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Meisterstück aber, voll Wig, Laune und Jovialität, das ihn neben Sterne und Fielding ftellt, bleibt seine Humfrey Clinker. Dieser Roman neben seinem Veregine Vikle werden leben wie unter seinen Gedichten die Thränen Schottlands, und die Ode an die Unabhängigkeit; aber seine Fortsetzung von Hume's Geschichte Englands, 1688 bis 1765, laffen bedauern, daß Hume sie nicht fort= sezte, und seine unbedeutende Reise nach Italien, die er freilich als Kranker machte und auch zu Livorno ftarb, ift bloß berühmt durch Sterne's Spott fungus ift Smollet.

sein Smel

Und wie könnte ich den Verfasser des Vicar of Wakefield, aus dem viele Deutsche Englisch zu lernen anfan= gen, wie früher Franzöftsch aus Telemach, Goldsmiths vergeffen, ein Irländer und Sohn eines Landpredigers, geboren 1729? Er ftudirte zu Edinburg die Arzneikunde, flüchtete wegen einer unvorsichtigen Bürgschaft nach Rotterdam und Löwen, und pilgerte von da zu Fuß, ohne Empfehlung und Geld, nach Frankreich, Schweiz und Italien, bei welcher Gelegenheit er seinen schönen Wanderer dichtete. Ein Schullehrer, der lange Unteroffizier gewesen war, hatte dem Schüler so viel von seinen Reiseabenteuern erzählt, daß er offenbar den Grund zu Goldsmiths Wanderluft legte, wie bei gar Vielen Robinson und andere Romane; schon beim Knaben begann fle fich zu zeigen zu Cork und Dublin, und war offenbar die Ursache seines Abscheues gegen jeden geregelten Beruf und alles seines Mißgeschickes.

Goldsmith kam 1756 wieder nach London, sein Oheim war geftorben; Flöte und Dialektik, die ihn auf seinen Reisen auf dem Lande und in Klöstern fortgeholfen hatten, warfen in Oldengland nichts ab; ein Chemiker nahm ihn endlich aus Mitleid auf, er wurde Lehrer eines Erziehungshauses, Mitarbeiter an Journalen, und unter

Johnsons Vorschub wagte er sich auch an größere Arbeiten; aber Leichtsinn und Spiel verließen ihn nicht bis zum Tode, und so starb er, aus Furcht vor dem Schuldthurm 1774. Georg im Vicar of Wakefield ift er selbst, der Vicar aber sein Bruder, der wirklich als Landgeistlicher in dem theuern England mit vierzig Pfund, fich und den Seinigen und den Wissenschaften, heiter und zufrieden in dem verlassenen Dörfchen lebte, das der Dichter so schön besungen hat. Pope's Vers Harakterifirt ganz diesen Natursohn, der bloß den Eingebungen seines Genius folgen zu dürfen glaubte, unbefümmert um Menschen, bürgerliche, gesellige und häusliche eigene Verhältnisse.

In wit a man, simplicity a child. (1)

Dem guten Goldsmith oder eigentlich dem Vicar of Wakefield muß ich noch zwei Büchlein zur Seite stellen voll humoristischer trefflicher Züge, die ihm gar wohl zur Seite stehen dürfen: des schottländischen Advokaten Mackenzie Man of feeling und Man of the world, der jedoch dem erstern nachstehen muß. Diese drei Büchlein find mir einmal werther als Sammlungen hochberühmter Männer in dreißig bis vierzig Bänden, die ich natürlich nicht nennen werde. Die kleine irdene Lampe Epiktets wurde theuer verkauft; Lucian sagt aber nichts von der Lampe Pharos am Hafen Alexandriens. Ein unter uns weniger bekannter Roman, der aber in England Glück machte, ift des Geistlichen R. Graves (geft. 1805) Satire auf die Methodisten The spiritual Quixote, aber theils intereffiren uns jene Schwärmer wenig, theils fehlt ganz die vis comica, an die der weltliche Quirote gerade erinnert, und mir hat dieser komisch sein sollende Roman rechte Langweile gemacht. Die Natur scheint sich in (1) In Wiß ein Mann, in Einfalt nur ein Kind.

England wie in Frankreich erschöpft zu haben; die Neuern verfallen wieder ins Unnatürliche, Wundervolle und Ungeheure, und die neuesten Autoren sind die Damen: Radcliffe, Sheridan, Reeve, Burney, Smith, Inchbald, Lennor, Williams 2c., wovon allenfalls die Evelina, Cäcilia und Camilla der Madame d'Arblah auszunehmen find, so wie Walpole's Castle of Otranto und Johnsons angenehmer Prinz Raffelas, der umgekehrte Candide; die Sündflut solcher Romane überschwemmt das VaterLand der Fielding, Sterne, Smollet, Goldsmith und Mackenzie, tout comme chez nous, nur daß fie noch düsterer Haltung sind als deutsche, kraft des Steinkohlendampfes.

Furchtbar müssen jenen Damen die Männer ge= wesen sein, die fich plöglich wieder hoben und das ganze Romanpublikum, selbst das deutsche, an sich zogen, Byron und Walter Scott; des erstern Childe Harold ift trefflich, und mehre kleine Gedichte, und so auch Walter Scotts Lady of the Lake und Rokeby, im Styl der alten Balladen; Waverley, Ivanhoe, Woodflock, Durward 2c. ungeheures Glück machten. Eigentlich gehören sie nicht hieher, da fle tragischer Natur find; aber fle find grande mode, selbst in Deutschland, und das hat doch etwas Komisches. Walter Scott ist der deutsche Lafontaine, aber unendlich reicher, und doch schmiert er viel zu viel für Ehre und Ruhm; mit mir hat er es ganz verdorben durch sein erbärmliches und bändereiches Leben Napoleons! Pfui! wer findet da die Damenromane nicht noch erträglicher, wenn er gleich ungalant genug ist, zu sagen uud zu schreiben: Gutmüthig haben Gänse lange Zeit

Zum Schreiben ihre Federn uns geweiht;
Das konnte länger nicht so bleiben,
Sie fangen an jeßt felbft zu schreiben.

XXIV.

Der Roman der Deutschen und des Nordens.

In Deutschland bestand der Roman fast bis in die Mitte des flebenzehnten Jahrhunderts aus faden Ritterromanen, den Historien von Troja, Alerander, Amadis, Herzog Leopold von Oesterreich und Ernst von Baiern 2c., aus Legenden und den Mährchen aus latei= nischen, französischen und italienischen Quellen; jedoch ftammen auch welche aus reinem deutschen Boden, wie 3. B. Wigolais vom Rade, Iwain 2c. Allgemeine Lektüre war Doktor Fauft und der Herzog van Luxemburg, und ihre Verträge und Händel mit dem Teufel; dann folgte Till Eulenspiegel mit seinen Schwänken, und noch lacht man über seinem Grabe zu Möln unter einer Linde, bezeichnet mit Eule und Spiegel. Das Original war plattdeutsch, fast in alle Sprachen ist er übertragen; wir haben sogar 1796 noch einen neuen deuts schen Eulenspiegel erhalten, aber er muß dem alten Schalk weichen, und noch mehr der franzöfliche Eulenspiegel oder Maître Gonin, aus dem ich auch nicht einen erträglichen Zug anzuführen wüßte. Jede Nation hat ihren Eulenspiegel: Aesop war der Till der Griechen und Römer, wie Bertholdo der der Italiener, und sage

man, was man will, komische Roman, und uns nie, so wie auch nicht den Franzosen les tours d'Espiègle; bei Britten ist er nur etwas versteckter, weil sie Rolglas überseßten. Der gelehrte Streit, ob Till von Timotheus herkomme oder von der Pflanze Till (Hederic)? mag auf sich beruhen; ein guter Landwirth jätet fte aus von seinen Feldern, denn es ist Unkraut.

unser Till ist der erste deutsche an Eulenspiegelstreichen fehlte es

Ahasverus, der ewige Jude, der seit der Kreuzigung schon herumwandert, und den des Herrn Generalsuperin= tendenten von Eithen Hochwürden in Schleswig 1547 noch zu Hamburg gesehen und gesprochen haben wollen, war ein ähnlicher Lieblingsroman; aber nichts übertrifft die wahre echtdeutsche Nationalsatire, und das vollendetste und gediegenfte Werk altdeutscher komischer Literatur, deffen Wig fich nicht selten faft zum Humor erhebt, ist das 1598 erschienene luftige unch lächerliche Lallenburg oder die Schilobürger, unser erster satirischer Roman, der die Regimentsverfaffung und Kleinmeisteret der Städte und Flecken Deutschlands durchnimmt; seine kleinen Zoten muß das Zeitalter entschuldigen. Es ist zu bedauern, daß Hagen, der in seinem Narrenbuch, Halle 1811, das alte Lallenburg wieder abdrucken ließ, den zweiten Theil nur im Auszuge lieferte, wobei so viel verloren ging, als bei den ältern Ueberarbeitungen oder soge= nannten Reinigungen, wo manches alte Gute mit wegs gereinigt wurde.

Ungefähr in die Zeiten der Lallenburg fallen die abenteuerlichen Volksromane: die schöne Meluftne, die schöne Magellone, der gehörnte Siegfried, Herzog Ernst aus Baiern, Fortunati Wünschhütlein, das Buch der Liebe; die schönen Historien von den steben weisen Meiftern, von den vier Haimonskindern, die alle vier auf

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