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Schäfchen des Armen schlachtete, und so auch Jotham die schöne Fabel von den Bäumen. Menenius Agrippa besänftigte den gegen die Patricier aufgebrachten Pöbel, der aus und nach dem heiligen Berge zog, wie Studenten, durch seine Fabel von Empörung der Glieder des Körpers gegen den Magen, und St. Athanastus, der seinen Nebenbuhler lieber im Kloster fah, als auf dem mit Alexandrien rivalisirenden Patriarchenstuhl zu Conftantinopel, erzählt dem Kaiser Valens: Ein Färber hatte eine weiße Kaze, die, in seinen Farbenkeffel ge= fallen, ganz schwarz herauskam; die Mäuse glaubten, file sei ein frommer Mönch geworden, der allem Fleisch entsagt habe, wagten sich wieder aus ihren Löchern, fanden aber nur zu bald, daß sie weit wilder geworden sei, als vor Anlegung des heiligen Schwarzrockes. Die Moral thut noch heute recht wohl, wenn fle fich_ver= goldeter Pillen bedient, oder den Kindern die Arznei in irgend einem angenehmen Säftchen beibringt.

Le monde est vieux, dit-on, je le sais, cependant Il le faut amuser encore comme un enfant. (1)

Unter Cäsar und August durften die Römer noch scherzen, aber schon unter Tiberius konnte es den Kopf gelten. Auguft hatte Rom Legate vermacht, die Tiberius auszuzahlen vergaß; ein Bürger raunte einer Leiche etwas ins Ohr und auf Befragen sagte er: „Ich bat den Todten, Kaiser August zu melden, daß wir von seinem Vermächtniß noch keinen Heller gesehen hätten." Liberius befahl augenblicklich ihn zu tödten, damit er selbst mit August sprechen könne, zahlte aber die Legate. Höchft merkwürdig bleibt es indessen, daß die Welt der Alten und so auch unserer Deutschen gegen die Sarkasmen weniger empfindlich

(1) Die Welt ist alt, fo fagt man zwar, ich weiß es wohl, jedoch Man muß sie wie ein kleines Kind ja amüsiren noch.

war. Warum? fle war nicht so kleinlich! Der Mann, der fich fühlt, geht leicht über Kleinigkeiten hinweg, der Krähwinkler tøbt darüber; daher die spinnenartigen Feindschaften an kleinen Orten; fle find ja selbft Kleinigkeiten, woher große Ideen? daher in unfrer alten Vielstaaterei der elende Provinzialismus; woher sollen wir ausgezeichnete Satiriker nehmen? Rabener lächelte höchft beschränkt höchstens über kleine Thorheiten der Kleinen, aber Thorheiten ins Große und Thorheiten der Großen manus de tabula ! (1)

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Nur in freien Verfaffungen darf ein Swift den Vorschlag wagen Irland blühend zu machen, daß man die Kinder auf dem Blumenkohl speise, und nur in freien Verfassungen kann wieder eine so niedrige Poffe so viel Eindruck auf die Regierung machen, daß sie die Handelsbeschränkungen Irlands wirklich aufhebt. Nur in England darf ein Deputirter wagen, einem Höfling König Carls II., der bei Geldverweigerungen die Residenz von London nach Orford zu verlegen droht, zu sagen: der König scheint sehr aufgebracht; er wird uns doch wenigstens die Themse laffen? Nur in England wird ein Franklin dem Minister Walpole, der die Verbrecher nach den amerikanischen Kolonien zu schicken ansing, schreiben: "Wir wollen. Ihnen zum Dank eben so viele Klapperschlangen für die königlichen Gärten senden;" und nur in England darf man es wagen, bei Pitts Haarpudertare mit sechs Rappen in Hydepark herumzufahren mit reichlich eingepuderten Mähnen und Schweif, oder bei der Fenstertare öffentlich zu bedauern, daß Momus Wunsch, das Herz jedes Menschen möchte ein Fensterchen haben, nicht erfüllt worden sei, oder auf ein zugemauertes Fenster im Erdgeschoß zu schreiben: Pitt's Works Vol. I. II. III. IV.

Je unpoetischer eine Nation oder Zeit ist, desto leichter (1) Man berühre sie nicht.

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nimmt fle Scherz für Satire, und je ungefttteter sie wird, defto leichter Satire für Scherz. Die Narren- und Eselsfeste, die Mysterien- und Ofterspäße auf der Kanzel fallen in die andächtigften Zeiten; aber das Ehrwürdige be= hauptete sich dennoch, und erst später wurden sie zweideutiger Art. Unter dem Prinz - Regent, dem nie wohler war, als unter seinen Roués, und, der die erste Rolle dabei spielte, lachte man nur, als ein Polizeicommissär auf die Frage: wie viel Hurenhäuser sind in eurem Quartiere? erwiderte: das Quartier ist groß, den königlichen Palast nur für eins gerechnet, wenigftens dreißig. An Louis XV. Bildsäule las man: Statua Statuae; nach Louis XVI. Flucht hing am Eingang der Tuilerien ein Zettel: Maison à louer, und zur Zeit des Directoire verkaufte man Fächer, worauf fünf Fackeln mit der Umschrift ftanden: l'Economie exige, qu'on en éteigne quatre! (') Napoleon darf wohl im Punkt der Satire mit Tiberius verglichen werden; daher schwieg fle auch, so viel Stoff der große Corse darbot; aber nach seinem Sturze brach fle defto mächtiger los.

Sonderbar ist es doch, daß die ernste Geistlichkeit die größten Satiriker geliefert hat; Rabelais und Beroald, Swift und Sterne waren Geistliche; in Italien waren die feinsten Wigköpfe ohnehin Geiftliche, und wir Deutsche könnten diesen nicht minder zwei komische Genies ent= gegenstellen, die ihnen vielleicht gleich ständen, hätten fle nicht in der Kutte gelebt, den Pfaffen von Kalenberg und Pater Abraham a Sta. Clara, woher vielleicht das unartige Sprüchwort rührt: Je größer Narr, je beffer Pfarr." Satire bleibt eine gefährliche Geistesgabe; eist hat man seine Noth mit Leutchen, die fich getroffen fühlen, wenn man auch nicht einmal an sie gedacht hat; dann

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(1) Haus zu vermiethen Die Sparsamkeit verlangt, daß man vier auslösche (die Zahl der Direktoren war fünf).

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kommt das liebe Publikum und Recensenten, und zulet gar noch die Regierung. Aber ich halte es mit Rivarol: l'esprit méchant et le coeur bon, voilà la meilleur espèce d'hommes, faisant un epigramme contre un sot et donnant un écu à un pauvre ! (')

(1) Die beste Art der Menschen ist diejenige, welche einen boshaften Geist und ein gutes Herz besißen, welche ein Epigramm gegen einen Thoren machen, und einem Armen einen Thaler geben.

II.

Die Sittlichkeit der Satire.

La satire, dit-on, est un métier funeste,

Qui plait à quelques gens et choque tout le reste. (1)

Dieser Sag möchte wohl nicht so allgemein zu nehmen sein, so oft auch die Sittlichkeit der Satire, namentlich von dem finstern Jean Jacques beftritten worden ist; Satire ist so alt, daß fie in unserer Natur begründet scheint. David und Salomo schon satiristren nicht wenig; das Triumphlied, das Deborah und Barak fingen, macht die Mutter des Siffera offenbar lächerlich, Elias und Jesaias die Baalspfaffen, und Jesus selbst die Pharisäer und Schriftgelehrten, so gut als Molière die Harpare und Tartuffe. Die Satire muß bleiben; denn wo es Menschen gibt, wird es stets Thorheiten geben, und Furcht vor dem Zuchtmeister Wig vorsichtiger machen da, wo Ehrgefühl ist. Wir bedürfen Alle mehr oder weniger der Seife, und gerade diejenigen Stände am meisten, die den Satyr in Ketten und Banden legen möchten als Freiheits- und Gleichheitsmann; fte scheuen die Wahrheit und haben sie auch am meisten zu scheuen. Nicht

(1) Satiren sind ein schlecht Geschäft, so sagt man stets; ergözt
Es ein'ge Leut' auch wohl, so sind die andern all verlegt.

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