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die überall Oppofitionsparteien haben müssen, bilden allein keine, wenn es den großen Shakspeare gilt. Einer seiner Bewunderer sagte: 3ch lese nur zwei Bücher: die Natur und Shakspeare, das ist mir der Commentar des andern," was wohl gerade nicht wörtlich zu nehmen ift. Es freut mich, daß mein Liebling noch in seinen legten Zeiten so munter war; viel Umgang hatte, unter Andern auch mit einem reichen Junker, der ein großer Wucherer war; er verlangte einst eine Grabschrift von ihm hier ist fle:

Ten in the hundred lies under this stone,

And, a hundred to ten, to the devil is gone! (1)

Zeitgenossen dieses hohen Genius waren: Ben Johnson, Beaumont und Fletcher. Jener lieferte Charakter-. stücke, wie: Every man in his humor, every man out of his humor, den Alchymisten, das flumme Mädchen oder Epicene (wohl das beste), den dummen Teufel, den Volpone oder Schlaufopf, eine Satire auf die in Italien herumschwärmenden Britten, die wohl noch ganz andern Stoff darböten, und: der Bartholomäusmarkt. Fletcher und Beaumont stehen schon höher; leßterer machte die Plane und pathetischen Scenen; Fletcher, der mehr Welt hatte, erhöhte sie durch Wiz und selbst Zoten; man nannte beide Castor und Vollur; die Natur hatte für fle feinen Schleier, und Aristophanes ist noch unanstößiger. Ihr beftes Stück ist wohl: The Spanish curate und rule a wife and have a wife, deffen Schluß wohl noch von jedem Cheluftigen erwogen zu werden verdient:

(1) Zehn vom Hundert liegt hier begraben,

Zehn wett' ich gegen Hundert! ihn wird der Teufel haben.

All you,
who mean to lead a happy life,
First learn to rule, and then to have a wife. (1)

Mafsinger, deffen befte Stücke: Die City-Madame und die neue Mode, alte Schulden zu zahlen, sind, und Otways Freundschaft nach der Mode und Soldatenglüc gleichen jenen an Unanständigkeiten, und mit König Carl H. dem ein Rochester auf seinen Vorwurf: "Ihr seid der lockerfte Geselle meines Reichs," sagen konnte: "Wenn Eure Majestät bloß von Dero Unterthanen sprechen, will ich nicht widersprechen," kam die Zügello figkeit selbst auf die Bühne, die dreizehn Jahre lang unter der Herrschaft puritanischer Schwärmer, die in ihr nur eine Teufelsschule sahen, ganz verschloffen war. In dieser Zeit gab es auch noch kein Frauenzimmer auf dem Theater, daher sich einft der Direktor bei der Ungeduld des Parterres entschuldigte: "Meine Herren und Damen! die Königin wird gleich vollends barbirt sein; nur noch einen Augenblick Geduld!" Der Liederliche wurde der Held des Lustspiels, und die Tugend selbst belacht, wobei das Theater der Franzosen Einfluß hatte.

Aus diesen Seiten haben sich noch, wiewohl stark abgeändert erhalten: Cibbers Careless husband, loves last stake, Woman's wit, Love makes a man ober the fop's fortune (mir. das liebste) und She would and she would not. Vanbrughs Relapse, Aesop, nach dem Französischen des Boursault, aber flark geändert, weil das, was in Frankreich schwimme, in England finke; dort ist viel Kork, bei uns viel Blei, und dann Provoked wife und Provoked husband. Eine vergnügungssüchtige Lady Townly kann einen ordnungeliebenden Lord Townly wohl provociren, und nicht Alle find

(1) Wer glücklich leben will, erlerne stets zuvor
Das Herrschen auch, eh' er ein Weib erkor.

fo glücklich wie der Lord, daß Madame in fich geht, wie sie am Schluffe sagt:

Now, now a convert to this truth I come,

That married happiness is never found from home. (1)

Cibbers Refusal oder Lady's Philosophy ift richtig: Up to her, pursue her, seize her, kiss her her, alarm her, disarm her

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you warm

you charm her! (2)

Buckinghams, Chances und Rehearsal haben ihren Werth verloren, und im leßtern Stück wird vorzüglich Dryden, der gegen dreißig Theaterstücke schrieb und darunter zehn Lustspiele ohne alles Salz, lächerlich gemacht und mit Recht; er schrieb um des Brodes willen, da läßt sich nichts Treffliches erwarten; in diesem Falle war Boileau nicht, und doch finde ich große Aehnlichkeit; fle zeichneten fich beide aus, nicht durch Genialität und Dichterkraft, sondern lediglich durch Eleganz und Styl; Drydens beftes Stück möchte noch sein Spanish friar sein. Susanna Centlivre lieferte drei Lustspiele: The busy body, A bold stroke for a wife und The wonder a woman keeps a secret, die unzüchtiger find als irgend eines der Luftspiele ihrer Zeit, und man hätte sie nicht Susanna taufen oder auf ihren Laufnamen hinweisen sollen.

Etherige und Farquhar waren noch kräftigere Witlinge aus Carls II. Schule; im leichtsinnigen Umgang mit Rochester, Dorset und Buckingham schrieb jener: Love in a tub, She would if she could und The man à la mode oder Sir Fopling Flutter, den auch der Spektator wegen seiner Unmoralität angegriffen hat, und Farquhar, ein Offizier, übertraf ihn noch weit in seinen acht Stücken, darunter Sir Wildair und der Recruiting (1) Zu diefer Wahrheit bin bekehrt ich jeßt, Daß sich ein Ehepaar zu Hause nur ergößt.

(2) Auf sie, verfolgt sie, ergreift sie, tüsset sie, verwirrt sie, entwaffnet sie -`ihr entzückt sie.

officer wohl die besten sein dürften. Farquhar ging in die Schlinge einer Verführerin und starb in Elend und Mangel, aber dennoch scherzend schon im dreißigsten Jahre. Farquhar und alle brittische Luftspieldichter vor und nach ihm beobachteten weit weniger das Decorum als die Franzosen, vorzüglich in Hinsicht weiblicher Charaktere, sonst könnte man es ihnen wie König Carl II. verzeihen, wenn man die Marime hat, die Farquhar in seinem Inconstant ausspricht, ein Mann muß einen Thoren haben, wie der Löwe den Schakal:

Not a buffoon, who is buffoon by trade,

But one that nature, not his wants have made,
Who, when he 's most in earnest, is the least,
And his most grave expression is a jest! (1)

Whicherly schrieb nur vier Stücke: die Liebe im Park, der vornehme Tanz und das Landweib, die nicht viel sagen wollen, desto besser ist sein Plain dealer, oder der gerade Mann, verbessert durch Bickerstaff 1796. Fr war von guter Familie, geboren 1640, wurde, wie viele lebhafte Köpfe, vor und nach ihm, dem lieben Jus ungetreu; sein Plain dealer erwarb ihm Achtung, Carl II. selbst besuchte ihn in einer Krankheit und gab ihm 500 Pfund zu einer Reise nach Montpellier. Er sollte Prinzenerzieher werden, aber durch seine unglückliche Heirath mit einer Gräfin war er verloren; die Schöne quälte ihn durch Eifersucht, und nach ihrem Lode bekam er Prozesse mit den hohen Unverwandten, die ihn in Schuldthurm brachten. König Jakob II. sah den Pleain dealer spielen und entließ ihn auf der Stelle aus dem Thurme, wo er fleben Jahre geseffen hatte, mit einer Penfion, die aber mit der königlichen Flucht

(1) Nicht der ist wißig, wer den Wiß als ein Geschäft betreibt,
Nur Solcher, ten Natur zum Scherz und nicht der Mangel treibt;
Wer, wenn er irgend ernst erscheint, am wenigsten es ist,
Und dessen ernstes Wort sogar noch einen Scherz umschließt.

aufhörte; so gerieth er in neue Schulden, heirathete aus Verzweiflung nochmals mit fünfundsechzig Jahren. „Der Gedanke ist mir unerträglich," sagte er, win der Ehe zu leben, ich will darin sterben," und hielt Wort acht Lage nach der Hochzeit. Echt brittisch wäre es gewiß, wie man erzählt, daß er nicht eher heirathen wollte als am Ende seines Lebens und erst nach der lezten Delung, weil diese dem Sakrament der Che vorausgehe; und echt humoristisch war es, daß er seine junge Frau bat, ihm feine lezte Bitte nicht abzuschlagen: "Heirathe nie wieder einen Alten!" Es ist schade, daß der Plain dealer nicht wohl zu übersezen ist; so wie ihn Voltaire in seiner Prüde gab, wollte ich Deutscher ihn nicht geben; Franzosen haben keinen Sinn für einen geraden Mann, aber Deutsche, und eine glückliche, ganz freie Verdeutschung wäre von Nußen; Seekapitäns Manly können wir auf dem Festlande nicht brauchen, auch wären ste zu rauh, wohl aber gerade Männer, die nicht Alles hinter dem Rücken sagen und thun aus lauter Bonton freemen, die so selten sind, daß wir sprüchwörtlich von einem geraden Manne sagen: "Der ist noch aus der alten Welt!" Gerade heraus findet sich nur noch bei Adelung, desto praktischer aber ist: Fünf gerade sein lassen.

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Addison und Steele, keine Genies, aber würdige Männer, find uns Deutschen nicht durch ihre Schauspiele, aber durch ihre bekannten Wochenschriften interessant, die wir beim Erwachen unserer Literatur nachzuahmen fuchten, wo es mit Wig und Laune noch gewaltig scheu aussah, wie der Mensch, der Gesellige, der Jüngling, der Greis 2c. beweisen, die Niemand mehr liest, wohl aber den Spektator, Guardian, Tattler 2c. Steele schrieb schöne Funerale auf die Vorstellung und den Pomp bet Leichen, und seine Conscious lovers; Addison aber den zärtlichen Ehemann und seinen Drummer (Trommler), und

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