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Wir sullent die buosse an uns nemen, das wir gotte deste bas gezemen 1)

aldort in sîns vatter rîch.

des bitten wir dich alle glîch.

sô bitten wir den heilgen Crist

der aller welte gewaltig ist.

Sô siu alsus in die kirchen kôment, sô kniuweten 2) siu nider und sungent:

Jhêsus der wart gelabet 3) mit gallen:

des sullent wir alle an criuce vallen.

und dô vielent siu alle criucewys an die erden das es clapperte. und so siu ein wile alsus gelôgen, sô huop ir vorsenger an und sang:

Nu hebent ûf iuwer hende,

das got dis grôsse sterben wende.
Nu hebent ûf iuwere arme,

das sich got über uns erbarme.

und denne stuondent siu ûf, und dôtend sus drîstunt 4). und denne luodent siu die liute heim zuo imbisse 5), und eins luod zweinzig, eins zeben, und iegliches nôch sînen statten, und buttentz in wol ®).

Und dis was ir regel. Wer in die bruoderschaft wolte und an die buosse tretten, der muoste xxxiiij. tage dar inne sîn und blîben, und muoste alsô vil phennige hân, das ime alle tage vier phenuige an geburtent'): das wôrent xj. schillinge pher nige und vier phennige. und dar umbe sô entorstent siu nieman heischen 8). siu getorstent ouch keine herberge heischen noch in kein hûs komen, men lüede 9) in denne drin, und füerte siu denne ône heischen drin. siu getorstent ouch zuo keiner frowen gereden. welcher aber das brach, der kniuwete vor sînen meister und bîchtet es ime. sô satte ime der meister buosse und sluog ime mit der geischeln ûf sînen rucke und sprach:

Stant ûf durch der reinen martel 10) êre,

und hüete dich vor den sünden mêre.

Siu hettent ouch ein gesetzede das siu phaffen under in hettent: aber ir keiner solte meister under in sîn noch an iren heimelichen rôt gôn.

1) wohlgefallen. 2) knien, to knee. 3) erfrischen. 4) dreimal.

5) Mittagessen.

6) bewirtheten sie gut.

7) gebühren, zukommen.

8) verlangen.

9) einladen. 10) Martyrium.

Wenne siu nu woltent büessen: alsô nantent siu das geischeln; das was zuom tage zwürent 1), früege und spôte; sô zogetent siu zuo velde ûs: sô liute men die glocken, und giengent ie zwêne und zwêne und sungent iren leich alsô vor geseit ist. und wenne siu kôment an die geischelstat, sô zugent siu sich ûs nacket und barfuos untz an die bruoch 2) und dôtent kittele oder wîsse lînen an, und die giengen in von dem nabel untz ûf die füesse, und leitent sich nider an einen wîten creis. und wie ieglîcher gesündet hette, dernôch leit er sich. was er ein meineidiger bosewicht, sô leit er sich ûf eine sîte und rekete sîne drîe vingere ûf. was er ein êbrecher, sô leit er sich ûf den bûch. sus leitent siu sich in meniger hande wîs nôch maniger hande sünde. dô by erkante men wol was sünde ieglîcher getôn hette. sô siu sich alsus hettent geleit, sô vieng ir meister an wô er wolte und schreit über einen und rüerte in mit sîner geischeln und sprach:

Stant ûf durch der reinen martel êre,

und hüete dich vor den sünden mêre. Sus schreit er über siu alle, und über welchen er schreit, der stuont ûf und schreit dem meister nôch über die vor ime lôgent, untze siu alle ûf gestuondent. und sungent denne und geischeltent sich mit riemen: die hettent vornân knöpphe und nôlden 3) dar in gestecket; und sungent maniger hande leis. die stônt in der crôniken ûf unser frowen hûs geschriben: dar umbe lôsse ich siu hie under wegen durch kürze willen. und wenne siu sich alsus gegeischeltent und gesungent, sô las einer under in einen brief; und siu sprôchent der engel hette in von himel her abe brôcht. und in dem briefe stunt wie das got erzürnet wære über der welte sünde und wolte siu hân under lôssen gôn: dô wurde er gebetten von sîner muoter und von sînen engeln das er sich solte erbarmen über die welte; und vil anders dinges stuond in dem selben briefe geschriben. und wenne der brief gelesen wart, alsô zogetent siu wider in die stat singende ie zwêne und giengent iren vanen und kertzen nôch.

Ouch wenne siu sich geischeltent, sô wart gar grôs zuo loufen, und das volk weinte und hette grôsse andâht: wan das volk wônde 4) und gloupte das der brief von dem himele her abe wære komen, und alles das siu seitent, das es alles

1) zwir, zweimal. 2) Hosen, breeches. 3) Nadel. 4) wähnen,

to wean.

wôr wære. und wenne die phaffen sprôchent wô by men erkennen solte das die geischelvart gerecht wær und wer den brief besigelt hette, dô entwurtent siu und sprôchent wer die ewangelien besigelt hette. Sus brôchtent siu die liute dar zuo, das men den geischlæren mê gloubete denne den priestern. und wô siu in die stette kôment, dô kam gar vil volkes in ire bruoderschaft, die ouch geischelære wurdent.

Zuo Strôsburg kam mê denne tûsent manne in ire geselleschaft, und siu teiltent sich zuo Strôsburg: eine parte der geischelære gieng das lant abe, die ander parte das lant ûf. und kam sô vil volkes in ire bruoderschaft, das es verdrôs den bôbest und den keiser und die phafheit. und der keiser verschreip dem bôbeste das er etwas hie zuo gedachte: anders die geischeler verkêrtent alle die welt. wan siu nôment sich grôsser heilekeit an, und sprôchent das grôsse zeichen durch siu geschehent. und men truog zuo Strôsburg ein dôt kint umbe iren ring dô siu sich geischelten, und woltent es lebendig hân gemachet: aber es geschach niut. dise geischelvart werte lenger denne ein halp jôr, das alle wuche etwie menige schar kam mit geischelern. dô nôch machtent sich ouch frowen ûf und giengent ouch after lande und geischeltent sich. dô nôch fuorent junge knaben und kint ouch after lande in der geischelvart. dô nôch woltent die von Strôsburg niut mê gegen in stürmen 1), und men wart ir alsô müede, das men siu niut mê zuo hûse luot alsô vor. und men geriet sagen den falsch und die trugende dô mit siu umbe giengent, und das der brief ein lugener was den siu bredigetent. und ze jungest verbôt der bôbest ire vart und gebôt allen bischoven das siu in iren bistuomen soltent die geischeler abe duon und verbieten. und zuo Strôsburg gebôt men ouch das kein geischeler geturste mê dar komen; und wer sich geischeln wolte, der solte sich heimelîch in sîme hûse geischeln wie vil er wolte. Sus nam die geischelvart in eime halben jôre ein ende: die solte nôch ire sage geweret hân xxxiiij. jôr.

1) Glocken läuten.

Fünfzehntes Jahrhundert.

Hugo von Montfort.

Graf Hugo II., IIerr von Bregenz, geb. 1357, gest. 1423. Er bildet mit den zwei folgenden Dichtern den Uebergang der ältern höfischen Poesie in die spätere lyrische Volkspoesie und Meistergesang.

Ich schrib dir gern cluoge wort:

So hast du mein hertz gefangen;

Mein lieber buol1), mein hochster hort,
Du hasts in deinen banden.

Von gold ain ketten die ist vein,

Damit hast du es beschlossen.

Dein aigen wil es yemer sein:

Des ist es unverdrossen;

Vnd hât mir newleich 2) potschafft getân,

Es well sich von mir ziehen,

Vnd well in deinem dinst bestan,

Zuo deiner liebi fliehen;

Vnd spricht das es kain anders treib:

Es well by dir beleiben

(Im gefiel auff erd nie bas ain weib),

Zuo deiner liebi scheiben 3).

Also hast du mir das hertz abtrünig gemachen

Mit gewalt ân alle fürbott 4).

Ich muoss meins schaden selber lachen.

Vns baide behuet der ewig gott.

Ich chan mich zwar nicht ab dir clagen:

Du tuost meinem hertzen guetleich;

So wil ich ye die warhait sagen:

Bey dir so ist es frædenreich.

Geben nach crists gebürt vierzehen hundert iar:

Das schreib ich dir mit ainem wort;

Vnd in dem andern: das ist war,

Mein lieber puol, mein hochster hort.

1) Buhle, Geliebte. 2) neulich. 3) rollen. 4) Vorladung.

Oswald von Wolkenstein.,

Geboren zu Gröben in Tirol 1367, gestorben 1445. Er machte mit Hugo von Montfort eine Wallfahrt nach Jerusalem, und suchte ritterliches Wesen und Dichten wieder zu beleben.

Wuninklicher wol gezierter und aller voglin schal

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han.

man hæret ane zal

erklingen uber al.

Seyd 3) nu die zeit wennt 4) lieplich ungemach,

so wach, lieb, ach!

sich muetiklich verhendelt 2) zwar mir sol wesen gach

zu hengen ") der hin nach,

Gruen ist der perg ow gevild der ich lang nye gesach,

und tal;

die nachtigal

uncz mich ir ermlin weyss

umbfan.

Muscatblüt.

Sein wahrer Name und Geburtsjahr sind unbekannt. Er muss bis nach 1437 gelebt haben, da er ein Lied auf die Wahl Albrecht's II. dichtete. Er sang an den Höfen der Fürsten, und war ein sehr beliebter Dichter auch noch nach seinem Tode. Seine Lieder herausgegeben von E. von Groote (Cöln 1852).

Ein Frühlingslied.

Wol uff, du arger winder,
und heb dich bald hin hinder,
wan es ist an der zeit!
lass dich nit me begreiffen,
mit deinem kalden reiffen")
du fræerest uns die frucht.
Nu heb dich uss dem lande,
daz du nit komst zu schande.
der may zu felde leit:

zwar der wil dich betwingen
mit hofelichen dingen,
daz du must geben flucht.

schoener juncfrauen grüsse.
hoer, winder lang, nu büsse
was du begangen hast
an manchem jungen kinde!
du hast erfroret swinde
vil manchen grünen ast.
gast) bistu in der welde:
nu heb dich uss dem felde,
daz man dich nimmer schelde
in des maies palast.

Winder, heb dich von dan-
nen!

Zucht bringt er uns mit süsse, der may der hat gespannen,

1) Reigen, Tanz. 2) in die Hände fassen.

4) wendet. 5) nachtrachten. 6) Reif, hoar-frost.

3) seit, since. 7) ein Fremder.

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