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mephitischer Gestank verfolgt da selbst in die Paläste der Großen und dringt sogar in das - Allerheiligste !

Nach den altdeutschen Gesezen ist die Nase taxirt, eine Nase reinweg zu 45 Solidi, konnte sich aber der Mann noch mit den Reliquien behelfen, 12 Solidi. Solche Zeis ten waren schlimm für Nasen; wer eine handvoll Solidi wegzuwerfen hatte, war Herr aller Nasen seines Gaues,. man wußte nicht anders, als daß dem Feinde Nasen und Ohren abgeschnitten werden müßten, die man an die Obern oder nach Hof sandte, wie im Orient, und selbst bei der Kriminaljuftiz gab es genug abgeschnittene Ohren und Nasen, während es in Rußland kaum noch aufgeschligte geben wird, und unsere mildere Zeit fich damit begnügt, bloß den steinernen und hölzernen Bildern die Nasen zu verstümmeln. Gar viele Heilige haben diese einzige Aehnlichkeit mit den Antiken daß sie ohne Nasen und Köpfe find, und legtere hatten sie ja schon im Leben nicht. Mir ist jedoch kein Despote bekannt, der die Nasenringe der Büffel unter seinen treugehorsamsten Unterthanen eingeführt hätte, denen sich jedoch die Maulkörbe des Rheinbundes näherten, und die Nasendrücker int Sarge galten nur insolvent verblichenen Nürnbergern. Wenn die Nase alt wird, muß-fle fich Vieles gefallen laffen, so viel als andere Glieder: fle tropft oft zur Unzeit, die Brille ist noch die leichteste Last, und im Sterben spigt sich die dümmste Nase; daher lachende Erben nur nach der Nase sehen dürfen, um den Sarg zu bestellen und im Zimmer sich nach noch wichtigern Dingen umzusehen.

Die Nase ist der hervorragendfte Theil am Menschen, caeteris paribus, und daher hat sich auch die Kunstsprache ihrer bemächtigt, wenn von hervorragenden Theilen die Rede ist, wie wir oben sahen; in den nordischen Sprachen heißen selbst die Vorgebirge Nasen. Unter allen deutschen

Nasen verdient noch die Nase Luthers Erwähnung, die ganz den altdeutschen Stempel trägt: fle dringt nicht scharf und spizig hinaus in die Welt, wie südliche Nasen, fle hat weder die griechische Anschauung, noch die mor= genländische Beschauung, nicht die kecke, leichtsinnige, in alle Winkel riechende Suffisance des Franzosen, nicht die Neutralität und Verachtung des Britten, noch die thierische Stumpfheit des Nordens, sondern fle ist ganz deutsch eine in sich selbst vollendete eigenthümliche Nase. Tiefe, Breite, Geradheit, Schroffheit, Geist und Muth: "Hier stehe ich, ich kann nicht anders, Gott helfe mir!" Nur Derbheit und Grobheit hat sie ein bischen zuviel aufgeladen, vielleicht wären wir aber Alle ohne diese grobe deutsche Nase noch lange nicht so weit, und römische Feinnasen ritten noch heute auf deutschen Nasen-perrumpendum!!

Auffallend hat sich in unserer Zeit das alte Sprüche wort an Napoleon bewahrheitet :

Spit Näs un spiß Kinn,

Da sit de Düvel drin!

wer sich aber in unsern alten Erbauungsbüchern oder Bibeln umsehen will, die selten ohne Holzschnitte øder Kupfer erschienen, wie jezt die Almanache, Gedichte und Romane, wird finden, daß doch die abscheulichste Nase die des Teufels ist.

Danke du, Riecher, dem Schöpfer der Nasen,
Daß dich so manches bei Rauchwerk ergößt,
Daß er den Lebensgeist in dich geblasen,
Daß er dir Chrifti Fußstapfen vorseßt,
Fleißig zu spüren,

Wie fie dich führen,

Alles zu meiden, was ewig verleßt.

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XIII.

Das Luftspiel.

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Luftspiel oder Komödie ist, wenn wir alles umfaffen wollen, was man so benannt hat, vom ehrbar bescheidenen Familiengemälde oder historisch-rührenden Schauspiel an bis herab zu dem niedrigsten Poffenspiel, ein Drama, das rein angenehme oder sanfte Empfindungen durch treue Sitten und Charaktergemälde erregen soll, während deffen Gegenstück, das Trauerspiel, lediglich auf Leidenschaften, Furcht, Mitleiden und Rührung hinarbeitet. In diesem Sinne ist alles Lustspiel, was nicht Trauerspiel ist; beide verhalten sich wie Scherz und Ernst, beide find Natur, aber jener gehört mehr der finnlichen, dieser der fittlichen Natur an. In luftiger Stimmung durch ein gutes Luftspiel vergessen wir alle trübe Betrach= tungen der Vergangenheit und Zukunft, nnd die Unvoll= kommenheiten unseres Geschlechts gleiten spielend über die Seele und berühren bloß die Phantafle, höchstens den Verstand, aber nicht das Herz. Aus der spottenden Be= trachtungsart der Menschlichkeiten steigt ein gewiffer fröhlicher Muthwillen empor, der an Zufriedenheit grenzt, und die unbezwingliche Sinnlichkeit, im Widerspruche mit (1) Durch Lachen die Sitten bessern.

den höhern Forderungen der Vernunft und Wahrheit, muß stets komische Wirkungen hervorbringen.

Ariftoteles Begriff vom Luftspiel ist bloß von dem Luftspiel seiner Zeit abgezogen, wenn er will, daß ein Trauerspiel die Personen beffer, ein Luftspiel aber schlechter als in der Wirklichkeit darstellen soll, und nicht viel beffer als der jenes Juden: „Kriegt der Kerl das Mensch, so ist's Luftspiel, wo nicht, Trauerspiel;" er nahm das Luftspiel in der engern Bedeutung, daß deffen Zweck set, durch wißige Erfindung und Ausführung das Leben von seiner komischen Seite darzustellen, um Lachen zu erregen, was im Grunde auch allein den Namen Luftspiel, von Luftigkeit hergenommen, verdient. Bis auf Shakspeare ging das Drama in den Feffeln des Ariftoteles, und noch weit länger waren die drei Einheiten gewahrt, Ort, Zeit und Handlung; so war alles in der Regel und treff= lich; aber Regeln sind nur Krücken für die Krüppel, der Gesunde wirft sie hinweg, und das Genie gibt sich felbft Regeln. "Meine Stücke gefallen," sagte Molière den Tadlern, und Kozebue erwidert: "Folglich sind sie gut."

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Die Zahl der Luftspiele ist wie des Meeres Sand; Thalia bat Viele berufen, aber leider nur Wenige auserwählt, und es ist auch leichter, einen verständigen Mann zu rühren, als zum Lachen zu bringen, res severa verum gaudium; (1) das nämliche Gefühl, die nämliche Phantaste, dieselbe Kenntniß der Leidenschaften, die der Tragiker nöthig hat, braucht auch der Komiker; aber wenn jener in sein stilles Zimmerchen verschloffen das Heilige Feuer des Genies in einen Brennpunkt sammelt, wie die meisten Tragiker auch Einsame waren, so muß der echte Komiker hinaus in die Welt, um Sitten und Charaktere, wie sie sind, zu studiren, die Narrenwelt aus dem Leben aufgreifen, mit Wig und Laune, mit Verstand (1) Eine ernste Sache gewährt wahre Freude.

und Wahrheit die aufgefaßten Züge in ein Ganzes vereinen, hohe Phrasen und Reime genügen nicht. Das Trauerspiel hat Individuen, sein Held ist ein einziger ; das Luftspiel hat Arten, d. h. die Personen deffelben faffen eine große Zahl Menschen in einen; das Trauerspiel hat den Naturmenschen (gar oft Uebernaturmen= schen) zum Gegenstand, das Luftspiel den Gesellschaftsmenschen; bei jenem muß sich alles der eingebildeten höhern Würde des heroischen Scepters fügen, Lustspiel aber ist demokratische Poeste und schon Horaz hat bemerkt:

Creditur, ex medio quia res arcessit, habere
Sudoris minimum sed habet comoedia tanto
Plus oneris, quanto veniae minus

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Den Tragiker unterstüßen die Menschen, die erhaben And über die gewöhnlichen, der höhere Stoff und Pomp welch' ein Stoff liegt für einen fünftigen Shakspeare im bloßen Wort Napoleon schon ohne allen poetischen Zusag? Nicht so der Komiker, der selbst seinen Stoff Heben und alles als gewöhnliche Natur erscheinen lassen muß, wozu alle den Maaßstab haben. Es gibt mehr komische Dinge als tragische; das Komische selbst scheint weniger delikat als das Tragische; daher der Komiker mehr Nachsicht zu verdienen scheint; auf einer andern Seite aber ist wieder der Schauplag des Tragikers größer, ihm steht die ganze Geschichte zu Gebote. Wir weinen noch heute über Griechenlands und Roms Helden, können aber nur über das herzlich lachen, was unseren Zeiten und Sitten gemäß oder entgegen ist. Der Tragiker hält sich an, Ideale und liefert allenfalls historische

(1) Man pflegt sich einzubilden, weil das Lustspiel

Aus dem gemeinen Leben sich mit Stoff versieht,
So fei nichts leichter. Aber eben darum
Weil's desto minder Nachsicht fordern kann,
It's eben schwerer.

(Wielands Uebers.)

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