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Obendichter J. B. Rouffeau wurde wegen seiner satirischen Epigramme und Couplets verbannt; er war geistreicher als Palisot, der mit seiner Dunciade noch unter Pope fleht Prinz Eugen und Duc d'Aremberg nahmen sich des wißigen Mannes an; er lebte zu Wien und starb zu Brüffel. Heute ist noch nicht ausgemacht, ob jene Couplets wirklich von ihm waren; aber sie verbitterten sein ganzes Leben.

Allen, Allen entriß die Palme des satirischen Wizes der Mann, aus deffen Gefichte schon der Satyr sprach der Mann, den ganz Europa vergötterte und selbst der große Friedrich, Voltaire; daher wir ihm ein eigenes Kapitel widmen müssen. In allen seinen Schriften, im Fleinsten Briefchen lacht der Satyr, wie in seinen Facéties, Fables und Contes; (') ich kenne keine so satirische, wizige Fabel als seinen Lion und Marseillais, die man ganz lesen muß, um ganz den Schluß zu fühlen:

Ainsi dans tous les temps nos Seigneurs les Lions Ont conclu leurs traités aux dépens des moutons. (2)

Eigentliche Satiren aber find: le pauvre diable, le Mondain, le Russe à Paris, Micromegas, (3) vorzüglich aber Kandide. Die Satire Akakia machte vielleicht den meisten Lärm, gegen Maupertuis, den Präsidenten der Berliner Akademie gerichtet, daher Friedrich einschreiten mußte ; aber verbrennen durch Henkershand? wo dachte der Große hin? Voltaire lachte über Maupertuis lateinische Stadt, über seine Zergliederung eines Riesengehirns, um den Sitz der Seele zu erforschen, über das Loch nach dem Mittelpunkt der Erde, um der Schwere Gesetz zu beftimmen, und über seine Verstopfung der Schweißlöcher, um

(1) Scherze, Fabeln und Erzählungen.

(2) So gingen unsre Herrn, die Leun, in jeder Zeit zu Rathe,

Sie schlossen stets auf Kosten nur der Hammel die Traktate.

(3) Der arme Teufel, der Weltliche, der Russe in Paris, Kleingroß.

Jahrhunderte zu leben; und lachte er nicht mit Recht? Er sandte dem König Orden und Kammerherrnschlüffel zurück und, was noch gröber war, eine Antwort, die der Wohlstand mir anzuführen verbietet, als Abbé de Prades, im Namen des Königs eine Entschuldigung verlangte ; nur zitternd meldete solche der Abbé, und Friedrich, der Philosophlachte aus vollem Halse.

Friedrich hatte Ursache, den unbescheidenen Spötter manchmal fühlen zu laffen, daß er König set; aber er that ihm weit weniger wehe als Frerons und Desfontaines" Kritiken, und des leztern Voltairomanie und Voltai= riana; Pompignan aber unterlag dem Wiz des Pa= triarchen der Wizköpfe. Abbé Desfontaines, dem`man nachsagte, daß er Horaz in Allem habe nachahmen müssen, erhielt die Grabschrift:

Hic jacet autorum terror ac puerorum, (1)

und Pompignan, lange nicht so schlecht als ihn Voltaire machte, unterlag einem zum Sprüchworte gewordenen Verse am Schluffe des Gedichts über die Eitelkeit:

Ci gît qui ne fut rien, quoique l'orgueil dise.
Humains humains! voilà votre devise.

Le tombeau d'Alexandre aujourd'hui renversé
Avec sa ville altière a peri dispersé;

César n'a point d'asyle ou son cendre repose
Et l'ami Pompignan pense être quelque-chose! (2)

In Linguets Schriften, vorzüglich in seinen durch ganz Europa gelesenen Annales politiques, liegen Züge des

(1) Hier liegt der Schrecken der Autoren und Kinder.

(2) Hier liegt wer Nichts gewesen ist, was auch der Stolz mag sagen.
Der Wahlspruch, Menschen, ist für euch, mag er auch nicht behagen.
Schon lang ist Alexanders Grab der Elemente Raub,

Mit ihm sant seine stolze Stadt hernieder in den Staub.
Für Cäsar beut sich kein Asyl, die Asche zu empfangen,

Und doch glaubt Pompignan zum Ruhm für immer zu gelangen.

satirischen Wizes vergraben, die der Sammler der Linguetiana gar nicht gekannt haben muß, und die wohl verdienten, aus dem vergeffenen und politischen Paradorenwuft herausgelesen zu werden. Parador waren doch gewiß seine Behauptungen, daß das Brod ungesund, die Sklaven der Alten glücklicher als unsere Taglöhner und Handwerker gewesen, die Regierungen des Orients trefflich, die brittische Verfassung aber abscheulich sei, Tiberius und Nero große Regenten gewesen seien 2c., und fle verdienten die recht beißende Gegenschrift: Théorie des paradoxes, der er seine Théorie des libelles (2) vergeblich entgegenseßte. Aber Linguet bleibt darum immer ein Mann von großen Gaben, wenn auch seine übrigen Schriften, die Annalen ausgenommen, so wenig Glück machten als er selbst er war ein Advokat und Redner, der Seinesgleichen suchte, was ihn aber nur in die Bastille brachte; er war im ganzen gebildeten Europa herumgekommen, verdarb es aber überall, zu Paris und London, wie zu Brüffel und Wien, wo ihm Joseph tausend Dukaten schenkte; der Neid seiner Advokatenkollegen brachte ihn selbst um die Rechtspraxis, und endlich endete er unter der Guillotine sein unftätes Leben, und warum? er war ja ein Schmeichler der Höfe von London und Wien! Beaumarchais war eine Art Linguet, aber flüger; er wählte zu seiner Devise eine Trommel: Silet, nisi percussus. (2)

Ungeheures Aufsehen machten zu ihrer Zeit die politischen Satiren: Le partage de la Pologne (vom Britten Lindsey), und Le procès de trois rois 1781, und noch mehr Peltiers actes des apôtres, (3) die im Jahr 1793 bis 94 Manchen, und wenn sich bloß die Schrift bei ihm fand, unter die Guillotine brachten. Treffenden Wiz auf

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(1) Theorie der Paradoren. Theorie der Schmähschriften. schweigt, wenn nicht geschlagen. (3) Die Theilung Polens. zeß der drei Könige. Die Apostelgeschichte.

(2) Sie Der Pro

Tagsbegebenheiten enthalten bekanntlich die Vaudevilles der Franzosen, und Merciers tableau de Paris, und sein l'an 2440, (') dürfen wir nicht vergessen und besorgen nur, daß leßteres ein Rechnungsfehler sein möchte, da der Anfang im Jahre 1789 so schlecht war. Neels Seereise von Paris nach St. Cloud macht gewiß Jedem Vergnügen, der die grobe Unwissenheit der Hauptstädter um ihre nächsten Umgebungen kennen gelernt hat, und so auch Rivarols Parodien, Dialogen und Almanac des grands hommes; eine geistreiche Berlinerin sagte: Il est plus fin que le comique, plus gai que le bouffon et plus drole que le burlesque. (2)

Meine lieben Franzmänner find einmal geborne lachende Satyrs; ich habe viel mit ihnen gelacht und liebe ste; ihre Revolution war zu tragisch, und unter Napoleons Türkenzepter ließ sich noch weniger lachen; aber ich bin überzeugt, ste lachen wieder und lachen fort — an Stoff fehlt es nicht, und die Satiren, die nur den Despoten fürchten, waren mehr englisch und deutsch, als französischer Natur werden aber in ihrem Mutterlande schon wieder luftig werden; bis dahin hält der alte Patriarch von Ferney die Fahne des französischen Wiges. Vive la France!

(2) Er ist feiner als ein

(1) Gemälde von Paris. Jahr 2440. Komiker, munterer als ein Hanswurst und drolliger als das Burleske.

VII.

Die Satire der Britten.

Swift.

Wenn die Franzosen alle Nationen in lachender Satire übertreffen, so übertreffen sie wieder die Britten an juve = nalischer Kraft und Bitterkeit, denn sie sind die frete Nation. Ihre ältesten Satiriker schrieben natürlich lateinisch, wie Johann Salisbury seinen Polycraticus, s. de nugis curialium et vestigiis philosophorum, (') und Mappes, Wirecker, Wicleff, Buchanan 2c. meist gegen die Verdorbenheit der Kirche. Der Weltpriester Longlande schrieb schon im Jahre 1350 die Vision of Pierce plowman (2) in angelsächsischer Sprache, eine sehr gelungene Satire auf die Lafter fast aller Stände, und Skelton unter Heinrich VIII. wurde wegen seiner Poffen auf der Kanzel und seiner Balladen auf Bettelmönche des Predigtamtes entsegt. Die fast in alle Sprachen überseßte Utopia des Kanzlers Th. Morus war lange ein Lieblingsbuch, und der K. K. General Schnebelin baute darauf seine noch beliebtere Tabula Utopiae oder Schlaraffenland, und fle genügte unsern genügsamern Alten! Donnes Satiren, die in das Jahr 1628 fallen, wären ohne Pope längst vergeffen.

Lord Rochester, den schon im 33ften Jahre Venus und Bacchus zu Grabe trugen, der selbst seinem Könige,

(1) Ueber Poffen der Pfaffen und Spuren der Philosophen. — (5) Vision bes Bauern Pierce.

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