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X.

Fortsehung und Schluß.

Alles, was schön ist, gehört zum Gebiete des schönen Geschlechts, folglich auch die Gabe des Stachelwiges und die Gabe, die Gesellschaft aufzuheitern; daher Damen sehr gerne da figen, wo die Spötter flzen; ein Einfall ist ihnen baare Münze, mit deren Werth es nicht so genau genommen wird; fle lieben alle Esprit Esprit aller Art. Niemand scheint mir spottsüchtiger als Damen d'un certain âge; (1) fle waren einft galant, daher wissen ste Bescheid; fle möchten es noch gerne sein, daher Spott il faut bien se consoler. (2) Aber woher es komme, daß in Unschönen, Gebrechlichen und von der Natur Verzeich= neten und alten Jungfern, welche die wahre virginitas penetrativa oder virtus infrigidationis, (3) die von Mönchen ihren Heiligen beigelegt wurde, ohne alle Wunder befigen, der unreine Spottgeist so gerne Wohnung mache? Es gibt Ausnahmen; aber meine Erfahrungen stoßen die Regel nicht um: "Hüte dich vor dem, den Gott gezeichnet hat," weniger wenigstens als die Gefahr vor rothen Haaren, die Falschheit bezeichnen sollen, daher die Maler dem Judas auch stets einen rothen Bart malen. Und ist nicht auch Büffeln und Calcutten die rothe Farbe verdächtig?

(1) Von einem gewissen Alter. (2) Man muß sich wohl trösten. (3) Durchdringende Jungferschaft. — Tugend der Kaltmachung.

Häßlichkeit als Zeichen moralischer Häßlichkeit ist im Allgemeinen so unrichtig, als daß Schönheit des Körpers Schönheit der Seele bezeichne, aber als Ursache verdient fte unsere Aufmerksamkeit; Häßliche suchen sich an der Natur zu rächen durch größere Bosheit, aber viele auch durch größere Tugend, obgleich Aesop, Sokrates, Ageft= laus 2c. immer mehr Ausnahmen bleiben werden. So lehrt die Erfahrung, daß gute Köpfe im Mißgeschick gerne noch satirischer werden, aber der Sag leidet auch viele Ausnahmen; niedergedrückt, vergeht das Lachen und der Spott, ja, Unglück macht beffer. Zur Entwicklung höherer Geisteskraft bedarf der finnliche Mensch eines Stachels, und fehlerhafter Körperbau, womit meist auch Kränklichkeit verbunden ist, ist ein solcher Stachel, der den Ge= brechlichen von finnlichen Vergnügungen und ewigen Zerftreuungen abführt und zum geistigen Menschen macht. "In den kleinen Büchschen sind die besten Salben," sagt sogar das Sprüchwort, und offenbar scheint mir Mittelgröße dem Genie günstiger als Flügelmänner, die beffer ins erfte Glied paffen, beffere Handlanger und Magazinsköpfe find in der gelehrten Welt; selbst als Krieger und Ehemänner ist Mittelschlag besser; kleine Flöhe stechen empfindlicher als große, und Kleine, die in der Regel auch lebHafter find als die Großen, haben die Gabe der wißigsten Antworten, weil kleine Töpfe leicht überlaufen.

Die Gebrechlichen, von denen ich die Kleinen zu unterscheiden bitte, da ich selbst nicht unter die Großen gehöre, ftets begleitet vom Gefühl ihrer Unvollkommenheit, sind desto aufmerksamer auf die Unvollkommenheiten Anderer, worin fte eine Art Troftes finden, und bösartig werden. fle erst, wenn unvernünftige Eltern oder Erzieher file hintansezen, oder gar ihrer spotten. Mein lieber Weikardt, der ohne Höcker Mönch und ohne Kleinheit Soldat geworden wäre, schob alle seine Mißlaunen, Kränklichkeit,

Fehden und Mißgeschick auf seinen Unglücksbuckel; ob wohl Minos das Ding auch so genommen hat? Mich soll es freuen, denn er war ein herzensguter, wißiger, denkender Mann, der viel durchmachen mußte. O, es gibt noch weit schlimmere Auswüchse, als jener von Fleisch ist, und einer meiner Freunde, der dies weiß, hat schon oft, wenn sein edles, reiches, gutes Weibchen am Clavier fingt, hinter ihrem Stuhle Thränen der Freude herabfallen laffen auf ihren Buckel, der so gut als nicht da ift.

Ein deutscher Anthropolog und großer Freund des Nervensaftes schreibt Bucklichten mehr Genie zu, weil das kleine Rückengebirge den Lebensgeistern den Weg versperre, nicht so geschwind fich hinauszumachen, und dieselben daher defto luftiger im Kopfe rumorten und über den eigenen Buckel nur lachten. Willkommen, Herr Kamerad, im vollsten Sinne des Wortes!" sagte ein solcher Gebrechlicher zu einem ihm ganz ähnlichen Buckel, der darüber böse wurde. "Nun! ich sehe wohl, Sie verdienen den Ehrentitel nicht, denn alle Bucklichte haben Verstand." Jener Einäugige, der in der Frühe einem solchen Höcker begegnete, der für Viele ein kleiner Atlas ist oder ihnen wenigstens mehr zu schnaufen macht, scherzte: "Wie? so früh haben Sie schon aufgeladen ?" und erhielt die Antwort: "Sie glauben nur, es sei so früh, da Ihnen der Tag nur zu einem Fenster hereingucken kann.“

Es lebe Freund Aesop! sprach einft beim Zechen
Zu einem Bucklichten der Geck Morin.

Eil danke Gott, rief iener, daß ich bin,
Wie könntest du sonst sprechen?

Die Thiere, wenn man fle verschneidet, werden sanfter und häuslicher, Menschen aber bösartiger und so lafterhaft, daß wir Abendländer kaum Begriffe davon haben; fle

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vertauschen die Humanität gegen Bestialität, die Phantafle mag den Verluft noch unendlich höher anschlagen, und so erkläre ich mir manche widrige Erscheinung bei alten Jungfern, die ihre Humanität gewaltsam unterdrücken müssen. Unvergeßlich ist mir eine alte Jungfer Gräfin, die nicht nur häßlich, sondern auch recht boshaft und voll Ahnenstolz war, die vorzügliches Vergnügen fand, in Buffons und Schrebers Affenabbildungen Aehnlichkeiten mit Bekannten und Menschen überhaupt aufzusuchen, und ich behaupte, jenes Affenstudium hat fle moralisch noch Häßlicher gemacht. Wegen ihrer Teufeleien aller Art, zu= mal fte die gute regierende Schwefter beherrschte, hieß fle - nicht der Schloßaffe, das wäre noch zu edel gewesen, sondern der Schloßorache!

Für Weiberschwächen haben alle Weiber wahre Luchsaugen; alte Jungfern scheinen jedoch ihre Augen mehr auf Männer zu richten, gleichsam aus Rache, und der gemeine Mann nennt fle daher giftige Kröten, obgleich dadurch der Kröte selbst Unrecht geschieht; denn wenn fle auch häßlich und von ekelhafter Langsamkeit ist, so dient fte, weit entfernt giftig zu sein, vielmehr zum Aussaugen frebsartiger Schaden und benimmt das Gift, das Menschenkröten gegeben haben. Die Vergleichung mit der Viper ist beffer, die man zwanzig- bis dreißigmal in vorgehaltene Lappen beißen lassen muß, wenn man ihr das Gift benehmen will, daher der Ausdruck der Franzosen von Menschen, die keine andere Einfälle haben als giftige, langues de vipère, recht gut ist, und noch besser der eines Wizkopfs von einer solchen Viper, von der es hieß, fie habe sich selbst vergiftet: "Er wird sich auf seine Zunge gebissen haben."

Uebermuth und Schwäche des Gegners verleiten rohe Gemüther nur zu gerne zum Spott, und darunter rechne ich die französischen Gesandten zu Raftatt; fte spotteten

der deutschen Gesandten, die an Tugenden, Kenntnissen und Verdiensten fle weit übertrafen, und sprachen, wie einft Polignac in Holland: Nous traiterons chez vous, de vous et sans vous. (') So bekriegten sich im NevoIutionsfriege die Soldaten auch mit Spöttereien. Die Preußen nannten die Franken in Mainz Pferdefleischfreffer, und die Franken riefen Hundebrødfreffer, warfen ihnen ihr schöneres Commisbrod zu und sprachen auch wohl von Sklaven mit zwei Camisols, und doch kein Rock! viel Batterie und fein Kanon ihnen schallten wieder: Königsmörder! Papiersoldat! entgegen. Als Ludwig XVIII., damals bloßer Prätendent, aus Verona hinweg sich in die Arme der Emigranten am Rhein warf, riefen diese: „Wir haben den König!" und die Repub-. likaner Und wir das Reich!" Die Oesterreicher haßten die, die ihres Kaisers Schwester gemordet hatten, viel zu sehr, um zu spötteln; wenn sie es thaten, so galt es die deutschen Blauröcke, die fle Guckuk nannten, und die Reichs contingenter sahen sie ohnehin nur als Garnisonswaare an und hießen fle mit militärischer Energie Mauersch...

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Kannibalisch war der Spott der französischen Commissäre zu Neustadt an der Hardt, als sie den Bewohnern ihre Glocke und ihr Vieh nahmen; fle ließen eine ganze Stunde Valet läuten, und Rougemaitre ein Melac, Trenk und Davoust, deren Namen unsere Fleischerhunde verewigen sprach bei Abtreibung des Viehes: Weinet nicht! wenn eure Töchter die Scherze unserer Nationalgarden werden kennen lernen, werden fie euch schon-Milch geben, und bis dahin laffen wir euch ja die Augen zum weinen." Hogarth, dem das verfallene Thor von Calais so aufflel, daß er es zeichnete, worüber er als Spion in die See zurück mußte, geißelte nun alles

"

(1) Wir werden bei euch, über euch und ohne euch unterhandeln.

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