. Der Land-Vogt merckt wol, dass Im der Tell entsass 3), und sprach: «Tell, nun sag mir frolich die Wahrheit und fürcht dir nützit darumb: du sollt dins Lebens sicher sin; dann die gegebene Antwurt nimm ich nit an: es wird etwas anders bedut haben.» Do redt Wilhelm Tell: «Wolan Herr, sitmalen Ir mich mines Lebens versichert habend, so will ich uch die grundlich Warheit sagen, dass min entlich Meinung gewesen, wann ich min Kind getroffen hette, dass ich uch mit dem andern Pfyl erschossen und ohne Zweifel uwer nit gefält wollt haben.» Do der Land - Vogt das hört, sprach Er: «nun wolan Tell, Ich hab dich dins Lebens gesichert, das will ich dir halten; dieweil ich aber din bösen Willen gegen mir verstan, so will ich dich füren lassen an ein Ort und allda inlegen, dass du weder Sunn noch Mon niemerme sechen sollt, damit ich vor dir sicher sig. » Hiess hiemit sin Diener In fachen und angentz4) gebunden gen Flulen fuhren. Er fur auch mit Inen und nam des Tellen Schiesszüg, Kocher, Pfyl und Armbrust auch mit Im; wolts Im selbs ber halten. Also sass der Land-Vogt sambt den Dienern und dem gebundenen Tellen in ein Schiff, wolt gen Brunnen fahren, vnd darnach den Tellen über Land durch Schwitz in sin Schloss gen Küssnach füren, und allda in einem finstern Thurn sein Leben lassen enden. Des Tellen Schiesszüg ward im Schiff uff den Bieten oder Gransen 5) bim Stürruder gelegen.

Wie si nun uff den See kamend, und hinuff furend biss an Achsen das Ecke, do fugt Gott, dass ein solcher grusamer ungestümer Sturm-Wind infiel, dass si sich all verwegen 6) hattend ärmklich ze ertrinken. Nun was der Tell ein starker Mann, und kondt vast wol uff dem Wasser; do sprach der

1) nichts. 5) Hintertheil.

2) höflich. 3) ausweichen. 4) anfänglich. 6) gefasst gemacht.

Dienern einer zum Land-Vogt: «Herr, Ir sechend üwre und unsre Not und Gfar unsers Lebens, darinn wir stand, und dass die Schiff-Meister erschrocken und des Farens nit wol bericht; nun ist der Tell ein stärcker Mann, und kan wol schiffen, man solt In jetz in der Not bruchen.» Der LandtVogt was der Wasser-Not gar erklupfft 1), sprach zum Tellen: «Wann du uns getruwtist uss diser Gfahr ze helffen, so wölt ich dich diner Banden ledigen.» Der Tell gab Antwurt: Jo Herr, ich getruwe uns mit Gottes Hilff wol hiedannen zu helffen.» Also ward Er uffgebunden, stund an das Stürruder, und fur redlich dahin, doch lugt Er allweg uff den SchiessZüg, der ze nächst bi Im lag, und uff ein Vorteil hinuss zu springen, und wie Er kam nah zu einer Blatten (die sidher den Namen des Tellen Blatten behalten, und ein Heilig Hüsslin dahin gebuwen ist) beducht Im, dass Er daselbs wol hinuss gespringen und entrinnen möcht, schry den Knechten zu, dass sie hantlich zugind, biss man fur dieselb Blatten käme, wann si hättend dann das Bösist überwunden, und als Er nebent die Blatten kam, trukt Er den hindern Gransen mit Macht (wie Er dann ein starker Mann was) an die Blatten, erwüscht2) sin Schüsszüg, und sprang hinuss uff die Blatten; stiess das Schiff mit Gwalt von Im, liss si uff dem See schweben und schwenken, der Tell aber luff Bergs und Schattens halb (dann noch kein Schnee gefallen was) über Morsach uss durch das Land Schwitz, bis uff die Höhe an der Landt-Strass, zwüschend Art und Küssnach, da ein hole Gass ist, und Gestüd3) darob, darinn lag Er verborgen, dann Er wust, dass der Landt-Vogt allda fürryten wurd gen Küssnach zu siner Burg.

Der Landt-Vogt und sin Diener kamend mit grosser Not und Arbeit übern See gen Brunnen, rittend darnach durch Schwitzer-Land, und wie si der gemelten holen Gassen nachneten, hört Er allerley Anschläg des Land- Vogts wider Ine, Er aber hat sin Armbrust gespannen und durchschoss den Landt-Vogt mit einem Pfyl, dass Er ab dem Ross fiel, und von Stund an tod was.

Paulus Melissus Schede.

Geboren 1539, gestorben 1602. Er studirte in Erfurt, Jena und Wien, ward von Kaiser Ferdinand zum Dichter

1) beängstigt. 2) erwischen. 3) Gebüsch.

gekrönt und geadelt 1564. Später lebte er in Prag und Wittenberg; ging dann nach Leipzig, und an den Hof des Bischofs von Würzburg. War 1566 auf dem Reichstag zu Augsburg. Er reiste in Italien, Frankreich und England, wo er den Winter 1582 am Hofe der Königin Elisabeth zubrachte.

HIn und wider, auff und ab,
Vil Land und Leut durchreiset

hab;
Zu bekommen Lehr' und Ver-
stand,

Ihren sachen gibt ein schein, Und blendet eim die Augen fein geferbet ausslendisch pracht.

Der
Was witzig ist und klug,
Merckt bald den anstrich und
betrug:

Auch frembder zungen sprach.
Gedultet hab manch ungemach:
Umbsonst ist vil unkosten an- Der aber solchs hoch helt aus

gewand:

unbedacht,

Gethan mirs wohl het's Vatter- Wird in bethörung fluchs2)

land.

gebracht,

Zu was nutz mir solchs gelin- Was thuts helffen oder nutzen, Da nichts darhinder ist, etwas aufmutzen? 3)

get, Wans widerum das Glück mir

nit reinbringet? Teutischland (sags mit vergunst)

Begabet ist mit mancher Kunst, Derer sichs gar nit schemen thar 1).

Gold nit alles ist, was gleist; Schön ist nit alles, was geweist. Sich Glasur vergat *) Edlem stein:

Götzbild demMenschen gleicht; Meuskot") im Pfeffer sich verschleicht:

Hoch schetzen wir frembd ding,
Und achten unsers für gering: Köstlich gekleidet ist nit all-

So doch das unsrig andrer

kunst und lär

Weit übertrifft, wie offenbär.

zeit rein;

Boxhörner) seind kein Elfenbein.

Was bringts dan für nutz und Wilst vil Land nun sein durch

zogen?

Schätz suchen anderswo, doch O wandrer, sich dass du nit

frommen,

lehr heimkommen?

werst betrogen.

Johann Fischart, genannt Mentzer.

Geboren zu Mainz um die Mitte des sechszehnten Jahrhunderts, erzogen zu Worms, später wohnhaft zu Frankfurt,

1) darf, braucht. 2) flugs, schnell. 3) aufputzen. 4) vergeht 5) Mäusekoth. 6) Bockshörner.

Strassburg, Speyer und Forbach. Starb 1589. Seine Werke sind sehr zahlreich und meist satirischen Inhalts. Am bekanntesten ist seine Nachahmung Rabelais', die « Affentheuerliche, Naupengeheurliche Geschichtklitterung: Von Thaten vnd Rahten der vor kurtzen, langen vnd je weilen Vollen wolbeschreyten Helden vnd Herrn: Grandgoschier, Gorgellantua vnd dess Eiteldurstlichen Durchdurstlechtigen Fürsten Pantagruel von Durstwelten, Königen in Vtopien, Jeder Welt Nullatenenten vnd Nienenreich etc. etc. Durch Huldrich Elloposcleron. Getruckt zur Grenflug im Gänssereich.» (Berlin) 1582. Die erste Ausgabe ist von 1575. Ausserdem waren am beliebtesten sein « Flöhhatz» (1574); «Das glückhafte Schiff» (1576).

I.

Ernstliche Ermanung an die lieben Teutschen, auss anlass
dieses beigesetzten Bilds des Teutschlands angebracht.
WAS hilffts, O Teutschland, dass dir gfallt
Dis Bild so herrlich Sighafft gstallt1),

Dass es bedeit 2) der Teutschen Macht,
Die vnter sich der Welt Macht bracht.
Vnd dass du weyst, dass dein Vralten
Den Namen mit Rhum han erhalten,

Wann du dasselbig last veralten,
Was dein Voralten dir erhalten;
Wann nicht dasselbig willt verwaren,
Was dein Vorfaren dir vorsparen 3);

Wann nicht den Namen willt vermehren,
Der auff dich erbt von grossen Ehren?

Was ists, dass man sich rühmet hoch
Der Eltern vnd folgt jhn nicht noch?4)
Bist Alter Tugend grosser Preiser,
Aber der Tugend keyn Erweiser?
Thust gut Alt Sitten hoch erheben
Vnd schickst doch nit darnach dein Leben?
Was rühmst du dich vil Adelichs

Vnd thust doch nichts dan Tadelichs?
Was Ruhm hat der jung Adler doch,

Wann er sich rühmt der Eltern hoch,
Wie sie frei wohnten inn Bergs Klüfften,
Vnd frei Regierten in den Lüfften:

1) gestaltet.

2) bedeutet. 3) ersparen.

4) nach.

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