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XII.

Ueber Nasen.

Und Gott der Herr machte den Menschen aus einem Erdenkloß, und blies ihm den lebendigen Odem in seine Nase, und so ward der Mensch eine lebendige Seele.

Achtung vor Nasen! Die Nase charakteristrt einen Menschen fast noch mehr als Aug' und Mund, wie das Nasenhorn das Nashorn, und die Physiognomisten haben mit Recht dem Spott die Nase zum Thron angewiesen. Jener alte Fabler gibt dem Spötter zwei Ranzen : der eine, voll eigner Fehler, hängt unsichtbar auf dem Rücken, der andere mit den Schwächen des lieben Nächsten aber auf der Brust und stets vor Augen; diese Ranzen find unsichtbar, die Nasen aber sichtbar, und der Nasenflügelaufzteher ist der schlimmste Verräther; einem vernünftigen Mann fällt schweigen um so weniger schwer, je dummer es zugeht aber dieser verdammte Knor= peltelegraph! die Mode sezt noch Brillen von Glas, Metall und Horn auf die Nase, und doch seßte uns die Natur die Nase auf, bloß damit sie denke und urtheile, was wohlriecht oder stinkt. Dieses Menschenhorn ist gefährlicher noch, als das Horn des Thieres oder die Nashornnase, mit dem es einen Stier in die Höhe wirft wie ein Fangball, was mehr als Nasenstüber sagen will

und selbst den Tiger schreckt; die größte, feinfte und klügste Nase aber bleibt die des Elephanten.

Ein neuerer Schriftsteller läßt den Spott rittlings in den Vorzimmern der Großen auf den Nasen der Höflinge fizen und nicht eher flüchten, als bis der Fürst erscheint, und eine recht ausgearbeitete vornehme Nase hält er für das impertinentefte Ding, das einer schlichten ehrlichen Haut aufstoßen könne in der ganzen weiten Natur, und für komischer, als die ungeheure Nase (Schnabel) des Toucan, den er sich nicht selbst gegeben hat; diese vornehme Nase, sagt er, enthalte das ganze Privilegium, und das Ekelhaftefte sei, daß ste häufig auf recht eigent= lichen Pöbelgesichtern stehe, wie auf einem alten Hause ein verpuster Erker. Aeneas würde, wie bei Blumauer, rufen:

Sieh'! fieh' nur die mächtige

Gebog'ne Nas' und drauf die Ple-
nitudo potestatis !

Man kennt die ungeheure Nase des Reisenden aus Tristram Shandy, und welchen ungeheuren Lärm solche zu Straßburg machte unterm Volk wie unter den Gelehrten. Lavater fand in den Nasen unserer Schriftsteller weit mehr, als Andere kaum in deren Schriften finden; Annibale Caro und Marino beschäftigten fich mit Nasen, wie Haug mit der Nase seines Freundes Wahl; am kaltblütigften aber ging Seume zu Werke. Er nahm zu der festen Naseneminenz auch noch Augenwinkel, Mundwinkel, Nasenwinkel und alle angrenzenden Muskelpartien, und so konnte er freilich Vieles daraus lesen. Er war der Meinung, daß, den Familienstoff abge= rechnet, jeder Mensch sich so ziemlich seine Nase selbst mache, daher die Kinder fast durchaus noch unbestimmte Nasen hätten; aber es gibt Familiennasen so gut als National

nasen, die Eltern, Fraubaasen, Hebammen 2c. sehen nach der Nase, ob fte vom Vater oder der Mutter sei; und die Hebammen verbessern nur zu gern oft heimlich die Nase, wenn sie ihnen zu kurz scheint, ziehen ste und richten, so oft als die Wilden. Vorzüglich fleht man gern die Nase des Vaters, und wenn der Vater den Kopf dazu schüttelt, so rufen Mutter, Hebamme und Magd dem Kleinen zu :

Nicht so? wenns nicht des Vaters Nase wär,
Wo hätt'st denn du die schöne Nase her?

Im Ganzen aber scheint mir Seume recht zu haben, daß Jeder seine eigene Nase habe, und den Nasen geht es wie manchem wackern Mann in der Welt, man macht wenig aus ihm. Die meisten Nasen stehen etwas schief, wie der Thurm zu Pisa; wenn ihre Bestßer also der Nase nach gehen, so müssen sle nothwendig den rechten Weg verfehlen, folglich ist das Sprüchwort: „Nur der Nase nach," nicht ganz richtig, aber defto richtiger: "Man fleht's nicht Allen an der Nase an," und: "Man muß den Leuten nicht Alles auf die Nase binden." Unsere vielen Redensarten von dem Werkzeuge des Geruchs beweisen dessen Wichtigkeit: Man dreht eine Nase, oder führt Jemand bei der Nase herum; man erhält zur angebornen Nase noch eine Menge Nasen von Andern oder von Obern. Das Nosce te ipsum lautet recht altdeutsch grob: "Zupfe dich bei der Nase," so grob, als einem die Thüre vor dei Nase zumachen oder etwas vor der Nase wegnehmen; es muß in die Nase stechen; aber als wohlmeinende Warnung mag man immer hinnehmen: Stecke nicht in Alles die Nase, laß die Nase davon, der Hohn rümpft die Nase, der Hochmuth wirft die Nase auf, Kleinmuth und Scham läßt die Nase hängen oder

zieht ab mit einer langen Nase, und Unklugheit und Vorwiz hat gar die Nase weiß!

Die Nase war Seume das „Aushängschild des Charakters," das Hautrelief, aus dem man die Gedanken des großen Bildners herauslese, und so klaffifizirte er die ärgerlichen, impertinenten, eingebildeten, vornehmen und tyrannischen Nasen; die liftigen, Spür-, Fiskal-, Polizei-, Accise-, diplomatischen Nasen; die sklavischen, dummen, bigotten, frömmelnden Nasen; die Magiftersund Profeffors-, keine aber war ihm widriger als die adelige Nase. Aber gleicht nicht die höchfte, vornehmste, größte Adlersnase dem Chimboraffo, der die Kugelgestalt unserer Welt in nichts ändert, und flgt die Großnase nicht auf einem Erdenwurm? Die schwersten Vierfüßler schwimmen ohne Mühe, ihre Nase bleibt außer dem Wasser, und muß die größte Großnase unter den Menschen solches nicht bleiben laffen? Seume fand, daß vorwißige und getle Nasen sich vor andern auszeichnen, fand jedoch auch viele unschuldige Nasen (eigentlich Näschen); er meinte, daß man der geizigen Nase zu viel Ehre erzeige, wenn man sie Nase nenne, weil sie sich mehr dem Rüssel nähere, und daß es bei Vielen intereffant set, zu untersuchen, wie der zu dieser Nase gekommen sei? Nach ihm haben die Lazzaroni die vernünftigsten, die Weiber aber im Ganzen die besten Nasen, die vielen spöttischen und launischen abgerechnet. Vielleicht rührt es daher, daß man Augen, Haare, Mund, Arme und Füße, Alles an der Geliebten lobt, selten aber von ihrer Nase spricht; selbst der Schwärmer Petrarca gedenkt nie der Nase seiner Laura, und so auch andere Sänger der Liebe, und doch gibt es so große weibliche Nasen, die den Kuß erschwe ren, und find gar beide Theile großnafig, so hält er so schwer, als der Zug eines Champagners aus dem engen Champagnerglas. Vielleicht läßt man sich von der spigen

Antwort jener Dame zurückschrecken: „Nun, so küssen Sie mich, wo ich keine Nase habe!"

Ich habe so große Aufmerksamkeit als mein lieber Seume für das Geruchsorgan, da noch kein Linné die Nasenwelt geordnet hat, und Lavater todt ist, der mit verbundenen Augen durch einen Griff an die Nase aus zehntausend Menschennasen den großen Friedrich fich herauszufinden getraute! Das Haus Braunschweig hält es mit den großen Nasen, wie die Alten, Adlersnasen, wie fte Cyrus, Achilleus und Andere hatten, Plato nannte fle Königsnasen, die Römer aber Nasones, daher auch Ovidius den Beinamen Naso führte und wußte, was er von Großnasen behauptete, die eine wahre Zierde auch find, wenn sie nicht im Mißverhältniß mit dem Anhängsel stehen, wie beim Pfeffervogel, deffen Nase oder Schnabel größer ist, als er selbst. Groß- oder Adlersnasen zieren vorzüglich die Söhne des Mars, die aber den Ehemännern nicht immer angenehm zu sein pflegen; fte empfehlen sich beim Geschlecht, find die besten Regentücher, daß es nicht in Mund regnet, und die vollkommensten Sättel, die eine Brille reiten kann.

Quel bonheur de naître avec un pied de nez! (1)

Cicero macht die Nase zur Vormauer der Augen," Horazen ist fte so viel als „Verstand," und Seneca eine athenische Nase so viel als Wiz, so wie wir etwa sagen : „Er "Er hat eine dünne, feine Naseer riecht den Braten," und noch besser naseweiser Jugend zurufen: "Erft Nase, dann Brille!" Die Alten sezten selbst die Weisheit in oder auf die Nase, und Jeder weiß aus Horaz, daß ein homo emunctae naris so viel als offener Kopf oder Genie bedeute. Die Männer haben Haare am Bart, die Weiber nicht, beide aber Haare inwendig in der Nase,

(1) Welch Glück mit einer Nase von einem Fuß Länge geboren zu sein.

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