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fich herzlich am Lächerlichen und geben auch ihre Portion gern hin, während in der feinern Welt lächerlich werden gefürchteter ist, als Verlust an Hab' und Gut, Ansehen, Ehre und Leben. Die feinere Welt, die weit mehr Lächerliches thut und treibt als die unfeine, bedeckt Alles mit der Grazie des Anstandes und mit dem, was Lanzmeister und Damen lehren, und das Lächerliche eines berühmten nüglichen Biedermanns überhebt sle der Laft der Achtung. Aus dieser Ursache haben meine lieben Landsleute noch so viel Lächerliches mehr als andere Völker, weil fte so treuherzig und ehrlich find, das Leben und Weben der höhern Klaffen, weit entfernt, solches im rechten Lichte zu betrachten, vielmehr zu bewundern und mit Respekt zu verehren! Der Franzose hat das längst weg, und der Britte, der, nichts anstaunend, zu Allem so gut ein Recht zu haben glaubt, wie jeder Andere, steht in seinem Gleichgewichte wie ein Mann!

Das weinerliche Luftspiel, wie es deffen Widersacher, oder das rührende, wie es deffen Liebhaber nennen, hat unter uns vielleicht so viel Glück gemacht, weil es eine Mißgeburt ist, erzeugt durch das Unver= mögen, komisch zu sein. Es liegt zwar in der Natur, von der Rührung zum Lachen und von der Freude zur Traurigkeit überzugehen, und daher irrt mich Shakspeare's Mischmasch nicht, den strenge Aesthetiker so sehr tadeln; aber da, wo man gar nicht lachen, nicht einmal lächeln kann, sondern ganz weich wird, hört das Lustspiel auf, so wie das Poffenspiel, wo man nichts als lacht, aufhört, Komödie zu sein, und sich zu derselben verhält wie Vöbel zu Gebildeten. Und dennoch ist eine Poffe oder Farce (der wir unter dem Nieder komischen ihr eigenes Kapitel widmen werden) noch erträglicher als ein Luftspiel ohne Lachstoff, gleich dem Trauerspiel, das Schrecken und Mitleiden erregen soll, aber nur, troß aller Geberden,

Verzuckungen, Brüllen und Wendungen des Tragikers Mitleiden allein einflößt; solche Stücke darf man auch immer von der Bühne ankündigen: "Zum ersten Male die Leste Vorstellung von 20.4

Lachauffée (geft. 1754) gilt für den Erfinder der wei= nerlichen Komödie mit seinem Préjugé à la mode, die man aber doch gern sah, wie seine Ecole des mères und Gouvernante. (1) Piron nannte ihn nie anders als den hochwürdigen Vater," und Voltaire sagte: Lachauffée ist einer der ersten nach denen, die Genie haben. Das Neue dieser Gattung war weiter nichts als das Verfehlte, denn schon Plautus Gefangener und Terentius Swiegermutter können für Familiengemälde gelten, erschaffen vom Unvermögen des komischen Genies, wie die Flut der Familiengemälde neuerer Zeiten, wo bei den Franzosen Graffigny und Diderot mit seinem Père de famille und Fils naturel; (2) die viel Gutes haben, obenan stehen, und nun erst die Familiengemälde eines Gellert und selbst mehre von Iffland, die oft eben so sehr langweilen, als die eigene werthe Familie.

Unser stets ehrwürdig bleibender Gellert, einft Liebling der Nation, ist unser Pater Lachauffée und hätte fich bloß auf Fabel und Moral beschränken sollen. Seine Werke unterrichteten, vergnügten und trösteten viele Tausende; selbst Gelehrte, für die er eigentlich nicht ist, so wenig als fürs Theater (der kränkliche Mann ohne alle Welt), müssen seinen Charakter ehren, so lange fle Tugend und Gemeinnügigkeit ehren werden. Gellert war nichts weniger als Genie, aber der gemeinnüßlichste Schriftfteller vielleicht, den man in meiner Jugend fast auswendig wußte, wie die Bibel, was dem deutschen Charakter gewiß keine Schande macht; daher war auch mein erster

(1) Vorurtheil nach der Mode (2) Familienvater, Natürlicher Sohn.

Schule der Mütter, Gouvernante.

Gang zu Leipzig nach dem Johanniskirchhofe. Wird die Nachwelt glauben, daß dieser religiöse Schriftsteller bei den Katholiken unter die streng verbotenen Bücher gehörte, während man jest lächelt, wenn der gute Mann fagte: "Sollten Einige an den Luftspielen: Die Betschwester, das Loos, die kranke Frau und die zärtlichen Schwestern tadeln, daß fle eher mitleidige Thränen als frohes Gelächter erregen, so danke ich ihnen im Voraus für diesen so schönen Vorwurf;" der gute Mann zog wirklich Andere zu Rathe, mißtrauisch gegen eigenen Ge= wissensausspruch, ob er sich Vorwürfe zu machen habe, und wünschte wenigstens die Betschwester nicht geschrie= ben zu haben. Betschwestern, die allenfalls darüber hätten zürnen mögen (und das müßten schon arge Beschwestern gewesen sein), lasen wohl keine Komödien, die feine vollständige Andachts- und Erbauungsbücher waren, hatten auch wohl noch ganz andere Stunden der Andacht, und Gellerts übriger spaßhafter Weiberhaß und seine ganz komische Scheu vor der Ehe ist so gutmüthig und zierlich, daß wohl nie eine Frau darüber im Ernste bös geworden sein mag. Gellerts komischer Wit ist so harmlos wie er und so zahm wie sein alter Schimmel, den ihm Laudon schenkte, und der den Hypochonder schrittweise um Leipzig zu tragen pflegte, wie früher Laudon im Galopp.

Bei solchen Luftspielen und Familiengemälden ist an kein Lachen, noch weniger an Auslachen zu denken, man Fönnte nicht einmal auspfeifen vor lauter Gähnen. Wenn indessen wahr ist, was Haller behauptet, daß man so lange taub ist, als man gähnt, so hätte uns ja die Natur das einfachste Schußmittel gegen die Langweile solcher Stücke angewiesen. Sehr verschieden von diesen weinerlichen Luftspielen find die Tragikomödien, Parodie oder Perftflage des Tragischen, und das Tragische, in bas Komische eingemischt, bringt durch Contrast allerdings

eine Wirkung hervor, von der jene Zwittergeburten nichts wissen. Die Alten theilten ihre Komödien in motoriae, die Leidenschaften erregen, in statariae, die ruhiger lassen, und in mistae (gemischte); unsere Luftspiele find meist statariae, und gar viele Familiengemälde nicht einmal mistae, sondern gar nichts.

Die weinerlichen Dichter find in der Regel, wie die schlechten, desto gewissenhafter, die drei berühmten EinHeiten und die fünf Aufzüge, die wohl daher rühren, daß jede Handlung fünf Epochen hat: Anfang, Fortgang, Stand, Abnahme und Ende, aufs Strengste zu beobachten, und schon Plinius sagt von diesen regelmäßigen Autoren: Peccant quia nil peccant. (') Die drei Einheiten der Zeit, des Orts und der Handlung beobachten fte, aber die vierte und Haupteinheit vergessen fle, wie die ältern Kunstrichter auch, die Einheit des Interesse oder der Wirkung. Wir können von manchem berühmten Drama sagen, was Rivarol von Mercier sagte: Ma vie est un drame si ennuyeux, que je soutiens, que c'est Mercier qui l'a fait. (2) Man kann diesen Dramatisten, wenn ihnen ihre Handschrift aus der Tasche hängt, in Gefahr verloren zu gehen, sagen, was dieser Rivarol Herrn Florian sagte: "Geben Sie Acht! wie leicht möchte Jemand, der Sie nicht zu kennen die Ehre hat, die Handschrift entwenden." Alle diese weinerlichen Dichter erhalten schwerlich die Grabschrift, die ein Franzose unserm Fleck seßte, als er wieder nach Berlin zurückkam; seine erste Frage war: „Was mak fik die Monfleur Fleck?"—"Ach, er ist gestorben ;" "O, das is ewik schad! der luftik Mann todt? unser lieber Errgott wird fik sein tausend Spaß mit ihm habe."

(1) Sie fündigen, weil sie gar nicht fündigen. (2) Mein Leben ist ein fo langweiliges Drama, daß ich glaube, Mercier hat es gemacht.

XIV.

Fortsetzung und Schluß.

Diderot nahm höchstens ein Dußend Charaktere an, die großer komischer Züge fähig waren, indem bloße Schattirungen weniger glücklich bearbeitet werden könnten, und schlägt daher vor, Atatt Charaktere die verschiedenen Stände, deren Pflichten und Vortheile, Unbequemlich= keiten, Vorurtheile und Fehler, Sprache, Manieren, Kostüme c zur Grundlage zu wählen, den Charakteren aber bloß das Zufällige zu lassen. Mir schien so viel Wahres darin zu liegen, daß ich selbst Versuche machte, die weiter unten der Beurtheilung der Lesewelt vorgelegt werden sollen, und die auf dem Theater natürlich noch ungleich größere Wirkung läßt sich beurtheilen, wenn wir an die Wirkung denken, welche Racine's Plaideurs, Gay's Beggar's Opera, (') Schikaneders Fiafer zu Wien und Jakobs Hochzeit und Verkehr zu Berlin hervorbrachten. Schade nur, daß oft die größten Feinheiten für diejenigen verloren gehen, welche diese Menschentlassen weniger genau kennen, was aber selbst der Fall mit Nationalcharakteren sein würde, und noch weit mehr schade, daß mehre Stände gar nicht aufs Theater gebracht werden dürfen, die das meiste Lächerliche haben, ohne zu ahnen, daß im Grunde ihre Zeit vorüber set, und man sich doch in die Zeit schicken Bettler-Oper.

(1) Plädirende Advokaten.

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