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der wohl nie zur Ruhe kam. Unglücklicher Sonderling, Eldorado ist unter der Erde!

Welch' ein Verlust! o weine
An Rousseau's Leichensteine!
Er war beredt wie Demosthen,
War eigen, stolz, wie Diogen,
So streng und ernst wie Cato
Und hohen Geist's wie Plato!

IV.

Die Satire der Alten.

Die Griechen hatten schon eine dramatisch- lyrische und epigrammatische Satire, sprachen aber von Komödie, Jamben und Sillen. Nannte ja Dante noch sein berühmtes Gedicht vom Himmel, Fegefeuer und der Hölle Comedia (bloß wegen der Schreibart), und seine Bewunderer nannten fle gar Divina. Hipponar wurde schon wegen seiner Jamben aus dem Lande gejagt, und Archilochus, der noch berühmtere Spötter, starb gar unter dem Dolch seiner Haffer. Er scheint aber auch ein ziemlich unmoralischer Herr gewesen zu sein, wenigstens ohne Ehrgefühl, da er selbst über seine Feigheit und seinen hingeworfenen Schild spottete: "Ich habe meinen Schild Hingeworfen, um mich zu retten; man kann sich wieder einen andern Schild kaufen, aber nicht das Leben!" Die Zeit hat uns von den Satiren eines wißigen lebensluftigen Volks, das einen Demokrit, Menippus und so viele Cyniker hatte, nichts gelaffen als Lucian und Julian, wozu man noch Euripides Cyclopen und die Fragmente, die von Simonides Satire auf Weiber, die sich bei Stobäus finden, rechnen kann. Gar viele satirische Züge der Alten find für uns verloren, weil wir ihre Bezie= hungen nicht mehr kennen, was ja selbst bei Neuern der

Fall ist. Der Satyr präftdirte den Festen der Alten, und schon vom Wagen des Thespis fiel unser Hanswurst, der sich im Kasperl Oesterreichs erhalten hat und noch natürlicher bei Hochzeiten der Juden auf dem Lande.

Lucian, geboren zu Samosata (122) in Syrien, dem weder Bildhauerei noch weniger Juristerei behagte, und der sich der Philosophie ergab, Reisen machte und unter Antonin doch Prokurator wurde, steht oben an; denn er wurde noch weit mehr der größte Wizkopf seiner Zeit und ihre Geißel, der selbst die Götter nicht schonte, wohl aber die Kaiser. Seine Götter- und Todtengespräche sind wohl die interessantesten seiner Schriften, und nach ihnen kommen die philosophischen Sekten im Aufstrich der Fischer das Leben des trefflichen Demonar, der Luftreisende, die wahren Geschichten — die Dialoge der Hetären und Lucius oder der Esel, der noch freier ist als seine Erotes, wo die bloße Beschreibung der Göttin von Knidos weit wollüftiger wirkt als der Meißel des Prariteles. Wieland ließ daher lettere nebst dem fünften Hetärenbrief unüberseßt; der französische Uebersezer war barmherziger gegen Leser, die nicht Griechisch verstehen. Lucians Spott trifft zunächst die Sophiften, worunter er selbst Chriftum rechnet; daher ihn auch die Kirchenväter von Hunden zerreißen laffen, ob er gleich ruhig verschied im hohen Alter. Wie viel ist für uns verloren und doch, wie hoch steht der Grieche Lucian über unserem Rabener ? 1

Niemand schäßte Lucian höher als sein Geistesbruder Erasmus, und das zu einer Zeit, wo noch ganz Europa recht chriftlich über den frechen Heiden schimpfte, und Wieland hätte schwerlich Lucian so schön verdeutscht, wenn er nicht, gleich Erasmus, einen Geistes verwandten in ihm erblickt hatte; auch ist er gerade so redselig, was ich allein zu tadeln wüßte. Wieland sagt mit Recht:

Was uns betrifft, die gern sokratisch lachen,
Uns dient er oft zum wahren Aeskulap,

Er treibt die Blähungen der Seele sanft uns ab,
Und weiß die Kunst, mit Lachen oder Lächeln

Uns klüger oft, vergnügter stets zu machen,

Und dies ist mehr, gesteht's, als mancher große Mann In Folio oder Quarto leisten kann.

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So denke ich auch, Lucian ift einer meiner Lieblinge; aber man genießt ihn nur nach Würden, wenn man ihn griechisch liest, und ich mache mir kein Gewissen daraus wie Stilling, Lucian gekauft zu haben, und zwar nicht bloß im Original, sondern noch in drei Ueberseßungen: Wie? du kaufft ein so theures Werk, bloß um zu lachen, und haft Frau, Kinder und Schulden?" sagt Jung, was ihm keine Schande macht aber aber nun glaubte er zu seiner Entfündigung die Scenen aus dem Geisterreich schreiben zu müssen, und dennoch führte ihn der Gottseibeiuns hinter Sterne und Hippel; er schrieb sein Heimweh und endlich gar seine Theorie der Geisterkunde, wozu ihn das dümmste Gespenst der Welt verleitet haben. muß. Der Schwärmer machte durch diese Bücher neue Schwärmer und Kopfhänger, und ahnte wohl nie, daß er auch Viele so herzlich dadurch lachen machen würde als Lucian, Sterne und Hippel, die weniger Schuld haben als der Magenkrampf. Mens sana in corpore sano, welche Menge Andachtsbücher würde ich sonst schreiben!

Julian, dieser gescheite würdige Kaiser und tapfere Krieger, der leider schon im zweiunddreißigsten Jahre gegen die Verser blieb und die fanatischen Christen nur Galiläer nannte, welche die Ruhe seines Staates störten, daher er die alte offenbar vernünftigere Religion wieder

herrschend zu machen suchte und dafür nur der Abtrünnige hieß und mit den schwärzesten Farben gemalt wurde, hinterließ uns zwei Satiren, wie sie nur ein Kaiser ungeahndet schreiben darf, daher ich wünschte, wir hätten in jedem Jahrhundert einen Julian. Er schrieb seine. Cäsares, eine wißige Verspottung der Kaiser vor ihm, und seinen Misopogon, (1) eine Satire gegen die Antiochier, die ihn wegen seines langen Philosophenbarts verlacht hatten, die aber der ersten weit nachsteht. Julians Lieblingsaufenthalt war Lutetia (Paris) auf dem schmußigen Seineinselchen, jest la Cité genannt; wenn der Mann das jezige Paris sehen könnte? Seine Lutetia war nur die Eichel zu dem astreichen Eichbaum, den die Könige Frankreichs wohl notre bonne ville (2) nennen durften. In neuern Zeiten ging man in Ansehung Julians auf der andern Seite zu weit, wie die fanatischen Kirchenpapas, und machte ihn zu einem Friedrich! In der Philosophie und Satire konnte er es allenfalls mit ihm aufnehmen, vielleicht selbst als Krieger aber als Regent? Er scheint auch viel aus seinem Studentenleben. auf den Thron mitgenommen zu haben, selbst den Bart.

Schade, daß wir über die wißigen, lachenden Griechen so wenig zu sagen haben; wir wenden uns also zu den ernstern Römern, welche die didaktische Form der Satire erfanden und eine Art dramatischer Luftbarkeit Satura (Mischmasch) nannten, woher der Name Satire, was der Ableitung von den widerhaarigen Bocksgestalten, Satyren genannt, keinen Abbruch thut. Ennius, Pacuvius, Varro und Lucilius werden als die ersten Satiriker genannt; von lezterem sagt Horaz, er habe sich gerühmt,

Aus dem Stegreif, ohn' ein Bein zu ftrecken,
Zwei Bogen voller Nichts mit Jauchzen auszuhecken ·

1) Barthasser, (2) Unfre gute Stadt.

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