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unsern Aesthetifern und Romantikern mit ihrem sachleeren Schwulste, mit unsern Politikern, die am weitesten gehen, je weiter fleerilirt worden find, mit unseren Landsleuten im Auslande, mit unserem Deutschthum ohne Selbstständigkeit, mit unserem Nachäffen des Auslandes, mit unseren stolzen Titeln und tiefer Demuth, mit unserem Gemeingeist und Einheit im deutschen Bunde 2c. Wir leben im Limbus der Thorheit, eine neue Mode vertritt die alte, die vielleicht ein Jahr zählt, nur die deutsche Mode will nicht kommen. Non deest materia, sed artifex; Courage, deutscher Molière !

Wir sind endlich einig, daß die Belehrung eines Luftspiels nicht eigentlich auf die Würdigkeit der Zwecke gehe, sondern gar wohl bei der Tauglichkeit der Mittel bleiben könne, und mehr Klugheitslehre als Moral, oder doch nur Moral des Erfolgs und nicht Triebfeder sein dürfe. Ist das Luftspiel Spiegel des wirklichen Weltlaufs, so kann es nicht immer erbaulich sein, es ist mehr Warnungsmuster als Muster der Nachahmung, nicht gerade Sittenschule, sondern vielmehr Schule des Frohsinns und der Aufheiterung, auch si licet - Befriedigung der Eigenliebe. Die Bühne ist ein öffentlicher Zeitvertreib, den einmal große Städte so wenig entbehren können als Conzerte, Bälle, Gesellschaften, Kunftsäle 2c., und noch weit schlimmere Dinge, unter denen das Theater immer der Zeitvertreib sein dürfte, der oft größere Uebel hindert, dabei Geschmack und Verstand bildet, und immer edler als andere Zeitvertreibe. Panem et Circenses! (1) Wir sind auch überzeugt, daß der Misanthrop und Sonderling, der betrogene Ehemann oder Gläubiger sc. darum noch nicht verächtlich gemacht ist, wie die Chikanenmacher des Luftspiels behaupteten, wenn ihn der Dichter in Lagen bringt, worüber wir lachen müssen. Wir schäzen die guten (1) Brod und Spiele.

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Eigenschaften von Destouche's Zerstreuten, wenn wir auch über seine Zerstreuungen lachen müssen.

Der allgemeinfte Nußen des Luftspiels liegt wohl im Lachen selbst und in der Uebung, das versteckte Lächerliche Herauszufinden, was ich als einen Schritt zu eigener Vervollkommnung ansehe. Wenn vis comica im Stücke ist, verzeihen wir selbst Uebertreibungen; das Lachen nimmt feine Rücksicht auf größere oder kleinere Wahrscheinlichkeit, und wir können lachen, wenn der Geizige von seinen übergoldeten Pillen, ehe er fie schluckt, das Gold abschabt...... Wenn das Lustspiel das castigare mores ridendo (1) be= folgen will, so will es nicht die Unarten empfehlen, die es geißelt, und noch weniger die Versonen der Verachtung preis geben; Molières Geiziger, Regnards Spieler, Corneilles Lügner 2c. haben vielleicht noch wenige Geizige, Spieler und Lügner gebeffert; der Schelm schröpft, der Stolze brüstet sich, der Verliebte seufzt, Männer und Weiber erlauben sich noch immer Untreue und drechseln Hörner; so war es vor dreitausend Jahren, so ist es noch, und so wird es noch nach dreitausend Jahren sein; aber

wenn das Luftspiel auch keine zu tief in der Menschennatur gewurzelte Krankheiten heilen kann, kann es nicht Gesunde gesund erhalten? und ist es nicht gut, die KrankHeiten zu kennen und die Gebrechen derer, mit denen man einmal leben muß?

Engels Tobias Witt räth Herrn Till, um flug zu werden: "Gebe Er nur fleißig acht, Herr Till, wie es die Narren machen," und wo könnte man dies beffer lernen als vor dem Hohlspiegel der komischen Bühne ? Sie adelt das Lächerliche zur Kunst, die Narrheit zur Weisheit und verwandelt das Irrenhaus der Welt in ein ergößendes Nationaltheater, ohne welches Tausende fich hienieben langweilen würden; fte lehrt uns die Narren (1) Die Sitten durch Lachen züchtigen.

am besten kennen, mit denen man in Collifion kommen fann, ist folglich ein wahres Präservativ... Thorheiten find ansteckend, und vor solcher Ansteckung bewahren uns ohne alle Doktorsdiplome diejenigen Genies, die fte aufdecken, uns darüber lachen machen und dann am Ende ausrufen:

Quid rides?

Mutato nomine de te fabula narratur. * (1)

* Cailhava art de la comédie. Paris 1786, II. Vol. 8. Ed. 2. ist das ausführlichste Werk über das Lustspiel, aber wie viel ist noch zu wünschen übrig? Der Verfasser ist höchst oberflächlich, seine Kapitel versprechen mehr als sie halten; der ganze zweite Theil beschäftigt sich mit der undankbaren Arbeit, Molière mit denjenigen Italienern, Spaniern und Franzosen zu vergleichen, aus denen er seinen Stoff genommen hat. Weit vorzüglicher ist unseres Schlegels Werk über dramatische Kunst und Literatur. Heidelb 1809. drei Bde. 8. Chaufferons Réflexions sur la comédie larmoyante find gegen dieselbe, und unseres Gellerts Pr. de comoedia commovente dafür, was immer hätte sein mögen ohne seine eigenen weinerlichen Produkte.

(1) Wie, du lachest? nur von dir erzählt ich so eben die Fabel

Mit verändertem Namen.

XV.

Das Luftspiel der Alten.

Mimik liegt in der Menschennatur, und eines der Lieblingsspiele der Kinder ist, die Erwachsenen nachzuäffen; fte spielen Soldaten, Schulmeister, Wirthe 2c., ja Genies gehen noch weiter und predigen; Hochzeiten und Mahle find nichts Seltenes, ja wir Knaben wagten es fogar, als wir an einem kleinen Hofe unsere ersten Komödien sahen, Engels Edelknaben und den Mann nach der Uhr, solche nachzuspielen auf des Hofjägers Dachboden; Säcke waren unser Theatervorhang, und das Parterre bestand aus des Hofjägers Familie. So hatten denn auch die alten Völker Schauspiele früher, als wir Ihre Geschichte kennen, und am Verlust ihrer Schauspiele ist wohl so wenig gelegen, als an dem obengedachten von mir gefertigten Kunstwerke. Nur die Hellenen oder Griechen gingen weiter, wir verdanken ihnen alles im Gebiete des Schönen, ste rächten schon vor Troja den Raub des Schönen und haben in ihrer reichen Sprache felbft für das Sittlich gute kein anderes Wort, als ihr Wort xaλóv, schön.

Griechen waren, wie Franzosen, ewige Kinder, ewige Jünglinge, Geschöpfe eines schönen Morgens und eines Morgenlands, nur ihnen ward gegeben, den rohen begeisterten Genius der Natur, der bei den jährlichen

Demokritos. VIII.

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Bacchanalien zur Weinlese tanzend und benebelt Loblieder fang und mit einem mit Weinhefe beschmierten Geficht dramatische Poffen und Mummereien trieb, auszubilden zur Kunft. Dem Wein verdanken wir recht eigentlich das Theater, und Luft- und Trauerspiel entsprang aus begeisterten Dithyramben und obscönen, lachenden Phallicis. Der Bock frißt gern Traubenblätter, daher ward er dem Bacchus geopfert; es gab Bocksgesänge, roarediai, und man will sich wundern, wenn in Theatern noch heute so viele Böcke gemacht werden, ja so viele Böcke nirgendswo fich lieber sammeln, als vor, in und nach den Theatern?

Im Vaterlande des Sokrates verstand man einmal die Kunft zu leben, das Ziel griechischer Philosophie und Dekonomie, griechischer Volksversammlungen und Volks feste, Alles war berechnet auf Genuß. Ernst und Scherz gingen vermischt, wie überall beim Anfang der Kunst.

Susarion hielt sich an den luftigen Stoff, und so macht ihn die Sage zum Erfinder der Komödie over des grobsatirischen Voffenspiels, daher er auch damit nur auf dem Lande (wdy έv náμg) sein Glück machte; das Eintrittsgeld vertraten Feigen und Wein; Thespis, der Erfinder der Tragödie, stellte hingegen lauter Heroen vor, wofür er einen Bock (tgάyos) erhielt. Er agirte von seinem Wagen herab und kam so unseren Schauspielern gleich, die den Tempel Melpomenens und Thaliens in Scheunen aufschlagen. Im Waatdland spielte man einst in einem solchen Tempel Zaire, und bei den Worten Lufignans :

En quels lieux sommes nous ? aidez mes faibles yeux, (1) rief ein Spötter :

Seigneur, c'est le grenier du maître de ces lieux ; (2),

(1) Wo sind wir? unterstüßt der Augen schwaches Feuer!

(2) Wir sind anjeßt, o König groß, in eines Gutsherrn Scheuer.

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