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so reich, als nur wenige Dichter gewesen sind. Er schrieb gegen zweitausend vierhundert Dramen, die alle gespielt wurden; man vergötterte ihn, und der höchste Lobspruch eines guten Produktes war: Es de Lopez. (') Die Schauspieler riffen ihm die Stücke, an denen er nie über drei Tage, oft gar nur einen, arbeitete, noch naß aus den Händen und gaben ihm, was er verlangte; daher hinterließ er wenigstens zehntausend Dukaten als er 1635 im dreiundflebenzigsten Jahre starb. Sein Tod machte so viel Sensation in Spanien als einft in Frankreich der Hingang Voltaire's, und sein Leichenzug war königlich. Plan und Regel darf man nicht suchen; noch weniger etwas Vollendetes, wohl aber Erfindung, Charakterzeichnung, Menschenkenntniß und Diktion, und wer will Meisterstücke von einem Vielschreiber verlangen, bei dem, nach eigener Rechnung, auf jeden Lebenstag Bogen kommen?

fünf Calderon steht ihm zunächst, aus Madrid, der fludirte, dann Feldzüge mitmachte in Flandern und Italien, Ritter von Santiago wurde, sodann in den geistlichen Stand trat, aber auch als Priester Hoftheaterdichter blieb und im flebenundachtzigsten Jahr 1687 ftarb mit vielem Vermögen, das er seinem Orden legirte. Er schrieb hundert slebenundzwanzig Stücke, ohne fünfundneunzig autos sacramentales, zweihundert loas (Vorspiele) und Hundert sainetes (Divertissements), und übertrifft nicht selten selbst Lopez; auch er wurde reich durch seine autos sacramentales, die ihm die größten Städte Spaniens abverlangten. Calderon, der schon im vierzehnten Jahr el carro del cielo und noch in seinem einundachzigsten. Jahr seinen Hado y Devisa (2) schrieb, wäre der rechte Mann für unsere Mystiker gewesen, er würde fie ins Theater gelockt, zwischenhinein unvermerkt ein vernünftiges

(1) Es ist von Lopez.—(2) Wagen des Himmels. — Schicksal und Erbe.

Stück eingeschoben und so hie und da einige arme kranke Seelen geheilt haben. Calderons Waare war so häufig gesucht und so gut bezahlt, daß fie unmöglich die beste sein konnte: solche Waaren pflegen immer schlechter zu werden, erscheinen aber dafür in größerer Menge.

Cervantes' acht Luftspiele entsprachen nicht seinem Ruf; Roxas' drei Stücke: Thu' die Augen auf, Don Domingo de Blas, und: Von außen kommt, der uns Hinauswirft; Cancer's Lod Balduins, Solis' Zigeune= rin, der Palast des Stillschweigens, und: Ein Narr macht hundert, find dafür desto beliebter, nebst Moreto's: Sprödigkeit durch Sprödigkeit überwunden, und: No puede ser (es kann nicht sein). Moreto ift Calderon vorzuziehen, und echt komisch ist der bekannte: El diablo predicador, von einem Ungenanten, Sarate's La presumida y la hermosa, Hog's Castigo de la miseria etc. (1) Noch jest hat, nach Bourgoing, das spanische Theater feine bessere Stücke aufzuweisen, und der Gracioso tritt zwischen die rührendften Scenen, Wortspiele, Gemeinpläge; je verworrener der Knoten, desto besser, und natürlicher Dialog fehlt ganz. Der Kuß ist vom Theater verbannt, folglich wird in der Oper: Der Faßbinder, der Geselle, ftatt desselben, mit dem Aufsuchen gewiffer Insekten begünstigt, und der eifersüchtige Meister überrascht Frau und Gesellen bei dieser traulichen Jagb. Noch jest fallen Schauspieler und Zuschauer nieder, wenn fich das Hochwürdige hören läßt, und im obengenannten Stück: Der Teufel als Prediger, thut es auch der Teufel, selbst der Bär, im Milchmädchen, schlägt das Kreuz, wenn es gerade donnert!

Mit den Bourbons verschwand ganz das Nationelle und Originelle des Spaniers; französische Kultur trat

(1) Der Teufel als Prediger. Büchtigung des Unrechts.

Die Angebliche und die Schöne.

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auch hier an die Stelle, wie im übrigen Europa, und jezt schöpfen fte selbst aus französischen und brittischen Quellen, was früher der umgekehrte Fall war. Die neuern Stücke des Cañizares, . B. Domine Lucas, Musico por el amor, (1) find wigig, aber voll Unge= zogenheit, und gute Köpfe scheinen sich wenig mehr um die Bühne zu bekümmern. Voll burlesker Laune find: Monteser caballero de Olmedo, und eines Ungenannten: El rey Alfonso, Iriarte's verzogenes Kind und schlecht erzogenes Fräulein, Moratins: der Alte und der Junge, das Kaffeehaus und der Scheinheilige. Wir sollten uns doch etwas mehr um spanische Literatur bekümmern, fle verdiente es vielleicht eher als die italienische; ihre Zwischenspiele øder sainetes, die zu lokal find, deren Romano de la Cruz an zweihundert geschrieben hat, und in welchen nie die majos (3ierpuppen) und die gitanos (Zigeuner), fehlen dürfen, könnten wir beiseite laffen.

Beim Nachbar und Bruder Spaniens, den portus giesischen Kirchen- und Kuttensklaven, darf man höchstens Schäferpoefte und Sonnette suchen, fte sahen ja das Erdbeben von Lissabon als eine Strafe Gottes an, und nur ein Pombal konnte fragen: „Warum ist denn aber die Hurengasse stehen geblieben?" Indessen haben sie einen Miranda, Ferreira, de Silva 2c., die Plautus und Tes rentius nachahmten, und einen Vincente (geft. 1557), den Erasmus dem Plautus gleichstellte und um seinetwillen Portugiesisch gelernt haben soll; auch werden die Lustspiele des Juden Antonio Joze gelobt, der mit seiner populären Luftigkeit das Publikum zum Theater zog (1730-40), das vorher rein spanisch-französisch war, und zum Dank in dem legten Auto da fé 1745 verbrannt wurde! Unsere Söhne Mofts hätten so was nicht zu befürchten; Gott hat sie mit Geld und Wik

(1) Mufiter aus Liebe.

gesegnet; Menschenkenntniß haben sie mehr als deutsche Philosophen, das Theater lieben fle auch; warum hören wir nichts von einem guten jüdischen Luftspieldichter ? Sollten sie etwa so denken, wie Corrinna von Italienern glaubt, und statt Rebes Mackes fürchten?

In Portugal scheinen, wie in Italien, die Opern das Luftspiel zu verdrängen; Spaniens Einfluß und die schöne kastilische Sprache, die jeder Gebildete kennt, wie unter uns die Sprache Frankreichs, verhindern eine Nationalliteratur; man behilft fich mit spanischen und französischen Stücken, die Britten aber kennt man nur als Herrscher und Kaufleute, ja viele Portugiesen würden vielleicht noch heute nichts von Deutschen wissen, wenn Schomberg, Lippe und Waldeck, die franzöfifche Revolution nicht wären, einige Hamburger und Geßners Tod Abels; hier ifts finster auf der ganzen Herrlichen pyrenäischen Halbinsel, die unter einem Scepter vereint sein sollte. Man rühmt unter den neuern Dichtern Garzao und ein Sittengemälde Lissabons: O caffé e o bilhar; Camoens wird ohnehin ftets leben. In einem luftigen Fastnachtsstück soll selbst die Königin sich vor Lachen nicht mehr haben halten können und dem Könige athemlos auf den Schooß gefallen sein, so trefflich machte der Gracioso seine Sachen! In Portugal spielen schöne junge Kastraten die Damenrollen und preßten Britten und Deutschen manchen Handkuß und Seufzer ab, bis fle hinter die Sache kamen und an bequemeren Orten fanden, was fie eigentlich suchten und dabei einander auslachen konnten.

XVIII.

Das Lustspiel der Franzosen.

Molière.

Keine Nation hat ein so uraltes, so wißiges und so gutes Stück, als die Franzosen in ihrem Avocat Patelin, deffen Verfasser, Loris, der den alten berühmten Roman: De la rose, (') schrieb, sein soll, nach andern, P. Blan= Het, aus dem elften Jahrhundert. Später kam Jodelle, der die Alten zum Muster nahm, aber auch ein Origis nalstück schrieb 1552: Eugène ou la rencontre. (2) Heinrich IV. lachte Thränen über die Poffen, selbst wenn fte auf ihn stichelten, und sezte Schauspieler in Freiheit, die das Parlament seinetwegen hatte einsperren lassen; auch spielten schon Venediger zu Paris unter dem Namen: Gli gelosi. (3) Das französische Theater begann, wie überall, mit Mysterien und Moralitäten, aber schon unter Karl VI. bildete fich eine Gesellschaft, welche die Streiche der Hauptstadt geißelte, fich enfans sans souci nannte und einen König hatte, roi des sots, und ihre Poffen sottises betitelten, und Karl VI. bestätigte durch offene Briefe cette joyeuse institution. (4)

(1) Dieser Roman stammt aus dem 13ten Jahrhundert. øber die Begegnung.

König der Narren."

(2) Eugen (3) Die Eifrigen (4) Kinder ohne Sorgen. Narrheiten. Diese muntere Einrichtung.

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